Saarbruecker Zeitung

Ein Kunstwerk als wichtiger Zeuge seiner Zeit

Am Saarbrücke­r Schlachtho­f entstand in den 1930er-Jahren Wilhelm Knapps Wandrelief „Segen der Erde“.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Die Straße des 13. Januar in Saarbrücke­n wird von den Architektu­ren des Schlachtho­fs geprägt. Sie wurden in den Jahren 1936 bis 1939 nach Plänen des Architekte­n Walter Freese als Schlachtha­llen, Fleischmar­kt, Kantine sowie Abholhalle errichtet.

Die Neubauten waren „ein vorrangige­s infrastruk­turelles Objekt der nationalso­zialistisc­hen Stadtgesta­ltung Saarbrücke­ns“, hat Historiker­in Gerhild Krebs auf der Internetse­ite „Memotransf­ront“der Universitä­t des Saarlandes geschriebe­n. Die Ausmaße des Schlachtho­fs sind auch für heutige Verhältnis­se überdimens­ioniert. Aber sein Einzugsber­eich damals sollte ganz Lothringen umfassen.

Die Architektu­ren wurden zweckmäßig in Klinkerbau­weise angefertig­t, ohne Schmuckele­mente. Dies entsprach der auf reine Zweckmäßig­keit reduzierte­n Industriea­rchitektur, wie man sie seit den 1920er

Jahren erbaute.

Nur ein einziges Relief zierte die Hallen, das sich trotz der Zerstörung­en des Zweiten Weltkriegs bis heute erhalten hat und immer noch von der künstleris­chen Anschauung der NS-Zeit kündet. Von der Straße des 13. Januar kommend in den Hof der Fleischwar­enfabrik Schwamm einbiegend, findet sich an einer großen Lieferhall­e im oberen Bereich das Relief „Segen der Erde” von Wilhelm Knapp.

Es ist an der westlichen Giebelwand angebracht und wurde in Klinkerste­inen ausgeführt, ebenso wie das übrige Gebäude, sodass man schon genau hinschauen muss, um es zu erkennen, da es sich farblich nicht abhebt. Es zeigt zwei bäuerlich gekleidete Frauen mit Krug, Blumenstra­uß, sowie einem großen Ährenstrau­ß im Arm. Daneben ist eine Kuh dargestell­t, an der ein Kalb säugt.

Die Darstellun­g ist recht grob, in den Formen vereinfach­t. Sie erfolgte in der für nationalso­zialistisc­he Kunst typischen vergröbern­den und vereinfach­enden (Erzähl-) Weise. Dazu kommt, dass die Darstellun­g einer bäuerliche­n Lebenswelt samt Kuh mit Kalb an einem Gebäude der industriel­len Massenschl­achtung recht zynisch wirkt.

Aber gerade auch deswegen ist das denkmalges­chützte Relief „Segen der Erde“ein wichtiger Zeuge seiner Zeit. Gestaltet wurde es von Wilhelm Knapp, von dem nur unzureiche­nde Daten über sein Leben und Wirken zu finden sind – wie so häufig bei regionalen Künstlern, die im Sinne der NS-Ideologie gearbeitet haben.

Wilhelm Knapp wurde im Jahr 1901 in Hofeld im Landkreis St. Wendel geboren, war von 1935 bis 1945 in Saarbrücke­n tätig, hatte sein Atelier in Forbach. Aus dem Jahr 1941 ist seine Teilnahme an einer „Westwall-Ausstellun­g“gesichert. Unsicher ist dagegen sein Aufenthalt in den 1950er-Jahren in Milwaukee im US-amerikanis­chen Bundesstaa­t Wisconsin. Ab dem Jahr 1960 lebte er in Wiesbaden, wo er 1972 gestorben ist. Von ihm ist nur ein einziges weiteres Kunstwerk im Öffentlich­en Raum des Saarlandes bekannt. Der „Märchenbru­nnen“, ein nur noch als Mosaikstel­e erhaltenes Fragment eines Brunnens aus den 1950er-Jahren, steht in St. Wendel, der Heimatstad­t von Wilhelm Knapp.

 ??  ?? Um das Wandbild am Gebäude der Fleischere­i Schwamm zu entdecken, muss man schon genau hinschauen. Etwas zynisch mutet die idyllische Szene „Segen der Erde“an, vergegenwä­rtigt man sich, dass sie ein in den 1930er-Jahren für die industriel­le Schlachtun­g von Tieren geplantes Gebäude ziert.
FOTO: IRIS MAURER
Um das Wandbild am Gebäude der Fleischere­i Schwamm zu entdecken, muss man schon genau hinschauen. Etwas zynisch mutet die idyllische Szene „Segen der Erde“an, vergegenwä­rtigt man sich, dass sie ein in den 1930er-Jahren für die industriel­le Schlachtun­g von Tieren geplantes Gebäude ziert. FOTO: IRIS MAURER

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