Leserbriefe spiegeln Streit um Impfhonorare
SZ-Leser wie betroffene Ärzte sagen ihre Meinung zur Diskussion um die Bezahlung von Ärzten in den saarländischen Impfzentren.
Andere träumen von solchem Lohn
870 Euro zusätzlich am Tag ist ein Hohn. Das ist doppelt so viel wie ein Hartz IV-Empfänger im Monat bekommt. Und es sind bei 20 Tagen Einsatz im Monat 17 400 Euro. Da bekommt der Satz „Halbgötter in Weiß“nochmal eine ganz andere Bedeutung. Dann geht es den Ärzten beim Impfen nur ums Geld. Warscheinlich benötigt die Arztgattin, der Arztman mal wieder ein neues Luxusauto oder andere teure Dinge. Die Helfer in den Impfzentren können wohl nur davon träumen, den Tageslohn eines Arztes als Wochenlohn zu erhalten.
Uwe Mathieu, Saarlouis
Ist diese Bezahlung denn unseriös?
Als nicht mehr aktiver Kassenarzt bin ich über diesen Artikel mehr als verwundert und besorgt. Es ist gefährlich, wenn über die Bezahlung von Ärzten in konkreten Zahlen berichtet wird. Ein Impfarzt soll 120 Euro pro Stunde für seine Tätigkeit erhalten. Auf der Rechnung meiner KfZ-Werkstatt wurden unlängst 120 Euro pro Stunde plus Mehrwertsteuer für den Mechaniker berechnet. Wenn ein Impfarzt für eine Impfung mit Beratung 5 Euro erhält (niedrig angesetzt) und in einer Sunde 30 Personen impft, könnte er 150 Euro verdienen. Wäre ein Preis von 10 Euro dafür unseriös? Der Mechaniker ist keinem Infektionsrisiko ausgesetzt, der Impfarzt aber wohl. Wie alle Ärzte wurde auch ich von der Ärztekammer zur freiwilligen Mithilfe bei der Impfaktion angeschrieben. Im Januar habe ich meine Bereitschaft gemeldet und vorige Woche erneut bekundet, dann wurde meine Anmeldung bestätigt. Erstaunt bin ich darüber, dass Amtsträger der Kassenärztlichen Vereinigung und sogar der Präsident der Saarländischen Ärztekammer als Impfärzte tätig sind. Wenn permanent 70 Kassenärzte in den Impfzentren eingesetzt werden, so werden diese doch während ihrer Impftätigkeit der kassenärztlichen Grundversorgung entzogen. Müssen die verbleibenden Praxen die Grundversorgung kostenneutral mit erbringen, die durch die Impfärzte nicht erbracht werden kann? Impfen die angestellten Ärzte nur in Freizeit oder Urlaub? Haben wir eine ärztliche Überversorgung, weil wir offenbar problemlos 70 Ärzte aus der Grundversorgung abziehen können? Wenn bis 30. September 60 Prozent der Saarländer geimpft werden sollen, müssen ab März mindestens 6000 pro Arbeitstag geimpft werden – eine logistische Herausforderung. Es macht daher Sinn, als Impfärzte die einzusetzen, die während der Impftätigkeit der Grundversorgung nicht entzogen werden. Wenn Funktionsträger die Tätigkeit ausüben, fragt sich, wieso ihre Ämter ihnen neben ihrer eigentlichen Berufstätigkeit noch so viel Zeit lassen.
Werner Kroth, Kirkel; Augenarzt i. Ruhestand u. ehemals Vors. des Finanzausschusses d. Kassenärztlichen Vereinigung Saarland
Diese Tagessätze sind eine Schande
Da verschlägt es mir die Sprache. „Gut“, dass sich unter anderem pensionierte Ärzte Termine in den Impfzentren gesichert haben. So können sie sich ihre sicherlich im allgemeinen „kleine“Pension wenigstens etwas aufbessern. Der Vorsitzende Dr. Michael Kulas hat ja dankenswerterweise immerhin noch 370 Euro pro Tag mehr für sie rausgeholt. Ich finde es eine Schande, hier Tagessätze von bis zu 1100 Euro zu zahlen. Hätte es nicht gereicht, die Ärzte mit einer Aufwandsentschädigung und einem kleinen Lohn von sagen wir 120 Euro zu bezahlen. Das wären pro Stunde 15 Euro gewesen und hätte damit immer noch weit über dem Mindestlohn gelegen. Armes Deutschland, wenn man gleichzeitig die Eltern mit einem einmaligen Zuschuss von 150 Euro pro Kind und Jahr abspeist.
