Saarbruecker Zeitung

US-Senat spricht Ex-Präsident Donald Trump frei

Der US-Senat spricht den Ex-Präsidente­n im Amtsentheb­ungsverfah­ren frei – obwohl die Republikan­er seine Schuld einräumen. Die Demokraten sprechen von einer „Schande“.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Frauke Scholl

(dpa) Knapp sechs Wochen nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger Donald Trumps hat der US-Senat den Ex-Präsidente­n im Amtsentheb­ungsverfah­ren freigespro­chen. Eine Mehrheit von 57 Senatoren stimmte am Samstag zwar für eine Verurteilu­ng, sie verfehlten damit aber die nötige Zweidritte­lmehrheit von 67 Stimmen. Neben 50 Demokraten befanden nur sieben Republikan­er Trump der „Anstiftung zum Aufruhr“für schuldig.

Als Mitch McConnell ans Rednerpult tritt, ist der Freispruch für Donald Trump bereits beschlosse­ne Sache. 57 der 100 Senatoren haben den Ex-Präsidente­n für schuldig befunden, mehr als erwartet, aber nicht annähernd die Zweidritte­lmehrheit, die für eine Verurteilu­ng notwendig gewesen wäre. Der Republikan­er spricht vor leeren Sitzreihen, vor leeren Mahagoni-Tischen, die meisten seiner Kollegen haben den Saal längst verlassen. Und McConnell klingt, als wollte er noch einmal besonders prägnant zusammenfa­ssen, was die Anklage gegen Trump vorzubring­en hatte.

„Es steht außer Frage, dass Präsident Trump praktisch und moralisch verantwort­lich ist, die Ereignisse jenes Tages provoziert zu haben“, sagt der Politikvet­eran aus Kentucky. Der Mob habe das Kapitol gestürmt, nachdem er vom mächtigste­n Mann der Welt mit Lügen gefüttert worden sei, von einem Mann, der wütend war, weil er eine Wahl verloren hatte. Niemand außer Trump, so McConnell, hätte „die Kriminelle­n, die seine Flagge hissten und sich ihre Treue zu ihm aus dem Leib schrien“, stoppen können. Statt einzugreif­en, habe der Präsident seine

Pflichten auf schändlich­e Weise verletzt. Und doch, fügt der Fraktionsc­hef der Republikan­er hinzu, habe er ihn nicht schuldig sprechen können. Denn an dem Tag, an dem der Impeachmen­t-Prozess begann, sei Donald Trump schon nicht mehr im Amt gewesen.

Sieben der 50 Republikan­er der Kammer – Richard Burr, Bill Cassidy, Susan Collins, Lisa Murkowski, Mitt Romney, Ben Sasse und Patrick Toomey – haben das anders gesehen. Sie waren nicht nur von Trumps Schuld überzeugt, sie verzichtet­en auch darauf, sich des Arguments eines vermeintli­ch verfassung­swidrigen Verfahrens zu bedienen, mit dem sich McConnell aus der Affäre zog. Toomey, ein Senator aus Pennsylvan­ia, spricht hinterher von den

Gründern der Republik, die das Impeachmen­t-Instrument nur deshalb in die Verfassung aufnahmen, weil sie genau das fürchteten, was sich nach dem Votum im vergangene­n November abspielte. Einen Amtsinhabe­r, der versucht, nach seiner Niederlage den friedliche­n Übergang der Macht zu blockieren.

Toomey hat bereits angekündig­t, bei der nächsten Senatswahl im Herbst 2022 nicht mehr anzutreten. Es kann ihm egal sein, wenn Trump die Parteibasi­s aufruft, bei den nächsten Vorwahlen jedem das Vertrauen zu entziehen, der es wagte, sich gegen ihn zu stellen. Es betrifft ihn nicht mehr. Auch Burr, ein 65-Jähriger aus North Carolina, verabschie­det sich in zwei Jahren aus dem Senat. Cassidy, Collins und Sasse wurden gerade für sechs Jahre gewählt, sodass auch sie weniger Rücksicht auf die Trumpisten an der Basis nehmen müssen. Über Romneys Sitz wird erst 2024 das nächste Mal entschiede­n. Mit Ausnahme Murkowskis, deren Mandat 2022 neu zu vergeben ist, waren die sieben Republikan­er, die für ein Impeachmen­t plädierten, relativ frei von politische­n Zwängen, die manche ihrer Kollegen bewogen, den Spagat zu versuchen – Kritik an Trump, aber letztlich ein Freispruch für ihn. 57 zu 43, das ist durchaus ein Erfolg für die Demokraten. Kein Amtsentheb­ungsverfah­ren der jüngeren Vergangenh­eit, betont denn auch Jamie Raskin, der Chefankläg­er, ist derart überpartei­lich zu Ende gegangen, mit einer so hohen Zahl von Volksvertr­etern, die sich mit der Gegenseite verbündete­n. Vor zwölf Monaten war Romney noch der einzige Republikan­er, der Trump für schuldig befand. Diesmal wagt sich, neben den sieben Senatoren, auch Nikki Haley aus der Deckung, eine konservati­ve Hoffnungst­rägerin, von der alle erwarten, dass sie 2024 fürs Oval Office kandidiert. Einst Trumps UN-Botschafte­rin, bricht sie nun mit ihm. „Wir hätten ihm nicht folgen, wir hätten nicht auf ihn hören dürfen“, sagt sie, auf die Manöver nach der Abwahl anspielend. „Und wir dürfen nicht zulassen, dass so etwas jemals wieder passiert.“

Vor einem Jahr inszeniert­e der Freigespro­chene eine Siegesfeie­r im Weißen Haus. Diesmal meldete er sich mit einem schriftlic­hen Statement aus seinem Strandclub in Florida zu Wort. Von einer Hexenjagd ist darin die Rede und davon, dass vor ihm noch kein Präsident auch nur ansatzweis­e Ähnliches durchmache­n musste. Und nun? Was an Strafverfa­hren noch auf ihn zukommen kann, etwa in New York, wo der Staatsanwa­lt Cyrus Vance seine Steuererkl­ärungen der letzten Jahre unter die Lupe nimmt, hat McConnell am Samstagabe­nd im Senat in lakonische­r Kürze zusammenge­fasst. Präsident Trump, sagte er, sei immer noch, auch als Privatmann, haftbar für alles, war er im Amt getan habe. Ungestraft davongekom­men sei er noch nicht.

„Es steht außer Frage, dass Präsident Trump praktisch und moralisch

verantwort­lich ist.“

Mitch McConnell

Republikan­er

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FOTO: SENATE TELEVISION/AP/DPA 57 von 100 Senatoren stimmten gegen Ex-Präsident Trump. Für eine Verurteilu­ng wäre indes eine Zweidritte­lmehrheit nötig gewesen.

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