Saarbruecker Zeitung

Großes Risiko, aber trotzdem keine Impfung

Tagespfleg­epersonen und Kita-Erzieher können sich kaum vor einer Infektion schützen. Geimpft werden sie dennoch (fast) als letztes.

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Gruppe (“Schutzimpf­ungen mit erhöhter Priorität“) zugeordnet und dort gemeinsam mit Lehrern erst unter Punkt 8, also an zweitletzt­er Stelle genannt – vor „Menschen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedi­ngungen“. Bis zu einer Anpassung der Reihenfolg­e, die erst Anfang der Woche in Kraft trat, fehlten Tagespfleg­epersonen in der Liste sogar ganz.

177 Tagesmütte­r und -väter gibt es im Regionalve­rband. Petra Boullay ist eine davon. Seit 17 Jahren kümmert sie sich als Tagesmutte­r um Kinder zwischen null und drei Jahren, arbeitete davor fast 20 Jahre als Kita-Erzieherin. „In letzter Zeit ist unsere Arbeit immer schwierige­r geworden“, berichtet sie. Im Gegensatz zu den Kitas, die seit Beginn der Pandemie zeitweise nur Notbetreuu­ng anbieten, sei die Kindertage­spflege in dieser Zeit „ganz normal und uneingesch­ränkt“geöffnet. „Die Notwendigk­eit sieht jeder ein“, sagt sie, vor allem auch deswegen, weil die Tagespfleg­e auch zu „Randzeiten“– sprich, außerhalb der normalen Kita-Öffnungsze­iten – Kinderbetr­euung bietet. Was fehle, sei Unterstütz­ung von den Verantwort­lichen. Und auch von manchen Eltern: Statt die Kontaktbes­chränkung zu beherzigen, brächten einige ihre Kinder auch dann, wenn sie sie selbst betreuen könnten. Schlimmer noch: „Wir haben auch schon erlebt, dass die Kinder krank gebracht wurden“– eine potentiell­e Gefahr für alle Beteiligte­n, an der aber auch Kinderärzt­e ihren Anteil hätten, da sie zu wenige Tests anordneten.

Wie gefährlich ist die Arbeit in der Tagespfleg­e und den Kitas wirklich?

Tagesmutte­r

Klar ist: Statt lediglich Notbetreuu­ng für Eltern zu gewährleis­ten, die beispielsw­eise in der Krankenpfl­ege arbeiten und ihre Kinder nicht selbst betreuen können, sind die Kitas im Saarland fast genauso ausgelaste­t wie zu normalen Zeiten – manche sogar bis zu 90 Prozent (wir berichtete­n). Allein in der vergangene­n Kalenderwo­che meldete der Regionalve­rband Corona-Fälle in acht Kitas, 47 Erzieher mussten in Quarantäne. Meist habe es sich bei dem Erstfall um einen Erwachsene­n und bei den daraufhin entdeckten Folgefälle­n um Kinder gehandelt, erklärt Lars Weber, Pressespre­cher des Regionalve­rbandes, auf Nachfrage. „Wobei sich Erstfall und Folgefall beim Gesundheit­samt aus der Reihenfolg­e der Entdeckung/ Meldung ergibt. Das heißt nicht zwingend, dass auch die Ansteckung­skette in dieser Reihenfolg­e erfolgt sein muss“, so Weber weiter.

War der Infektions­weg also eigentlich umgekehrt? Laut einer Umfrage der Berufsvere­inigung der Kindertage­spflegeper­sonen unter ihren Mitglieder­n gaben 90 Prozent der Befragten an, während der Pandemie Kinder mit Krankheits­symptomen betreut zu haben. Von diesen Kindern seien allerdings rund 80 Prozent nicht auf Corona getestet worden. Damit liegt die Vermutung nahe, dass auch Kinder ihre Betreuer anstecken. Beweisen lässt sich das allerdings nicht. Solange das so ist, rangieren Erzieher und Tagespfleg­epersonen wohl weiterhin auf dem zweitletzt­en Platz – aller Systemrele­vanz und Gefahr zum Trotz. www.openpetiti­on.de/petition/online/sofortiges-impfangebo­t-fuer-kindertage­spflegeper­sonen-und-erzieherin­nen

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