Dieter Schlichter, Dillingen
Ist dieses Vorgehen denn sozial?
Als Silvesterüberraschung 20/21 erhielt meine Praxis zwei Kündigungen langjähriger Mitarbeiterinnen: Sie wurden vom Impfzentrum abgeworben zu lukrativen Gehältern, die ein Niedergelassener nicht zahlen kann. Verbindungen werden gekappt, die über Jahre aufgebaut wurden. Zwei Ärzte, eine medizinische Fachangestellte und die Ehefrau als Aushilfe stehen vor unlösbaren Problemen. Den scheidenden Damen wurde versprochen, dass man ihnen nach dem Impfjob hilft, eine passende Beschäftigung zu finden. Ist das sozial? Es wird auf allen Ebenen mit Geld geraschelt.
Dr. med. Joerg Schumacher, Saarbrücken
Finanzielle Anreize bitte woanders
Von der diskussionswürdigen Höhe der Vergütung ganz abgesehen, ist die Argumentation bemerkenswert: Um einen bloß angenommenen Personalmangel der Ärzte beim Impfen präventiv zu vermeiden, hielten es die Ärztevertreter für das Mittel der Wahl, finanzielle Anreize zu setzen. Offenbar streiten sich nun die „Ärzte um Jobs in den Impfzentren“. Auf den Intensivstationen herrscht eklatanter Personalmangel. Seit Langem und gerade jetzt. Hier hat von verantwortlicher Seite bisher niemand die Selbstverständlichkeit geäußert, dass man echte finanzielle Anreize setzen müsse, um dem existierenden (und nicht bloß angenommenen) Personalmangel entgegenzuwirken. Der Logik des Impfbeispiels folgend, wäre doch dieses Problem leicht zu lösen.
Andreas Dörr, Mandelbachtal
Freiwllig bedeutet jetzt hoch bezahlt
Da schließe ich beim Zubettgehen alle freiwilligen Helfer der Pandemie in mein Nachtgebet ein. Menschen, die sich wie ich dachten, selbstlos für ihre Mitmenschen in dieser schweren Zeit einzusetzen. Ich applaudiere ihnen und spreche ihnen meine Hochachtung aus. Durch Zeitungsberichte muss ich erfahren, dass freiwillig nicht mehr selbstlos, sondern bezahlt bis hoch bezahlt bedeutet. Impfärzte erhalten zusätzlich zum Einkommen ein Tageshonorar, dass höher als die monatliche Grundsicherung und der Harz-IV-Satz ist, und dies in Anbetracht der Tatsache, dass unsere Kinder und Kindeskinder noch die Kosten dieser Pandemie zahlen müssen. Armes Deutschland!
Luzia Gimmler, Schiffweiler
Diese Bezeichung ist indiskutabel
Das Honorar von 120 Euro/Stunde ist im Vergleich mit anderen akademisch ausgebildeten Berufe nicht sehr hoch: Rechtsanwälte, Architekten fangen bei 200 Euro/Stunde an zu denken. Der IT-Techniker wird mit 100 Euro/Stunde plus Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt, ein Kundendiensttechniker für Hausgeräte mit 100 bis 200 Euro/Stunde, plus Anfahrt und Mehrwertsteuer ... Dass wir Ärzte im Hausarztbereich uns an ein Honorar von rund 60 Euro gewöhnen mussten, ist ein Grund dafür, dass sich kein Nachwuchs mehr findet. Woher weiß SZ-Redakteurin Elss-Seringhaus, dass „pensionierte Ärzte“nicht auf Zusatzeinkünfte angewiesen sind? Die meisten sind nicht pensioniert, weil sie nie beamtet waren. Sie beziehen eine Rente, die nicht immer hoch ist und aus eigenen Einzahlungen erworben wurde. Frech ist die Vorstellung des Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, der offenbar eine Bezahlung von Ärzten für überflüssig hält. Die Bezeichnung von Ärzten an vorderster Front mit Infektionsrisiko als „Krisengewinner“ist indiskutabel.
Dr. Hans Georg Hoppenrath, Arzt i. Ruhestand, Großsteinhausen (RLP)