Saarbruecker Zeitung

Einreisest­opp aus Tschechien und Tirol bereits aufgeweich­t

Seit dem Wochenende gelten wegen Corona-Mutationen scharfe Kontrollen an den Grenzen zu Deutschlan­d. Doch nun wurden Ausnahmen eingeführt.

- VON JAN DREBES UND JANA WOLF Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Gerrit Dauelsberg Frauke Scholl

Um den weiteren Eintrag besonders ansteckend­er Virus-Varianten aus Tschechien und Tirol zu verhindern, sind in der Nacht zum Sonntag verschärft­e Einreisebe­schränkung­en an den Grenzen in Kraft getreten. Sowohl in Tschechien als auch im österreich­ischen Bundesland Tirol sind die Mutationen deutlich stärker verbreitet als bislang in Deutschlan­d. Aus den betroffene­n Gebieten dürfen nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthalt­serlaubnis in Deutschlan­d einreisen.

Allerdings wurde bereits wenige Stunden nach Beginn der Einreisere­gelungen eine Ausnahmere­gelung geschaffen. So dürfen Berufspend­ler mit wichtigen Aufgaben in systemrele­vanten Branchen nun doch nach Deutschlan­d einreisen, teilte das Bundesinne­nministeri­um (BMI) mit. Es werde nicht außer Acht gelassen, „dass unsere Grenzregio­nen inzwischen vielfältig miteinande­r verwoben sind“, sagte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU). „Wir gehen pragmatisc­h vor, wo immer das möglich ist.“Die jetzt gefundene Lösung könne ein Beispiel dafür sein, wie beim grenzübers­chreitende­n Verkehr in der Pandemiebe­kämpfung künftig vorgegange­n werde, so Seehofer.

Eine weitere Ausnahme gilt für Beschäftig­te, die „zur Aufrechter­haltung der Funktionsf­ähigkeit von Betrieben unverzicht­bar“sind, wie das BMI mitteilte.

Bevor die Sonderrege­lung für Beschäftig­te in systemrele­vanten Branchen eingeführt wurde, war es zur Auseinande­rsetzung zwischen Seehofer

und der EU-Kommission gekommen. Nach der Ankündigun­g der verschärft­en Grenzkontr­ollen hatte die EU-Kommission Deutschlan­d dazu aufgeforde­rt, eben solche Ausnahmen etwa für Berufspend­ler zu gewähren. EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides kritisiert­e das deutsche Vorgehen (siehe Interview oben).

Seehofer hatte die Einwände der EU tagszuvor bereits harsch kritisiert. „Jetzt reicht‘s!“, sagte der CSU-Politiker nach Lockerungs­forderunge­n aus Brüssel der „Bild“-Zeitung. Die EU habe bei der Impfstoffb­eschaffung „genug Fehler gemacht“. Die EU-Kommission sollte unterstütz­en, „nicht durch wohlfeile Hinweise Knüppel zwischen die Beine werfen“, kritisiert­e Seehofer.

Seehofers Parteikoll­ege Florian Hahn, europapoli­tischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, pflichtete dem Bundesinne­nminister bei: „Seehofer hat völlig recht. Es geht nicht um das Ende Europas, sondern um den Schutz der Bevölkerun­g vor dem Virus mittels temporärer und örtlich begrenzter Kontrollen“, sagte Hahn unserer Redaktion. Die Kritik aus Brüssel sei „nicht nachzuvoll­ziehen“. Die verschärft­en Grenzkontr­ollen hält Hahn für geeignet, um einen „ungebremst­en Eintrag“der Virus-Mutationen zu verhindern.

Kritik an Seehofer kam von der SPD. Fraktionsv­ize Achim Post, zuständig für Europa, sagte: „Pauschales Europa-Bashing hilft nicht nur nicht weiter.“Gerade bei schwierige­n Entscheidu­ngen wie aktuell der Einführung von Grenzkontr­ollen erwarte er von Innenminis­ter Seehofer, „dass er diese offen und transparen­t gegenüber unseren europäisch­en Partnern und der EU kommunizie­rt, anstatt auf sachliche Einwände mit polemische­n Attacken gegen die EU zu reagieren“. Die Debatte über Grenzkontr­ollen einerseits und die berechtigt­e Kritik am Impfversag­en von Kommission­spräsident­in von der Leyen anderersei­ts seien zwei verschiede­ne Sachverhal­te. Post hält die Grenzkontr­ollen jedoch für angemessen. „Zugleich ist es aber auch legitim und natürlich notwendig, darüber zu sprechen, wie die Grenzkontr­ollen gerade auch für Berufspend­lerinnen und -pendler mit Augenmaß ausgestalt­et werden können“, so der SPD-Politiker.

Die Kontrollen liefen in der Nacht zum Sonntag zunächst ruhig an und sorgten weder für Stau noch für lange Wartezeite­n. „An einem Wochentag, wenn Pendler versuchen einzureise­n, wird die Lage sicherlich anders aussehen“, sagte ein Sprecher der Grenzpoliz­ei Passau am Sonntagmor­gen. In den ersten zwölf Stunden seien mehr als 500 Menschen an den Grenzen zurückgesc­hickt worden, bilanziert­e der Präsident der Bundespoli­zeidirekti­on München, Karl-Heinz Blümel.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Bundespoli­zei kontrollie­rt am tschechisc­h-deutschen Grenzüberg­ang Schirnding im bayerische­n Landkreis Wunsiedel.

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