„Bei den Temperaturen ist es lebensgefährlich“
Rund 60 Menschen ohne Dach über dem Kopf gibt es allein in Saarbrücken. Neben der Pandemie müssen sie nun auch noch der Kälte trotzen.
SAARBRÜCKEN/NEUNKIRCHEN/SAAR
LOUIS Deutschland liegt auf Eis. Auch das Saarland. Neben der Corona-Pandemie müssen die Menschen im Land aktuell auch noch mit Schnee, Eis und klirrender Kälte klarkommen. Doch was, wenn man kein wärmendes Heim hat? Wie geht es Obdachlosen, die bei Temperaturen von bis zu minus 15 Grad im Freien übernachten müssen?
Einen Anlaufpunkt bietet die Wärmestube an der Westspange in Saarbrücken.
Hier finden Obdachlose tagsüber einen Platz, um sich aufzuwärmen und eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen: „Manche bleiben den ganzen Tag hier, viele sind bei den Temperaturen in akuter Not, es ist lebensgefährlich“, sagt Hermann Schell, Leiter der Wärmestube. Neben der Kälte raube die Pandemie-Bekämpfung vielen Obdachlosen die Existenzgrundlage: „Sie können nicht betteln, weil kaum jemand auf den Straßen ist, sie können keine öffentlichen Toiletten benutzen und Geschäfte, in denen sie sich aufwärmen könnten, sind ebenfalls geschlossen.“Es komme aktuell einfach zu viel zusammen.
Schell schätzt die Zahl der Obdachlosen in Saarbrücken auf 50 bis 60 Personen, die Dunkelziffer der Wohnungslosen, von denen einige bei Bekannten untergekommen seien, sei aber noch viel höher. Neben warmen Mahlzeiten und einem Platz zum Verweilen, können Obdachlose in der Wärmestube auch Kleidung waschen oder eine Dusche nehmen: „Wir haben auch drei Feldbetten, damit sich Personen, denen es sehr schlecht geht, auch mal hinlegen können.“Wegen der eisigen Temperaturen habe sich das Team der Wärmestube dazu entschlossen, die Öffnungszeiten bis in die Abendstunden auszuweiten. Übernachtungsmöglichkeiten gebe es hier aber keine. Einen Schlafplatz fänden Menschen ohne Heim dafür am Saarbrücker Römerkastell, wo der sogenannte Kältebus ein beheiztes Zelt mit elf Schlaf-Iglus aufgestellt habe. Das seien zwei Meter lange und ein Meter breite Schlafkabinen aus Schaumstoff, die gut gegen die Kälte isoliert seien, sagt Schell.
Wer am Römerkastell keinen Platz findet, kann in der Notschlafstelle der Awo in der Brückerstraße unterkommen: „Wir haben nach wie vor Plätze frei, bislang mussten wir noch niemanden abweisen“, berichtet Leiter Thorsten Lillig. Insgesamt verfüge die Einrichtung über 20 Notschlafplätze, wegen Corona dürften allerdings nicht alle belegt werden: „Die aktuellen Temperaturen sind sehr gefährlich für die Menschen, dennoch schlafen einige bewusst in der Kälte und lehnen einen Notschlafplatz ab“, sagt Lillig. Mit einem umgebauten Bus, dem SOS-Express, fahren er und seine Mitarbeiter in den Abendstunden Touren, verteilen warmes Essen, Decken und Schlafsäcke: „Dabei bieten wir auch immer einen warmen Schlafplatz an, nicht jeder nimmt das Angebot an, vielleicht aus Scham“, vermutet Lillig.
Ähnliche Einrichtungen wie die Wärmestube oder die Awo-Notschlafstelle gibt es auch in anderen saarländischen Städten. In Neunkirchen ist das die Wärmestube der Diakonie: „Wir bieten warme Mahlzeiten, eine Dusche und einen Spind für persönliche Dinge an“, berichtet Mitarbeiter Philippe Adelhardt: „Bei Bedarf verteilen wir auch Decken und warme Sachen zum Anziehen.“Echte Obdachlose, also Menschen, die auf der Straße leben, gebe es in Neunkirchen allerdings keine, es handele sich vielmehr um Menschen ohne eigene Wohnung, die aber irgendwo sonst untergekommen seien.
Anders in Saarlouis, wo die Oase-Notschlafstelle des Caritas-Verbandes Saar-Hochwald aktuell sechs Männer und drei Frauen einen Schlafplatz bieten: „Wir hätten eigentlich doppelt so viel Platz, dürfen aber wegen Corona nicht mehr Leute unterbringen“, sagt Mitarbeiterin Tanja Warken. Bedarf sei in Saarlouis durchaus da, da der Wohnungsmarkt eine Katastrophe sei und es keine Einrichtung wie eine Wärmestube in der Stadt gebe, wo sich die Menschen tagsüber aufhalten könnten, sagt Warken.
In St. Ingbert gebe es rund 100 Menschen ohne Wohnung, aber nur eine Handvoll tatsächlich obdachloser Menschen, berichtet der Leiter der ansässigen ambulanten Wohnungslosenhilfe „Treff em Gässje“der Caritas, Mathias Schappert: „Die Stadt hält insgesamt vier Schlafzimmer vor, drei davon sind durchgängig belegt, eine ist ein absolutes Notschlafzimmer“, sagt Schappert. Sein Treff sei mehr eine Art Suppenküche, wo sich derzeit bis zu zehn Personen eine warme Mahlzeit abholen würden: „Bei uns können die Menschen auch duschen oder einen Spind für persönliche Dinge bekommen.“Die meisten tatsächlichen Obdachlosen, sagt Schappert, befänden sich aber in Saarbrücken, da es dort mehr Angebote, wie den Kältebus oder Wärmestuben gebe.