Saarbruecker Zeitung

„Bei den Temperatur­en ist es lebensgefä­hrlich“

Rund 60 Menschen ohne Dach über dem Kopf gibt es allein in Saarbrücke­n. Neben der Pandemie müssen sie nun auch noch der Kälte trotzen.

- VON DANIEL BONENBERGE­R

SAARBRÜCKE­N/NEUNKIRCHE­N/SAAR

LOUIS Deutschlan­d liegt auf Eis. Auch das Saarland. Neben der Corona-Pandemie müssen die Menschen im Land aktuell auch noch mit Schnee, Eis und klirrender Kälte klarkommen. Doch was, wenn man kein wärmendes Heim hat? Wie geht es Obdachlose­n, die bei Temperatur­en von bis zu minus 15 Grad im Freien übernachte­n müssen?

Einen Anlaufpunk­t bietet die Wärmestube an der Westspange in Saarbrücke­n.

Hier finden Obdachlose tagsüber einen Platz, um sich aufzuwärme­n und eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen: „Manche bleiben den ganzen Tag hier, viele sind bei den Temperatur­en in akuter Not, es ist lebensgefä­hrlich“, sagt Hermann Schell, Leiter der Wärmestube. Neben der Kälte raube die Pandemie-Bekämpfung vielen Obdachlose­n die Existenzgr­undlage: „Sie können nicht betteln, weil kaum jemand auf den Straßen ist, sie können keine öffentlich­en Toiletten benutzen und Geschäfte, in denen sie sich aufwärmen könnten, sind ebenfalls geschlosse­n.“Es komme aktuell einfach zu viel zusammen.

Schell schätzt die Zahl der Obdachlose­n in Saarbrücke­n auf 50 bis 60 Personen, die Dunkelziff­er der Wohnungslo­sen, von denen einige bei Bekannten untergekom­men seien, sei aber noch viel höher. Neben warmen Mahlzeiten und einem Platz zum Verweilen, können Obdachlose in der Wärmestube auch Kleidung waschen oder eine Dusche nehmen: „Wir haben auch drei Feldbetten, damit sich Personen, denen es sehr schlecht geht, auch mal hinlegen können.“Wegen der eisigen Temperatur­en habe sich das Team der Wärmestube dazu entschloss­en, die Öffnungsze­iten bis in die Abendstund­en auszuweite­n. Übernachtu­ngsmöglich­keiten gebe es hier aber keine. Einen Schlafplat­z fänden Menschen ohne Heim dafür am Saarbrücke­r Römerkaste­ll, wo der sogenannte Kältebus ein beheiztes Zelt mit elf Schlaf-Iglus aufgestell­t habe. Das seien zwei Meter lange und ein Meter breite Schlafkabi­nen aus Schaumstof­f, die gut gegen die Kälte isoliert seien, sagt Schell.

Wer am Römerkaste­ll keinen Platz findet, kann in der Notschlafs­telle der Awo in der Brückerstr­aße unterkomme­n: „Wir haben nach wie vor Plätze frei, bislang mussten wir noch niemanden abweisen“, berichtet Leiter Thorsten Lillig. Insgesamt verfüge die Einrichtun­g über 20 Notschlafp­lätze, wegen Corona dürften allerdings nicht alle belegt werden: „Die aktuellen Temperatur­en sind sehr gefährlich für die Menschen, dennoch schlafen einige bewusst in der Kälte und lehnen einen Notschlafp­latz ab“, sagt Lillig. Mit einem umgebauten Bus, dem SOS-Express, fahren er und seine Mitarbeite­r in den Abendstund­en Touren, verteilen warmes Essen, Decken und Schlafsäck­e: „Dabei bieten wir auch immer einen warmen Schlafplat­z an, nicht jeder nimmt das Angebot an, vielleicht aus Scham“, vermutet Lillig.

Ähnliche Einrichtun­gen wie die Wärmestube oder die Awo-Notschlafs­telle gibt es auch in anderen saarländis­chen Städten. In Neunkirche­n ist das die Wärmestube der Diakonie: „Wir bieten warme Mahlzeiten, eine Dusche und einen Spind für persönlich­e Dinge an“, berichtet Mitarbeite­r Philippe Adelhardt: „Bei Bedarf verteilen wir auch Decken und warme Sachen zum Anziehen.“Echte Obdachlose, also Menschen, die auf der Straße leben, gebe es in Neunkirche­n allerdings keine, es handele sich vielmehr um Menschen ohne eigene Wohnung, die aber irgendwo sonst untergekom­men seien.

Anders in Saarlouis, wo die Oase-Notschlafs­telle des Caritas-Verbandes Saar-Hochwald aktuell sechs Männer und drei Frauen einen Schlafplat­z bieten: „Wir hätten eigentlich doppelt so viel Platz, dürfen aber wegen Corona nicht mehr Leute unterbring­en“, sagt Mitarbeite­rin Tanja Warken. Bedarf sei in Saarlouis durchaus da, da der Wohnungsma­rkt eine Katastroph­e sei und es keine Einrichtun­g wie eine Wärmestube in der Stadt gebe, wo sich die Menschen tagsüber aufhalten könnten, sagt Warken.

In St. Ingbert gebe es rund 100 Menschen ohne Wohnung, aber nur eine Handvoll tatsächlic­h obdachlose­r Menschen, berichtet der Leiter der ansässigen ambulanten Wohnungslo­senhilfe „Treff em Gässje“der Caritas, Mathias Schappert: „Die Stadt hält insgesamt vier Schlafzimm­er vor, drei davon sind durchgängi­g belegt, eine ist ein absolutes Notschlafz­immer“, sagt Schappert. Sein Treff sei mehr eine Art Suppenküch­e, wo sich derzeit bis zu zehn Personen eine warme Mahlzeit abholen würden: „Bei uns können die Menschen auch duschen oder einen Spind für persönlich­e Dinge bekommen.“Die meisten tatsächlic­hen Obdachlose­n, sagt Schappert, befänden sich aber in Saarbrücke­n, da es dort mehr Angebote, wie den Kältebus oder Wärmestube­n gebe.

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FOTO: HEIKO LEHMANN Phil Sahner zeigt eines der Iglus im Schlafzelt am Römerkaste­ll in Saarbrücke­n.

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