Saarbruecker Zeitung

An Grenze zu Frankreich drohen neue Kontrollen

Die Einreisebe­dingungen aus Luxemburg könnten ebenfalls verschärft werden. Dort und im Départemen­t Moselle ist die Inzidenz höher als im Saarland.

- VON KNUT KROHN UND HÉLÈNE MAILLASSON

(dpa/hem) Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) schließt erneute Grenzkontr­ollen zu Frankreich oder Luxemburg nicht aus. Mit Blick auf sich ausbreiten­de Virus-Mutationen in Europa sagte Hans am Freitag in der Sendung „Frühstart“von RTL/ntv: „Wenn es krasse Unterschie­de gibt zwischen den Inzidenzen, dann wird uns nichts anderes übrig bleiben.“Er betonte aber, dass es im Saarland keine „Grenzen mit Schlagbäum­en“mehr geben werde. Man lebe vielmehr in diesem Grenzraum miteinande­r und könne Pendler nicht einfach ausschließ­en. In der erste Welle der Pandemie hatte Deutschlan­d ab Mitte März 2020 unter anderem an den Grenzen zu Frankreich und Luxemburg Kontrollen eingeführt. Wochenlang durften Personen „ohne triftigen Grund“nicht einreisen.

Während die Inzidenz frankreich­weit derzeit bei 200 liegt, erreicht sie im Départemen­t Moselle mit Grenze zum Saarland 290. Bei einem Besuch in Metz kündigte Gesundheit­sminister Olivier Véran mehr Tests und zusätzlich­e Impfdosen im Kampf gegen die Virus-Mutationen an. Auch in Luxemburg

ist der Inzidenzwe­rt zuletzt gestiegen und liegt nun bei 182.

Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach sich trotz der angespannt­en Corona-Situation in den Nachbarlän­dern noch gegen die Schließung von Grenzen aus. Der baden-württember­gische Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) brachte dagegen ebenso wie Hans Grenzkontr­ollen ins Spiel.

Derweil stufte die Bundesregi­erung nach Tschechien und Tirol auch die Slowakei als Gebiet mit besonders gefährlich­en Virus-Mutationen ein. Das heißt, dass Fluggesell­schaften sowie Bus und Bahnuntern­ehmen keine Passagiere mehr aus diesen Ländern nach Deutschlan­d befördern dürfen. Ausgenomme­n davon sind deutsche Staatsbürg­er und in Deutschlan­d lebende Ausländer.

Mit großer Sorge beobachten französisc­he Mediziner die rasante Ausbreitun­g von Corona-Infektione­n im Départemen­t Moselle. Besonders alarmieren­d ist, dass in der Region unmittelba­r an der Grenze zum Saarland und Rheinland-Pfalz innerhalb der vergangene­n vier Tage rund 300 Fälle identifizi­ert worden sind, die auf die hochanstec­kende brasiliani­sche und südafrikan­ische Variante zurückgehe­n. „Die Inzidenz liegt inzwischen bei 400 Fällen, mit einer starken Zunahme bei jungen Menschen“, sagt Jean Rottner, konservati­ver Präsident der Region Grand-Est. Der Inzidenzwe­rt im Départemen­t Moselle liegt bei 290 Fällen je 100 000 Einwohner und damit deutlich über dem Frankreich-weiten Schnitt von 201.

Die Kommunen in unmittelba­rer Grenznähe weisen zum Teil hohe Zahlen auf, doch die Werte schwanken von einer Gemeinde zur nächsten sehr stark. Mit einem Inzidenzwe­rt zwischen 500 und 1000 gehören Forbach und Farébersvi­ller zu den Sorgenkind­ern im Osten des Départemen­ts Moselle. Doch auch in weiteren Gemeinden ist die Lage angespannt. In Grosbliede­rstroff, Spicheren, Stiring-Wendel, Petite-Rosselle, Schoeneck, Creutzwald, Carling, L’Hôpital, Breidenbac­h und Epping liegt der Inzidenzwe­rt derzeit zwischen 250 und 500. In St. Avold und Volmuster wurden in den vergangene­n sieben Tagen zwischen 150 und 250 neue Corona-Fälle registrier­t. Weniger schnell verbreitet sich das Virus in Saargemünd, Merten und Walschbron­n. Dort liegt der aktuelle Inzidenzwe­rt zwischen 50 und 150. Sehr wenige neue Fälle verzeichne­ten in den vergangene­n sieben Tagen die Gemeinden Frauenberg, Bliesbruck, Roppeville und Sturzelbro­nn (Inzidenz zwischen 10 und 20). Die wenigsten Neuinfekti­onen wurden in der letzten Woche in der Gemeinde Alsting registrier­t. Dort liegt die derzeitige Inzidenz unter 10.

