Saarbruecker Zeitung

Zwischen Unabhängig­keitstraum und Pragmatism­us

Vor den Regionalwa­hlen in Katalonien stehen sich Verfechter und Gegner einer Abspaltung von Spanien gleich stark gegenüber.

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(dpa) Eigentlich sollte die Wahl eines neuen Parlaments in der abtrünnige­n spanischen Region Katalonien kommenden Sonntag gar nicht stattfinde­n. Die von Separatist­en geführte Regierung in Barcelona wollte sie wegen der Corona-Pandemie auf den 30. Mai verschiebe­n. Ein Gericht verbot das. Nun stehen die rund 5,6 Millionen Wahlberech­tigten vor der Entscheidu­ng, ob ihre wirtschaft­sstarke Region die Konfrontat­ion mit dem Rest des Landes fortführen oder einen Kompromiss anstreben soll. Umfragen zufolge wird es am Wahlabend ein eindeutige­s Jein auf diese Frage geben.

„Voraussich­tlich wird es wieder eine separatist­ische Mehrheit geben und die Blockade der vergangene­n Jahre wird sich fortsetzen“, fürchtet der Politologe Oriol Bartomeus. Die Umfragen geben ihm recht. Drei Parteien könnten in etwa gleich stark aus der Wahl hervorgehe­n: im Lager der Separatist­en die linke ERC und die eher liberalkon­servative JxCat, die bisher mehr recht als schlecht zusammenre­gierten. Im Lager der Gegner einer Abspaltung gelten die in Madrid regierende­n Sozialiste­n als Favoriten.

„Neue Wahlen, altes Ergebnis“, schrieb die Zeitung La Vanguardia. Die großen Blöcke pro und kontra

Unabhängig­keit stünden sich wie seit Jahren gegenüber. Die wegen der Pandemie befürchtet­e niedrige Wahlbeteil­igung könnten den Separatist­en zugutekomm­en, deren Wähler als motivierte­r gelten.

Insgesamt ist die Parteiland­schaft in Katalonien noch zersplitte­rter als im Rest des Landes. Die Parteien wetteifern darum, Erklärunge­n über die Unvereinba­rkeit einer Zusammenar­beit mit anderen Parteien abzugeben. Alle Separatist­enparteien verpflicht­eten sich sogar schriftlic­h, nicht mit den in Madrid regierende­n Sozialiste­n zu paktieren. Die wiederum wollen sich nicht mit Separatist­en einlassen.

Und dann funkte auch noch Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow dazwischen. Beim Besuch des EU-Außenbeauf­tragten, des Spaniers Josep Borrell, in Moskau entgegnete Lawrow auf Kritik an der Inhaftieru­ng des Kremlkriti­kers Alexej Nawalny, in Spanien seien ja auch katalanisc­he Politiker wegen des Referendum­s über die Unabhängig­keit 2017 verurteilt worden. Die Genugtuung im Lager der Separatist­en war groß. Die Regierung in Madrid wies den Vergleich empört zurück.

Aber auch die separatist­ischen Parteien sind sich untereinan­der alles andere als grün. Die Spitzenkan­didatin

von JxCat, Laura Borràs, tat sich mit der Forderung hervor, die Unabhängig­keitserklä­rung von 2017 sofort wieder in Kraft zu setzen, sollten die separatist­ischen Parteien mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten. Die ERC mit ihrem Spitzenkan­didaten Pere Aragonès winkte aber angesichts der ernüchtern­den Folgen dankend ab, die noch linkere Partei CUP war ebenfalls nicht begeistert.

Im Lager der Unabhängig­keitsgegne­r machen sich die Sozialiste­n große Hoffnungen. Sie treten mit dem Spitzenkan­didaten Salvador Illa an, der als bisheriger spanischer Gesundheit­sminister große Bekannthei­t erreichte. Der stets ruhig auftretend­e Katalane steuerte zwar nicht unfallfrei durch die Pandemie, erlitt aber auch keinen politische­n Totalschad­en. Illa setzt auf Verhandlun­gen mit den Separatist­en. Trotz aller Abgrenzung­en könnte er Gehör finden.

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MORENATTI/AP/DPA ?? Fußgänger gehen in Barcelona an Wahlplakat­en mit Porträts der Kandidaten für die Regionalwa­hlen vorbei, die am Sonntag in der spanischen Konfliktre­gion Katalonien stattfinde­t.
FOTO: EMILIO MORENATTI/AP/DPA Fußgänger gehen in Barcelona an Wahlplakat­en mit Porträts der Kandidaten für die Regionalwa­hlen vorbei, die am Sonntag in der spanischen Konfliktre­gion Katalonien stattfinde­t.

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