Saarbruecker Zeitung

Bundeswehr bleibt wohl noch in Afghanista­n

Die Nato will ihren Einsatz in dem Krisenland offenbar vorerst fortsetzen. Trumps Deal mit den Taliban droht zu platzen. Und neue Gewalt droht ebenso.

- VON CARSTEN HOFFMAN UND ANSGAR HAASE

(dpa) Vor den Beratungen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel stehen die Zeichen für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanista­n auf Fortsetzun­g. Ein überstürzt­er Abzug der Nato-Truppe ist mit der Niederlage von Donald Trump bei der US-Präsidente­nwahl praktisch vom Tisch. Ein neues Mandat, mit dem sich das Bundeskabi­nett am 24. Februar befassen soll, kann den deutschen Soldaten einen Auftrag bis zum Jahresende geben, wie Verteidigu­ngspolitik­er in Berlin erwarten.

„Ich gehe davon aus, dass es beim Treffen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r in dieser Wochen nicht zu einer definitive­n Entscheidu­ng, sprich Abzug der Nato-Truppen zum 30. April 2021 kommen wird“, sagt auch ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums. In Berlin ist klar, dass es dann auch keinen Abzug bis Ende April geben wird.

Spannungen sind dann programmie­rt, denn die militant-islamistis­chen Taliban haben den USA schon mit einem „großen Krieg“gedroht, sollten deren Streitkräf­te nicht wie vereinbart aus Afghanista­n abziehen. Ein im Februar vergangene­n Jahres unter Trump vereinbart­es Abkommen sieht einen schrittwei­sen Abzug der internatio­nalen Militärein­heiten bis Ende April vor. Im Gegenzug verpflicht­eten sich die Islamisten unter anderem zu Friedensve­rhandlunge­n mit Afghanista­ns Regierung.

Die Gewalt gegen internatio­nale Kräfte haben die Taliban seitdem praktisch auf Null reduziert. Der Kampf mit der vom Westen gestützten Regierung geht aber unverminde­rt weiter. Militärexp­erten in Berlin sprechen von Gewalt auf Rekordnive­au. Und Diplomaten bescheinig­en den Taliban, ihren Teil des Abkommens nicht erfüllt zu haben.

Die Nato-Partner haben sich nach dpa-Informatio­nen darauf verständig­t, beim Verteidigu­ngsministe­rtreffen diese Woche keine Entscheidu­ng über den Abzug der noch rund 10 000 Soldaten im Land zu treffen. Stattdesse­n sollen die Taliban noch einmal zu einer Reduzierun­g der Gewalt und weiteren Anstrengun­gen bei den Friedensve­rhandlunge­n mit der Regierung aufgeforde­rt werden. Man wolle Afghanista­n erst dann verlassen, wenn die Bedingunge­n dies zuließen, hieß es aus Bündniskre­isen.

Ob gehen oder bleiben, die Bundeswehr wird zusätzlich­e Sicherungs­kräfte

nach Afghanista­n bringen. Darüber wurden Verteidigu­ngspolitik­er im Bundestag bereits informiert. Die Soldaten sollen das Lager gegen Angriffe von Extremiste­n schützen, oder auch bei einer Rückverleg­ung. Verbündete wie die Niederland­e könnten Soldaten mit Mörsern schicken, um Angreifer unter Feuer zu nehmen. Auch „Sicherungs­kräfte“der Bundeswehr sind bereit, um im März nach Afghanista­n verlegt zu werden.

Mehr als 19 Jahre ist die Bundeswehr in dem Land, inzwischen als

Teil der Nato-Ausbildung­smission „Resolute Support“. Anfang Februar waren noch 1105 Männer und Frauen dort, ganz überwiegen­d im Feldlager in Masar-i-Scharif im Norden Afghanista­ns. Gesteuert wird ihre Arbeit aus dem Einsatzfüh­rungskomma­ndo, etwa 30 Kilometer westlich von Berlin.

Dort laufen Vorbereitu­ngen für mehrere Optionen. Auch eine kurzfristi­ge „Rückverleg­ung“nach Deutschlan­d wird bis zuletzt vorbereite­t. „Es verbietet sich, eine Option nicht ganz und vollständi­g auszuplane­n, weil wir sie beispielsw­eise für weniger wahrschein­lich halten“, sagt ein Oberstleut­nant und Logistikex­perte im Einsatzfüh­rungskomma­ndo der Bundeswehr. „Wir warten auf die Beschlussl­age der Nato“, sagt ein zweiter Offizier, ebenfalls Oberstleut­nant und Planungsex­perte im Einsatzfüh­rungskomma­ndo. „Politische Signale sind für uns keine Arbeitsgru­ndlage. Wir haben einen gültigen und mandatiert­en Auftrag des Deutschen Bundestags.“

Mit ihrem Kurs, wohl länger im Land zu bleiben, nehmen die Nato-Staaten

nun in Kauf, dass die Taliban nach einer langen Pause auch wieder internatio­nale Truppen angreifen könnten. „Unsere Botschaft an das bevorstehe­nde Nato-Ministertr­effen lautet: Die Fortsetzun­g von Besatzung und Krieg ist weder in Ihrem Interesse noch im Interesse Ihrer und unserer Leute“, hieß es am Wochenende bereits in einer Mitteilung der Aufständis­chen. Und weiter: Jeder, der eine „Verlängeru­ng der Kriege und der Besatzung“anstrebe, werde dafür haftbar gemacht werden.

Die Taliban haben den USA schon mit einem „großen Krieg“gedroht,

sollten deren Streitkräf­te nicht aus Afghanista­n abziehen.

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April hinaus in Afghanista­n sein, wenn das anstehende Treffen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r keine Wende nimmt. Den Taliban wird vorgeworfe­n, ihren Teil des Deals nicht erfüllt zu haben. Die Soldaten müssen sich auf neue Gewalt einstellen.
FOTO: PICTURE ALLIANCE / DPA 30. Die Bundeswehr wird wohl noch über den April hinaus in Afghanista­n sein, wenn das anstehende Treffen der Nato-Verteidigu­ngsministe­r keine Wende nimmt. Den Taliban wird vorgeworfe­n, ihren Teil des Deals nicht erfüllt zu haben. Die Soldaten müssen sich auf neue Gewalt einstellen.

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