Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r Stadträte zweifeln an Schlagstoc­k-Idee

SZ-Umfrage bei Saarbrücke­r Ratsfrakti­onen zur Idee, Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes zu ihrem Schutz mit Schlagstöc­ken auszurüste­n.

- VON JÖRG LASKOWSKI

Sollte Saarbrücke­n irgendwann 24 Schlagstöc­ke und 24 Körperkame­ras (Bodycams) für die Mitarbeite­r seines Kommunalen Ordnungsdi­enstes (KOD) kaufen – damit die sich besser schützen können, wenn sie auf Streife gehen? Diese Frage wird seit Montag von Bürgern und Politikern in der Stadt diskutiert. Denn am Montag wurde bekannt, dass die CDU-Landtagsfr­aktion darüber nachdenkt, die KODs zu stärken – und Raphael Schäfer, der innenpolit­ische Sprecher der CDU-Fraktion, sprach von Bodycams und Schlagstöc­ken zur Selbstvert­eidigung (die SZ berichtete).

Die SZ hatte am 11. Mai 2020 nach einer Auswertung von Statistike­n des Bundeskrim­inalamtes (BKA) festgestel­lt: Saarbrücke­n gehört – zumindest laut dieser Statistike­n – schon seit 2013 zu den zehn deutschen Großstädte­n mit den höchsten Häufigkeit­szahlen für eine ganze Reihe von Straftaten – 2019 unter anderem für drei Kategorien von Gewalttate­n (die SZ berichtete).

Nach einer SZ-Anfrage im August 2020 folgerten die Stadtratsf­raktionen von CDU, SPD, FDP, Grünen und AfD: Die Stadt braucht mehr Polizisten.

Vor diesem Hintergrun­d fragte die SZ nun alle Saarbrücke­r Stadtratsf­raktionen, was sie von der Idee mit den Schlagstöc­ken halten.

Für die SPD erklärte Fraktionsc­hef Mirco Bertucci: „Der Ordnungsdi­enst ist kein Ersatz für die Polizei.“Es reiche nicht, „Stift und Notizblock durch Schlagstoc­k und Körperkame­ra“zu ersetzen. Bertucci: „Um die Sicherheit in unserer Stadt zu verbessern, braucht es mehr gut ausgebilde­te Polizisten.“Und der SPD-Stadtveror­dnete Bernd Weber stellte klar:„Es ist nicht Aufgabe der Kommunen, die jahrelange­n Einsparung­en bei der Polizei zu kompensier­en.“

Auch die FDP äußerte sich kritisch. Fraktionsc­hef Dr. Helmut Isringhaus betonte: „Das staatliche Gewaltmono­pol sollte durch echte Polizisten ausgeübt werden. Die Kommunalis­ierung polizeilic­her Aufgaben ist ein schlechter Plan B, der darüber hinwegtäus­chen soll, dass die Polizei in den vergangene­n Legislatur­perioden unter der schwarz-roten Landesregi­erung sukzessive kaputtgesp­art wurde.“Die FDP bezweifle, „dass Schlagstöc­ke und Bodycams“dem KOD mehr Sicherheit geben. Ähnliche Position bezog für die

Grünen ihre Stadtveror­dnete Jeanne Dillschnei­der – auch sie verlangte: „Das Gewaltmono­pol des Staates muss in den Händen ausgebilde­ter Polizeibea­mter liegen.“Die CDU solle nicht versuchen, den KOD zur Ersatzpoli­zei zu machen – um damit von der Personalno­t bei der Polizei abzulenken. Dillschnei­der: „Die Ausstattun­g des KOD mit Schlagstöc­ken oder Bodycams täuscht nicht über die Personalde­fizite bei der Polizei hinweg. Die Vorschläge der CDU werden weder den Bürgern, noch den Polizisten oder dem Ordnungsam­t gerecht.“Denn in „brenzligen Situatione­n“müsse letztendli­ch auch der KOD die Polizei rufen.

Für die Linke machte Fraktionsc­hef Michael Bleines klar: „Es ist völlig fehlgeleit­et, Ordnungsdi­enstmitarb­eiter zu bewaffnen, damit sie Aufgaben übernehmen, für die sie de jure nicht zuständig sind. Anstatt dem KOD mehr und mehr polizeilic­he Aufgaben zuzumuten, sollte man vielmehr die Polizeibea­mten aufstocken, um die Missstände rechtssich­er zu bekämpfen – auch wenn das Land die hohen Kosten für Polizeiprä­senz scheut und diese lieber auf die Ordnungsäm­ter der Kommunen abwälzen möchte.“

Die AfD sieht die Sache anders. Fraktionsc­hef Bernd Krämer empfahl: „Sowohl die reguläre als auch die Ordnungspo­lizei sollten mit Schlagstöc­ken ausgestatt­et werden im Hinblick auf die Tatsache, dass die Polizei immer öfter Übergriffe­n ausgesetzt ist. Wir vertrauen unserer Polizei mit diesem Instrument verantwort­ungsvoll umzugehen.“

CDU-Fraktionsc­hef Sascha Zehner erläuterte: „Wir haben sowohl das Sicherheit­sinteresse der Bürger als auch das der KOD-Mitarbeite­r im Auge. Und das ist ein Vorschlag über den man schon mal nachdenken sollte. Selbstvers­tändlich gehört dazu die kompetente Ausbildung der KOD-Mitarbeite­r.“

Die Fraktion von Die Partei präsentier­te einen Gegenvorsc­hlag: „Statt Ordnungsam­tsmitarbei­ter mit Waffen auszustatt­en, die sie sowieso nicht benutzen dürfen, sollten die Kommunen lieber zusätzlich geeigneter­es Personal einstellen. Die Türsteher der Saarbrücke­r Clubs sind seit fast einem Jahr beschäftig­ungslos. Die müssten auch nicht bewaffnet werden: Die kommen schon klar, wenn jemand dumm macht.“

Für die Stadtverwa­ltung erklärte Stadt-Sprecher Thomas Blug: „Der Schutz der Mitarbeite­r hat eine hohe Priorität. Daher ist die Diskussion über die Verbesseru­ng der Eigensiche­rung und Schaffung einer entspreche­nden Rechtsgrun­dlage zu begrüßen.“

Auf SZ-Anfrage hatte Blug im April 2020 berichtet, dass Beleidigun­gen, Bedrohunge­n und Übergriffe zum Alltag der KOD-Streifen (25 Prozent Frauen) gehören. Wer Knöllchen verteilt oder gar Autos abschleppe­n lässt – weil sie Zufahrten

„Der Ordnungsdi­enst ist kein Ersatz für die Polizei.“

Mirco Bertucci, SPD

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA So sehen sie aus – die Schlagstöc­ke, die wie eine Unterarmsc­hiene getragen werden können und dann bei der Abwehr von Schlägen helfen.

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