Le Pen fordert Macron heraus
Vor vier Jahren erlitt Frankreichs Rechtsaußenpolitikerin gegen Macron eine schwere Schlappe. Doch wie wird eine Neuauflage des Duells ausgehen?
(dpa) „Wenn ich Präsidentin der Republik bin“– dieser Satz geht Marine Le Pen inzwischen leicht über die Lippen. Angesichts der Corona-Krise mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen sieht Frankreichs Rechtspopulistin ihre Chancen steigen, doch noch den Élyséepalast zu erobern. Gewählt wird in 14 Monaten. Und die Chefin der Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN/früher: Front National) ist bereits Kandidatin. Nach ihrer schweren Schlappe gegen Emmanuel Macron bei der Wahl vor knapp vier Jahren scheute die 52-Jährige den direkten Schlagabtausch mit politischen Gegnern. Diese Zurückhaltung ist nun vorbei.
Am Donnerstagabend debattierte sie mit Innenminister Gérald Darmanin im TV-Sender France 2 über ein neues Gesetz gegen den radikalen Islamismus. Das Streitgespräch verlief hart in der Sache, artete aber nicht in eine Schlammschlacht aus.
Angesichts blutiger Terroranschläge will die Mitte-Regierung mit dem Gesetz härter gegen radikale Islamisten vorgehen. Kritik gibt es nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus den Kirchen. Katholiken oder Protestanten wenden ein, die Religionsfreiheit könnte generell eingeschränkt werden. Darmanin verteidigte sein hartes Durchgreifen: „Es gibt Stadtviertel, die vom Islamismus erobert sind.“Le Pen ging das Gesetz nicht weit genug. Gleichzeitig gab es erstaunliche Annäherungen: Le Pen meinte, sie hätte das Buch Darmanins zum islamistischen Separatismus unterzeichnen können. Der Minister, der einst bei den Konservativen war, bemerkte ironisch, die Rechtsaußenpolitikerin wirke „etwas wackelig, etwas weich“.
Le Pen zurück im Ring – das Rennen um den Präsidentenjob habe begonnen, ist zu hören. In der Tat gibt es viel Bewegung in politischen Lagern,
vieles bleibt aber hinter den Kulissen. Die Coronavirus-Pandemie, die in Frankreich über 80 000 Tote forderte, beherrscht weiter die Schlagzeilen und bewegt die Menschen. Amtsinhaber Macron ist als Krisenmanager gefordert. „Wir sind mitten in der Schlacht. Und mitten in der Schlacht muss man kämpfen“, sagte der 43-Jährige unlängst mit Blick auf die Corona-Impfungen.
Der einstige Senkrechtstarter ist bisher nicht offizieller Kandidat für die Wahl. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass der frühere Investmentbanker wieder antritt, zumal seine ehrgeizige Reformagenda wegen der vielen Krisen noch lange nicht abgearbeitet ist. So rechnet in Paris kaum noch einer damit, dass die Rentenreform, ein Prestigeprojekt Macrons, bis zur nächsten Wahl abgeschlossen werden kann.
Viele erwarten – und fürchten – eine Neuauflage des Zweikampfs zwischen Macron und Le Pen. Die Polarisierung scheint unausweichlich. Der Vorsitzende der konservativen Les Républicains, Christian Jacob, mokierte sich bereits, die beiden Toppolitiker würden nach außen hin ein Duell vorbereiten, im Grunde aber im Duo tanzen. Die gelernte Anwältin Le Pen könnte in der ersten Wahlrunde vor Macron sogar in Führung gehen und damit eine Pole Position für die entscheidende Endrunde einnehmen – das ergab eine unlängst veröffentlichte Umfrage des Instituts Harris Interactive. Mit Blick auf das erwartete Endduell Le PenMacron kursieren Spekulationen, wonach es dieses Mal ganz knapp werden könnte.
Noch vor vier Jahren hatte Europafreund Macron seine Widersacherin mit einer Mehrheit von über 66 Prozent geschlagen. Nun meint Le Pen bereits, die Annahme ihres Sieges sei plausibel. Andere Politstars bleiben nicht tatenlos. Der kantige Ex-Minister Xavier Bertrand, der seine Wurzeln bei der bürgerlichen Rechten hat, steht in den Startlöchern. Auch die wiedergewählte Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo von den Sozialisten verhehlt nicht mehr ihre Ambitionen für die nationale Politik.
„Wir sind mitten in der Schlacht. Und mitten in der Schlacht muss
man kämpfen.“
Emmanuel Macron
Französischer Präsident