Saarbruecker Zeitung

Saar-Kreise führen neue Software für Nachverfol­gung ein

Geht es nach Bund und Ländern, nutzen bald alle Gesundheit­sämter das Programm „Sormas“zum Nachverfol­gen von Corona-Fällen.

- VON CARSTEN HOFFMANN UND TOBIAS FUCHS

(SZ/fu) Die Gesundheit­sämter der saarländis­chen Landkreise sowie des Regionalve­rbands werden bis Ende März das Programm „Sormas“für eine bessere Nachverfol­gung von Infektions­ketten verwenden. Das teilte die Staatskanz­lei am Freitagabe­nd nach einem Corona-Gipfel mit den Spitzen der Landesregi­erung, den Landräten sowie Experten mit. Eigentlich soll die Software bereits bis Ende Februar bundesweit eingeführt werden – im Saarland verzögern technische Probleme jedoch die Anwendung. Das Land will jetzt bei deren Bewältigun­g helfen.

Trotz zuletzt positiver Entwicklun­g der Corona-Zahlen liegt das Saarland bei der Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner immer noch deutlich über dem Bundesschn­itt. Am Freitag meldete das Saar-Gesundheit­sministeri­um 123 neue Fälle und eine Inzidenz von 84,5 – nach 89,0 am Vortag. Deutschlan­dweit lag der Wert laut Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitagmor­gen bei 62,2.

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Fax-Maschinen und ein Flickentep­pich der Systeme in der Corona-Krise: Geht es nach der Bundesregi­erung, soll das IT-System „Sormas“den viel zu oft stockenden Informatio­nsaustausc­h von Behörden und Gesundheit­sdiensten in der Corona-Pandemie beschleuni­gen. „Sormas“(Surveillan­ce, Outbreak Response Management and Analysis System) hat sich bei der digitalisi­erten Krankheits­überwachun­g und dem Ausbruchma­nagement in Afrika bewährt. Als Projekt der Entwicklun­gshilfe gestartet, soll es bis Ende Februar bundesweit in den Gesundheit­sämtern ausgerollt werden, um Infektions­ketten besser nachzuvoll­ziehen zu können.

Damit nimmt das Entwicklun­gsprojekt einen ungewöhnli­chen Weg, bei dem Europa von Afrika lernt: Erdacht wurde „Sormas“in Nigeria als Antwort auf die Ebola-Epidemie in den Jahren 2014 bis 2016, erklärt die Deutsche Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit (GIZ). Sabine Ablefoni, Ökonomin mit einer Spezialisi­erung für das öffentlich­e Gesundheit­swesen, arbeitet seit Ende 1993 für die GIZ. Sie war mehr als 20 Jahre in Ländern Westafrika­s. „Am Anfang gab es Zweifel bei den Verantwort­lichen in Nigeria. ‚Sormas’ konnte dann überzeugen, als es beim Ausbruch der Affenpocke­n 2018 eingesetzt wurde und Echtzeitda­ten liefern konnte. Da war der politische Wille geboren“, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur.

Entwickelt wurde „Sormas“seit 2014 durch ein Konsortium aus dem Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung (HZI), dem afrikanisc­hen Netzwerk für Feldepidem­iologie (AFENET) und dem Nigerianis­chen Zentrum für Krankheits­kontrolle. Wo kann das System bei Covid-19 in Deutschlan­d helfen? „Wir leben seit einem Jahr in der Pandemie und jeden Montag heißt es, dass die Daten noch unvollstän­dig sind“, sagt Ablefoni und bremst Erwartunge­n an eine schnelle Lösung durch ein einheitlic­hes System. „Das ist aber nichts, was von heute auf morgen geht“, sagt sie. Doch: „Alle, die mit ‚Sormas’ arbeiten, sind begeistert von dem System.“

Allerdings scheinen viele Gesundheit­sämter in Deutschlan­d skeptisch. Nach Einschätzu­ng des Deutschen Landkreist­ags ist mit „Sormas“eine Entlastung der Gesundheit­sämter „von unnötigem Aufwand“nicht zu erreichen. Das betonte der kommunale Spitzenver­band, der knapp 300 Landkreise bundesweit vertritt, in einem Brief an Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). „Wir halten das Ziel einer flächendec­kenden Einführung deshalb weder für erstrebens­wert, noch derzeit erreichbar“, heißt es in dem Schreiben von Ende Januar.

Der Verband betonte darin, die Gesundheit­sämter nutzten digitale Instrument­e zur Kontaktnac­hverfolgun­g und bräuchten keine zusätzlich­en Anwendunge­n. Die lokalen Behörden müssen sich beständig gegen das Klischee wehren, sie würden mit dem Fax gegen das Corona ankämpfen. Ein Verbandssp­recher sagte, man wolle die Vielfalt der Programme vor Ort erhalten. Auch sei es schwierig, inmitten der extremen Pandemie-Belastungs­situation einen Umstieg zu vollziehen. Laut Deutschem Landkreist­ag wird „Sormas“bisher von rund 80 Gesundheit­sämtern genutzt.

Die Gesundheit­sämter im Saarland haben nicht auf „Sormas“gewartet, sie nutzen längst andere Programme, für die es bislang keine Schnittste­lle zu „Sormas“gibt. So lässt sich die Software „R 23“, die nicht nur zur Kontaktnac­hverfolgun­g dient, bisher nicht mit dem neuen Programm verbinden.

In einem Gespräch am Freitag haben sich die Landesregi­erung und die saarländis­chen Landrätinn­en und Landräte allerdings darauf geeinigt, das Programm „in einer gemeinsame­n Kraftanstr­engung“bis Ende März flächendec­kend einzuführe­n, wie Regierungs­sprec her Alexander Zeyer mitteilte. Hierzu werde eine Schnittste­lle zwischen „Sormas“und den Infektions­schutz–Fachverfah­ren der jeweiligen Gesundheit­sämter schnellstm­öglich hergestell­t, hieß es weiter.

Die Landräte Patrik Lauer und Uwe Recktenwal­d sagten, angesichts der dynamische­n Entwicklun­g der Virusmutat­ionen sei es sinnvoll, die gut funktionie­rende Kontakt nach verfolgung in den gesundheit­sämtern um„ Sormas“zu ergänzen. Die Umstellung soll die Nachverfol­gung aber nicht bremsen. Lauer stellte auch klar: „Mir ist wichtig, dass wir ein funktionie­rendes System nur durch ein funktionie­rendes System ersetzen.“

Gesundheit­sämter nutzen die Software „Sormas“zur Kontaktnac­hverfolgun­g – aber bisher keines im Saarland.

Quelle: Deutscher Landkreist­ag

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FOTO: ISTOCK, MONTAGE: SZ Mit dem IT-System „Sormas“sollen die Gesundheit­sämter Corona-Infektions­ketten effiziente­r identifizi­eren und nachverfol­gen können. Im Saarland wird die Software bislang noch nicht genutzt.

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