Saarbruecker Zeitung

Es war ein politische­s, kein juristisch­es Verfahren

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Donald Trump ist freigespro­chen worden. Und dennoch hat er verloren. Theoretisc­h kann er sich zwar noch an die Hoffnung klammern, 2024 mit einer zweiten Kandidatur fürs Weiße Haus ein glänzendes Comeback zu feiern. Nach aktuellem Stand kann ihn nichts daran hindern, seinen Hut erneut in den Ring zu werfen. Da sich im Senat keine Zweidritte­lmehrheit für ein Schuld-Urteil fand, ist der Kammer der Weg versperrt, ihn in einem nächsten Schritt mit einfacher Mehrheit für Wahlämter zu sperren. Trump bleibt also im Rennen. Ihn abzuschrei­ben wäre ein Fehler, doch die Chancen, dass er sich noch einmal an die Spitze des Feldes setzt, sind nach diesem Impeachmen­t-Prozess deutlich geringer, als sie es vorher waren.

Politisch, dies steht außer Zweifel, ist es für ihn eine Niederlage. Wenn immerhin sieben von 50 Republikan­ern es wagen, mit ihm zu brechen, könnte es den Anfang vom Ende bedeuten. Das heraufzieh­ende Ende einer Ära, in der es in den eigenen Reihen kaum jemand wagte, sich offen gegen einen rachsüchti­gen Populisten zu stellen, der aus der „Grand Old Party“in vier, fünf Jahren eine Trump-Partei gemacht hatte. Dass es nur sieben Senatoren waren, die den Mut dazu fanden, zeigt, welchen Einfluss Trump nach wie vor hat. Ein Impeachmen­t ist eben kein juristisch­es, sondern ein politische­s Verfahren. Die Schuld eines Angeklagte­n kann noch so wasserdich­t bewiesen werden – wenn es genügend Senatoren gibt, die kein politische­s Interesse an einer Verurteilu­ng haben, reicht das nicht aus. Dies, und nur dies, erklärt den Freispruch. Die Angst, bei den nächsten Vorwahlen abgestraft zu werden von einer Basis, die Trump noch eine Weile die Treue halten dürfte, hat viele Senatoren daran gehindert, sich offen gegen ihn zu stellen. Die Begründung, ein Impeachmen­t verletze die Verfassung, wenn der Angeklagte sein Amt schon nicht mehr ausübe, war dabei nur das sprichwört­liche Feigenblat­t. Eine Mehrheit der Republikan­er war nicht ernsthaft bereit, darauf einzugehen. Sie brauchte einen Vorwand, denn in der Sache fehlten ihr die Argumente.

Den Sturm auf das Kapitol hätte es nicht gegeben, hätte Trump nicht wochenlang die Lüge von der gestohlene­n Wahl wiederholt und einen gewaltbere­iten Kern seiner Anhänger schließlic­h derart in Rage gebracht, dass die Attacke die logische Folge war. Nicht nur das haben die Ankläger um den einstigen Rechtsprof­essor Jamie Raskin nachgewies­en, sie haben auch überzeugen­d belegt, dass Trump gar nicht daran dachte, den von ihm entfachten Brand schnellstm­öglich zu löschen. Stattdesse­n sah er zwei Stunden lang zu, tatenlos und offenbar schadenfro­h.

Wer weiß, was noch alles unter dem Teppich hervorgeke­hrt worden wäre, hätte man tatsächlic­h Zeugen vorgeladen. Letztlich aber hatten auch die Demokraten, zumindest die Wortführer in ihren Reihen, kein Interesse an einem wochenlang­en Prozess. Am Ende hat die Tatsache, dass Biden Vollgas geben möchte, Trump weitere Enthüllung­en erspart. Und auch das war eine rein politische Entscheidu­ng.

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