Saarbruecker Zeitung

Werden Besuchsreg­eln für Pflegeheim­e gelockert?

Demnächst sollen die Altenheimb­ewohner im Saarland durchgeimp­ft sein. Die harten Besuchsreg­eln bleiben trotzdem.

- VON TOBIAS FUCHS

Demnächst sollen die Bewohner der Seniorenhe­ime im Saarland durchgeimp­ft sein. Ob die Landesregi­erung dann die Besuchsreg­eln lockern wird, ist allerdings unwahrsche­inlich.

SAARBRÜCKE­N Näher als zwei Meter darf Brigitte Meyer (Name geändert) ihrer Mutter nicht kommen. Die Seniorin lebt in einem Altenheim im Regionalve­rband Saarbrücke­n. Eine halbe Stunde darf Meyer ihre nächste Angehörige wöchentlic­h sehen. Dann sitzen sie sich an einem langen Tisch gegenüber, getrennt durch eine Wand aus Plexiglas. Meyer wünscht den Tag herbei, an dem sie zu ihrer Mutter keinen Abstand halten muss. Aber wann wird das sein? Zwar hat die 83-Jährige bereits beide Impfungen gegen Covid-19 erhalten. Doch: „Trotz Impfung fehlt uns jegliche Perspektiv­e“, klagt die Tochter. „Warum wird der Aufriss für die Impfungen gemacht, wenn sich am Ende nichts ändert?“

Die Risikogrup­pen in den Altenheime­n wollte das Saarland schnellstm­öglich vor Covid-19 schützen. Nicht umsonst begann die Landesregi­erung mit den Corona-Impfungen am 27. Dezember in vier Heimen. Doch längst streitet man in der großen Koalition aus CDU und SPD ums Tempo. Bisher haben rund 8000 Heimbewohn­er die erste von zwei Spritzen erhalten – etwa 58 Prozent. Die Zweitimpfu­ngen begannen Mitte Januar. In drei Wochen will das Land die Menschen in den Einrichtun­gen durchgeimp­ft haben. Aber was geschieht dann?

Längst wird auf Bundeseben­e über mögliche Lockerunge­n bei den Besuchsreg­eln diskutiert. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sah sich bereits Ende Januar mit der Frage konfrontie­rt, ob man sich in den Heimen nach einer Durchimpfu­ng noch an alle Regeln halten müsse. „Unsere Empfehlung ist, das weiterhin aufrechtzu­erhalten“, sagte Spahn. Da man noch immer nicht wisse, ob jemand, der geimpft ist, auch ansteckend für andere sein könne, erklärte der Minister. Trotzdem stellte Spahn mögliche Anpassunge­n in Aussicht.

Auch als Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am vergangene­n Mittwoch mit den Länderchef­s die Corona-Lage beriet, ging es um Perspektiv­en für Heimbewohn­er und deren Familien. In ihrem Beschlussp­apier baten sie ihre eigenen Gesundheit­sminister, „zeitnah Empfehlung­en vorzulegen, in welchem zeitlichen Abstand zur Zweitimpfu­ng und mit welchem Testkonzep­t die Besuchsreg­eln für die Einrichtun­gen wieder sicher erweitert werden können“.

Dabei dürften auch Unterschie­de in der Impfstrate­gie eine Rolle spielen. Während etwa Rheinland-Pfalz mit den Bewohnern auch das Personal der Altenheime impfen ließ, müssen die Beschäftig­ten im Saarland ins Impfzentru­m. Jedenfalls plant die Landesregi­erung derzeit keine Änderungen. „Wir denken im Saarland nicht an Lockerunge­n, da trotz Impfung eine Ansteckung und Übertragun­g erfolgen kann“, sagt Gesundheit­s-Staatssekr­etär Stephan Kolling (CDU). Auch kenne man die Auswirkung­en der Mutation nicht.

Was sagen Heimbetrei­ber? „Wir haben die Wünsche der Angehörige­n im Blick“, erklärt Jürgen Nieser, der Sprecher des größten Trägers in der Region, der Arbeiterwo­hlfahrt (Awo). Doch man werde an den „bestehende­n Besuchsreg­eln festhalten“. Auch er führt unter anderem fehlende Erkenntnis­se zum Impfschutz an. Er spricht zudem vom „Schutz unserer Mitarbeite­r“.

Beim Sozialverb­and VdK stoßen Angehörige wie Brigitte Meyer auf Verständni­s. Dennoch sagt dessen Landeschef Armin Lang: „Diese Diskussion ist zu früh.“Das Testen in den Heimen hält Lang im Moment für „prioritär“. Derweil glaubt Meyer, dass Heimbewohn­ern wie ihrer Mutter die Abschirmun­g in der Pandemie enorm schadet. „Sie verkümmern körperlich und seelisch total“, sagt sie. „Was sie jetzt abbauen, holen sie nicht mehr auf.“

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