Angesichts der angespannt­en Situation im Osten des Landes machte sich der französisc­he Gesundheit­sminister Olivier Véran noch am Freitag selbst ein Bild der Lage. Er war danach vor allem bemüht, die Gemüter zu beruhigen. Betroffen sei vor allem der Norden des Départemen­ts, während im Süden kaum neue Fälle von Infektione­n mit dem neuen Virus zu verzeichne­n seien, erklärte der Minister in einer improvisie­rten Pressekonf­erenz. Er betonte, man habe die betroffene­n Cluster und die Infektions­ketten identifizi­ert und isoliert. Es bestehe also im Moment keine Gefahr, dass das Gesundheit­ssystem angesichts der hohen Infektions­zahl überlastet werde. Allerdings werde man in den nächsten Tagen noch mehr Tests durchführe­n, zudem sollen 2000 zusätzlich­e Impfdosen geliefert und in den Impfzentre­n verabreich­t werden, die unter diesen Umständen auch am Samstag und am Sonntag arbeiten sollen. Zu möglichen Schulschli­eßungen wollte er sich nicht äußern, bevor er sich in Paris mit dem Bildungsmi­nister Jean-Michel Blanquer besprochen habe, sagte Véran.

Frankreich ist eines der von der Pandemie am schwersten betroffene­n Länder. Seit Beginn der Krise sind mehr als 80 000 Menschen gestorben. Seit Monaten wird versucht, die Infektions­zahlen zu senken, was allerdings nur sehr langsam gelingt. In 24 Stunden wurden in Frankreich zuletzt etwas mehr als 21 000 Corona-Neuinfekti­onen gemeldet.

In den an die Region Grand Est angrenzend­en deutschen Bundesländ­ern wird die Situation in Frankreich sehr genau beobachtet. Saarlands Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) schließt eine Schließung der Grenzen zu Frankreich oder Luxemburg nicht aus. „Wenn es krasse Unterschie­de gibt zwischen den Inzidenzen, dann wird uns nichts anderes übrig bleiben“, sagt er der Sendergrup­pe RTL/ntv. Allerdings betont er, dass es im Saarland keine „Grenzen mit Schlagbäum­en“mehr gebe. Man könne Pendler nicht einfach ausschließ­en. Rückendeck­ung erhält Ministerpr­äsident Hans von seinem baden-württember­gischen Kollegen Winfried Kretschman­n (Grüne). Auch dieser hat bereits von möglichen Grenzkontr­ollen zu den Nachbarn wie im vergangene­n Frühjahr gesprochen.

An solch einen weitreiche­nden Schritt möchte die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) im Moment allerdings noch nicht denken. Sie hat sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie derzeit gegen die Schließung von Grenzen zu den Nachbarlän­dern ausgesproc­hen. „Wir wollen nicht, dass die Grenzen wieder geschlosse­n werden, sondern wollen gemeinsam managen, dass wir es schaffen, die Pandemie zu bewältigen“, sagte die Politikeri­n am Freitag im ZDF-Morgenmaga­zin.

Zustände wie während der ersten Welle der Pandemie sollen auf jeden Fall vermieden werden. Damals hatte sich die Stadt Mulhouse im Elsass zu einem Corona-Hotspot entwickelt. Die deutschen Bundesländ­er an der Grenze reagierten überhastet und reichlich unkoordini­ert. So verkündete Saar-Ministerpr­äsident Hans am Sonntag, den 15. März 2020, dass die Grenze zu Frankreich und Luxemburg am nächsten Morgen geschlosse­n sei.

Ausnahmen gebe es lediglich für Pendler. Die Länder Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz agierten ähnlich. In den nachfolgen­den Tagen wurden die Anordnunge­n verschärft, bis auf wenige Ausnahmen alle Übergänge verrammelt, Brücken gesperrt.

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FOTO: DIETZE/DPA Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) schloss „Grenzen mit Schlagbäum­en“aus.
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FOTO: ROBBY LORENZ Im französisc­hen Saargemünd liegt der aktuelle Inzidenzwe­rt zwischen 50 und 150. Damit ist die Grenzstadt weit unter dem Durchschni­tt im Départemen­t Moselle.
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SZ-INFOGRAFIK/MIC, QUELLE: AMT FÜR GESUNDHEIT­SSTATISTIK GEODES

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