Draghi unter Opportunisten
Mario Draghi ist italienischer Ministerpräsident, sein Kabinett ist vereidigt. Auf den ersten Blick können Italien, die EU und die Finanzmärkte aufatmen. Nach dem politischen Außenseiter und Rechtsprofessor Giuseppe Conte führt nun ein international anerkannter Fachmann die Geschicke der Regierung in Rom. Das Vertrauen der Italiener, der Regierungszentralen in Europa und auf den Finanzmärkten ist groß. Vergessen wird dabei leicht, dass Draghi nicht als Alleinherrscher Entscheidungen in Italien treffen kann, sondern auf die Parteien seiner Koalition angewiesen ist. Der Appell zur nationalen Einheit des Staatspräsidenten wird bald Makulatur sein. Der Eintritt in die große Koalition der Parteien ist nicht aus Verantwortung geschehen, sondern weil er politisch opportun war. Dass die Regierung das Ende der Legislaturperiode im Jahr 2023 erreicht, ist unwahrscheinlich.
Sobald es sich politisch für die sechs größeren an der Koalition beteiligten Parteien nicht mehr lohnt, Draghi zu stützen, werden sie die Koalition verlassen. Auch die jetzt gelöste Regierungskrise wurde aus politischer Opportunität angezettelt. Die Fliehkräfte in der Draghi-Koalition sind schon heute zu groß, um langfristig stabiles Regieren zu gewährleisten. Die Unwägbarkeiten der Pandemie werden für Draghi zum Schlüssel. Je komplexer die Lage wird, desto mehr politische Stabilität ist gefragt. Bekommt die Regierung die Pandemie bald in den Griff, dürfte auch ihr Ende näher rücken.