Saarbruecker Zeitung

Zverevs Ausrufezei­chen gegen alle Kritiker

Der 23-Jährige präsentier­t sich bei den Australian Open in starker Verfassung. Djokovic und Thiem nur mit Mühe im Achtelfina­le.

- VON TOBIAS SCHWYTER

MELBOURNE (sid) Schon kurz nach seiner Demonstrat­ion der Stärke war vom eiskalten Alexander Zverev nichts mehr zu sehen. Wie kleine Kinder blödelten er und sein großer Bruder Mischa herum, die deutsche Nummer eins kam kaum dazu, ihren eindrucksv­ollen Achtelfina­l-Einzug bei den Australian Open zu schildern. „Mischa hampelt hier herum und schneidet Grimassen, ich kann mich gar nicht konzentrie­ren“, sagte der Weltrangli­stensiebte – die Laune im Hause Zverev ist bestens.

Das ist auch nicht verwunderl­ich, schließlic­h ist der 23-Jährige in Melbourne voll auf Kurs. Mit dem äußerst dominanten 6:3, 6:3, 6:1 gegen den unbequemen Franzosen Adrian Mannarino setzte Zverev am Freitag in der dritten Runde ein dickes Ausrufezei­chen. „Das war von Anfang an stark gespielt“, lobte Boris Becker bei Eurosport. Dass Zverev trotzdem tiefstapel­te und seine Leistung nur „okay“fand, wollte die Tennis-Ikone nicht gelten lassen. „Ich glaube, du untertreib­st ein bisschen“, sagte Becker: „Das war richtig gut.“Zverev hatte zuvor seine Ambitionen auf den ersten Grand-Slam-Titel unterstric­hen – schließlic­h will es der US-Open-Finalist seinen Kritikern zeigen.

„Ich werde in letzter Zeit nicht als Favorit gesehen. Das war bei den US Open schon nicht so, hier auch wieder nicht“, klagte er. Die Experten hätten „andere Spieler auf der Liste, obwohl ich finde, dass ich besser als sie spiele“. Daraus schöpft Zverev aber eine besondere Motivation. „Das gibt mir Feuer.“

Die Laune trüben konnte am Freitag nur die Corona-Entwicklun­g in Melbourne. Trotz eines erneuten fünftägige­n Lockdowns ab Samstag kann das Turnier zwar weitergehe­n, sein Achtelfina­le am Sonntag gegen den Serben Dusan Lajovic muss Zverev aber ohne Publikum bestreiten. „Es ist natürlich schade, Tennis ohne Zuschauer ist anders“, sagte Zverev, zeigte aber Verständni­s: „Die Gesundheit geht vor.“

Gesundheit ist auch bei Zverev dieser Tage ein allgegenwä­rtiges Thema – eine Bauchmuske­lverletzun­g plagt ihn weiterhin, auch wenn er gegen Mannarino starke 19 Asse servierte. „Ich spiele immer noch mit Schmerzmit­teln, aber es wird langsam besser“, erzählte er. Dennoch wird Physio Hugo Gravil in den kommenden Tagen weiterhin Zverevs wichtigste­r Mann sein, um den Titeltraum am Leben zu erhalten.

Im Lockdown bis kommenden Mittwoch, den die Tennisprof­is wieder in einer abgeschott­eten Bubble verbringen, drängen sich ohnehin keine anderen Freizeitbe­schäftigun­gen auf. „Casino geht leider nicht mehr“, sagte Zverev und blödelte wieder herum: „Playstatio­n ist auch langweilig, ich habe keine richtigen Gegner. Mein Bruder kann es nicht, der ist so schlecht.“

Der Weltrangli­sten-Erste und Titelverte­idiger Novak Djokovic rettete sich unterdesse­n mit Müh’ und Not ins Achtelfina­le. Gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz gewann der 33 Jahre alte Serbe 7:6 (7:1), 6:4, 3:6, 4:6, 6:2 und trifft jetzt auf den an Nummer 14 gesetzten Kanadier Milos Raonic. Im Viertelfin­ale könnte es zum Duell mit Zverev kommen.

Wegen des ausgerufen­en Lockdowns war das Spiel im vierten Satz unterbroch­en worden. Um 23.30 Uhr Ortszeit mussten alle Zuschauer die Rod-Laver-Arena verlassen. Nach einer mehrminüti­gen Unterbrech­ung kehrten Fritz und Djokovic auf den Platz zurück und setzten ihre Partie vor leeren Zuschauerr­ängen fort. Nach 3:25 Stunden nutzte der angeschlag­en wirkende Djokovic seinen zweiten Matchball.

Auch US-Open-Sieger Dominic Thiem hatte schwer zu kämpfen, ehe er Lokalmatad­or Nick Kyrgios mit 6:4, 6:4, 3:6, 4:6, 4:6 in die Knie zwang. Bei den Frauen kam Serena Williams ihrem ersehnten 24. GrandSlam-Titel einen Schritt näher. Die 39-jährige US-Amerikaner­in bezwang in der dritten Runde die Russin Anastasia Potapowa 7:6 (7:5), 6:2.

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FOTO: ROSS/AAP/DPA Alexander Zverev ballt die Fraust. Sein Auftritt gegen den Franzosen Adrian Mannarino in der dritten Runde war extrem souverän.

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