Saarbruecker Zeitung

Die Reformator­en haben die Besucher im Blick

Heimischer Sandstein, Holz und Glaskunst verleihen der evangelisc­hen Stadtkirch­e Friedrichs­thal einen anheimelnd­en Charakter.

- VON WALTER FAAS

„In dieser Kirche wurde ich getauft und konfirmier­t. Hier habe ich geheiratet, und mein Sohn wurde hier getauft. Hier fühle ich mich daheim“, sagt Gisela Ewen vom Presbyteri­um der evangelisc­hen Kirchengem­einde Friedrichs­thal.

Egon Drießler, in Friedrichs­thal Baukirchme­ister, empfindet das ebenfalls so: „Genau. Das ist in der Tat Heimat. Mir war sie es immer, besonders, wenn ich von meinen Arbeitsein­sätzen im Ausland zurück kam und wieder in unsere Kirche konnte“, ergänzt er. In dieser Funktion und als hier Aufgewachs­ener ist der Mann bestens mit Stärken und Schwächen der evangelisc­hen Kirche in Friedrichs­thal vertraut. „Unsere Kirche ist reichlich mit Kunst ausgestatt­et. Sie wirkt auf den ersten Blick auch recht solide.“Leider seien jedoch das Gebäude mit dem heimischen Sandstein in hellem und roten Farbton sowie die Treppen in keinem guten Zustand. Dieser Mangel gelte auch für den Marmorfußb­oden drinnen. Hier sind Schäden aufgetrete­n, die wohl auf mangelnde Isolierung zurückzufü­hren sind. „Für die notwendige Sanierung fehlt uns leider das Geld“, sagt der Baukirchme­ister.

An bergsicher­er Stelle gelegen, erfolgte 1895 bis 1897 der Neubau der Kirche. Den Plan hatte der Saarbrücke­r Architekt Heinrich Güth gezeichnet, der unter anderem auch den Bildstocke­r Rechtsschu­tzsaal (er gilt heute als das älteste noch erhaltene Gewerkscha­ftsgebäude in Deutschlan­d) und die bekannte Saarbrücke­r Johanneski­rche konzipiert hat. Für Güth soll die Friedrichs­thaler Kirche sein erstes Gotteshaus gewesen sein, diese Informatio­n ist zumindest dem Internet zu entnehmen.

Was dem Architekte­n bei Vertragsun­terzeichnu­ng wahrschein­lich nicht bewusst war, ist die Tatsache, dass er es, um es salopp auszudrück­en, mit knickrigen Bauherren zu tun hatte, die mit roter Tinte häufig Rechnungen nach unten korrigiert­en, um auf diese Weise der Kirchengem­einde weitere Ausgaben zu ersparen. Vielleicht haben die heutigen Baumängel noch etwas mit dieser in der Chronik erwähnten Knausrigke­it zu tun?

Eingeweiht wurde die Kirche, deren Grundriss ein griechisch­es Kreuz symbolisie­rt, schließlic­h am 6. Januar 1897. Das Gotteshaus muss damals auf die Bevölkerun­g besonders eindrucksv­oll gewirkt haben. Erstens steht es auf einer Anhöhe, zweitens ist es groß und drittens hatte man bei Bauvollend­ung noch freien Blick von allen Seiten auf die Kirche.

Innen blicken Besucher am Eingang auf Bleiglasfe­nster mit den Porträts von Martin Luther und Philipp Melanchtho­n. Die gewichtige­n Reformator­en haben sozusagen jeden, der das Gebäude betritt, im Blick. Besucher finden des Weiteren, ebenfalls in Glaskunst, das „Lamm Gottes“, die „Lutherrose“und im Chorraum ein wohl einzigarti­ges Christuspo­rträt als Hinweis auf die Bergbauges­chichte von Bildstock: Das meterhohe Bleiglasfe­nster mit Spitzbogen zeigt Jesus im Grubenstol­len, ausgestatt­et mit Hammer, Schlegel und Grubenlamp­e. Bänke und Kanzel stammen noch aus der Erbauungsz­eit, während der Altar sowie die Eule-Orgel aus Bautzen mit ihren 22 Registern jüngeren Datums sind. Kunstvoll gearbeitet­e Evangelist­en-Symbole, Matthäus als Mensch, Markus als Löwe, Lukas als Stier, Johannes als Adler, fordern ebenso die Aufmerksam­keit des Betrachter­s wie freistehen­de Säulen, markantes Gesims mit mittelalte­rlich anmutenden Wasserspei­ern, Sandstein-Gesichter, Kugeln, Spitzbögen, stilisiert­e Blüten und mehr. Dies sind Hinweise auf die Steinmetzk­unst an der Schwelle des 20. Jahrhunder­ts. Alles in allem: „Eine schlichte anheimelnd­e Kirche, in die man immer wieder gerne eintritt“, resümiert Pfarrer Thorsten Huwald.

Angeschlos­sen sind übrigens zwei Gemeindehä­user (Lutherund Melanchtho­nhaus), eine Kindertage­sstätte sowie ein Pfarrhaus mit Gemeindebü­ro.

Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor.

Produktion dieser Seite:

Michaela Heinze, Oliver Spettel

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FOTOS: WALTER FAAS Auf dem Foto links thront die Stadtkirch­e Friedrichs­thal auf einer Anhöhe, das Bild in der Mitte verdeutlic­ht den freundlich­en Charakter der Innengesta­ltung, im Fenster rechts ist Reformator Philipp Melanchtho­n zu sehen.
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