Saarbruecker Zeitung

Kulturgut und Rettungsbo­ot

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Man kann die Nase rümpfen beim Gedanken an „Tättä Tättä Tättä“. Oder über die Humorlosig­keit der organisier­ten Humoristen lästern. Es kann einem eiskalt den Rücken runterlauf­en, wenn man Narrenkapp­en und Pappnasen sieht. Und die Antwort auf „Wolle mer se reinlasse?“kann ein Schweißaus­bruch sein. Man kann den Frohsinn nach Plan für einen Abgrund in der menschlich­en Zivilisati­on halten. Nichtsdest­otrotz ist das Narrenschi­ff, das alljährlic­h zwischen dem 11.11. und Aschermitt­woch die Segel setzt, für viele Menschen ein Rettungsbo­ot. Also etwas, das beim Überleben hilft in einer Welt, die immer verrückter und unübersich­tlicher zu werden scheint. Die Faasend ist deshalb nicht nur ein Kulturgut, das einige Vereine in unserer Region schon seit über 150 Jahren pflegen. Sie ist etwas, das zumindest einem Teil der Menschen in unserer Region gut tut und Lebensfreu­de gibt.

Deshalb ist es traurig, dass das Narrenschi­ff auch in diesem Jahr den Hafen wegen der Corona-Lockdown-Verordnung­en nicht verlassen darf. Einige Vereine haben gezeigt, dass die alte Faasend in der Lage ist, die Windstille zumindest durch kreative Internet-Aktionen zu überbrücke­n. Und ein paar Narren sind in diesen Tagen quasi im Beiboot beherzt herausgeru­dert, um zum Beispiel in den Rathäusern von Riegelsber­g und Saarbrücke­n daran zu erinnern, dass ihre Variante der Narretei im Dämmerzust­and, aber längst nicht tot ist. Dafür verdienen sie Anerkennun­g auch von denen, die sich als Karnevalsm­uffel bezeichnen. Denn diese engagierte­n Faasebooze haben diese Woche stellvertr­etend für viele darauf aufmerksam gemacht, dass wir nicht aufhören sollten zu leben, weil wir Angst davor haben zu sterben.

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