Autorin Dischereit warnt vorm Erinnern mit zweierlei Maß
SAARBRÜCKEN/BERLIN (sop) Der Anschlag auf die Synagoge von Halle oder Querdenker, die mit Judensternen provoziert haben: So schlimm die Anlässe waren, immerhin haben sie die Wahrnehmung verändert. Das stellt zumindest Anastassia Pletoukhina, die am Tag des Anschlags in der Hallenser Synagoge saß, fest. „Auf einmal wird Juden und Jüdinnen sehr stark zugehört“, sagt Pletoukhina, die auch Direktorin der Aktivitäten der Jewish Agency for Israel ist. Pletoukhina hatte unter anderem mit Burkhard Jellonek und der Schriftstellerin Esther Dischereit an einer virtuellen Diskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Antisemitismus und Erinnerungsarbeit teilgenommen.
Deutliche Kritik an einigen Formen der Erinnerungskultur kam von Esther Dischereit, einer wichtigen Stimme der zweiten Generation nach dem Holocaust. „Es ist nicht richtig, die Erinnerung für die vermeintlich wertvollen jüdischen Menschen vorzubehalten“, sagte sie und verwies auf jüdische Kulturschaffende, deren Beitrag für die deutsche Kultur immer besonders stark herausgestellt werde. „Der jüdische Schneider und der eingewanderte Fließbandarbeiter dürfen genauso so wenig getötet werden.“Sie kritisiert auch die Exotisierung jüdischer Menschen, und hofft, dass diese nicht beim bundesweiten Jubiläum 1700 jüdisches Leben in Deutschland fortgesetzt werde.
Erinnerungsarbeit ist ein fortdauernder Prozess, betonte Burkhard Jellonnek, Vorsitzender des saarländischen Kulturforums der Sozialdemokratie. „Die Schüler wissen zu wenig über deutsche Demokratie, ich stelle hier und da fest, dass unser Unterricht auch fantasielos ist.“Die Aufarbeitung habe nur in Teilen funktioniert, der Schulunterricht sei auch in seiner Kreativität gefordert.