Der Ärger über Verstöße gegen die Impf-Reihenfolge wächst
Berichte über Politiker und andere „Vordrängler“beim Impfen erregen Kritik. Minister Spahn will Strafen prüfen – und bessere Regeln für überschüssige Dosen.
(dpa/SZ) Solidarität, Disziplin und Vertrauen fordert die Politik seit Monaten von den Menschen in Deutschland ein. Vielerorts ist in den vergangenen Tagen bekannt geworden, dass zum Beispiel Amts- und Würdenträger geimpft wurden, die noch gar nicht an der Reihe waren. In neun Bundesländern sind solche Fälle bekannt. Dabei kamen etwa Kommunalpolitiker, Geistliche sowie Feuerwehrleute und Polizisten zum Zuge, obwohl sie nicht der ersten Prioritätsgruppe angehören. Das führt zu Kritik.
Die Bundesregierung hatte eine klare Reihenfolge festgelegt, nach der der knappe Impfstoff verteilt wird: Die Ältesten und die, die sie versorgen, zuerst. Zwar räumt die Impfverordnung des Bundes etwa Ordnungskräften und wichtigen Verwaltungsangestellten auch eine hohe Priorität ein – aber eben nicht die höchste.
Die Begründung für die vorgezogenen Impfungen in den meisten Fällen: Am Ende des Tages seien Impfdosen übrig geblieben, die man nicht habe verschwenden wollen. Der Impfstoff muss vor dem Impfen zunächst aufbereitet und verdünnt werden und ist dann nur wenige Stunden haltbar. Sagen Menschen ihren Impftermin ab, können daher Impfdosen übrig bleiben. Wie damit umgegangen werden soll, ist nicht geregelt.
Die meisten der 401 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland haben aber schon in den ersten Tagen der Impfkampagne Strategien entwickelt, wie Impfreste trotzdem der ersten Prioritätsgruppe zuteil werden können. Die meisten führen dazu eine Art Warteliste.
In Halle in Sachsen-Anhalt versuchte man laut Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos), die Dosen zunächst an Angehörige der ersten Prioritätsstufe zu vermitteln. Wenn die nicht erreicht wurden, habe ein „Zufallsgenerator“Nachrücker ermittelt, so auch ihn und zehn Stadträte. Auch der Landrat des Saalekreises, Hartmut Handschak (parteilos), rechtfertigte sich damit, er sei zu einem Beratungstermin in einer Klinik gewesen, die ihre Beschäftigten impfte. Dabei sei eine Dosis übrig geblieben.
In Nordrhein-Westfalen waren schon im Januar mehrere Fälle von Kommunalpolitikern bekannt geworden, die früher als vorgesehen geimpft wurden. Auch in Bayern, Niedersachsen, Bremen, Hessen, Thüringen und Brandenburg sind Fälle vorzeitiger Impfungen bekannt, von Politikern, Verwaltungspersonal oder Klerikern. Im rheinland-pfälzischen Koblenz nutzte die Feuerwehr als Betreiber des Impfzentrums Impfreste für das eigene Personal. Auch Hamburg impfte bereits Feuerwehrleute und Polizisten, zudem Mitarbeiter des Krisenstabes und der Gesundheitsbehörde. Hunderte Polizisten wurden auch in Sachsen-Anhalt und Sachsen bereits geimpft. Im Saarland wurde jüngst bekannt, dass die SHG-Kliniken in Völklingen ihren Verwaltungschef und fünf Angestellte vorzeitig impfen ließen. Man habe der Klinik zugewiesene Impftermine und Impfstoff nicht verfallen lassen wollen, hieß es zur Begründung.
Nicht nur Politiker üben inzwischen Kritik an den Impf-Verstößen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte die Bundesregierung auf, Verstöße unter Strafe zu stellen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte am Freitag an, Sanktionen gegen Vordrängler zu prüfen. Um Vorgänge wie in Halle künftig zu vermeiden, könnten auch klarere Regeln für den Umfang mit den übrigen Dosen helfen. „Ich werde mit den Ländern darüber sprechen, ob wir das noch ein Stück verbindlicher regeln“, sagte Spahn.
„Ich werde mit den Ländern darüber sprechen, ob wir das
noch ein Stück verbindlicher regeln.“
Jens Spahn (CDU)
Bundesgesundheitsminister