Saarbruecker Zeitung

Wasserverb­rauch steigt in Corona-Zeiten

Für leicht steigenden Wasserverb­rauch im Regionalve­rband hat Corona schon gesorgt – doch es wirken auch andere Faktoren.

- VON MARCO REUTHER Produktion dieser Seite: Marco Reuther Marcus Kalmes

Was ist dran an der Corona-These, dass der Wasserverb­rauch in privaten Haushalten gestiegen ist? Weil ja die Menschen mehr in den eigenen vier Wänden sitzen – kein Urlaub, kaum Shoppen und Freizeitve­rgnügen, keine Schule, mehr Homeoffice, mehr Gartenarbe­it – müsste folgericht­ig der Wasserverb­rauch der Haushalte gestiegen sein. Stimmt das?

Wir fragten in den Regionalve­rbands-Kommunen bei den Stadt-, Gemeinde- und Wasserwerk­en nach. Zudem wollten wir wissen, ob die Kunden mit Nachzahlun­gen zu rechnen haben.

Die Antworten zeigen zwar auch lokale Unterschie­de, mehrheitli­ch ist es aber wohl so, dass zwar im „Corona-Sommer“2020 dank Garten-Pools schon ein gewisser Verbrauchs­anstieg zu erkennen ist, sich die Auswirkung­en übers Jahr gesehen allerdings in Grenzen halten.

FRIEDRICHS­THAL:

Gerhard Bös von den Stadtwerke­n Friedrichs­thal gibt den Hinweis, dass der jährlich Wasserverb­rauch der privaten Haushalte ja schon wegen der jährlich uneinheitl­ichen Wetterlage­n schwankt – zum Beispiel auch davon abhängt, ob ein Sommer eher regnerisch oder trocken ist. Daher sei der Wasserverb­rauch aus dem „Corona-Jahr“2020 wohl besser mit dem wettertech­nisch ähnlichere­n Jahr 2018 als mit 2019 zu vergleiche­n. So liege die pauschale Steigerung des Wasserverb­rauchs in Friedrichs­thal 2020 im Vergleich zu 2019 bei etwa 2,9 Prozent, im Vergleich zum klimatisch „passendere­n“Jahr 2018 nur bei etwa 1,1 Prozent. „Aber selbst dieser Wert ist nicht aussagekrä­ftig“, erklärt Gerhard Bös, „da statistisc­h gesehen der Verbrauch noch in private Haushalte, öffentlich­e Einrichtun­gen und Gewerbebet­riebe unterteilt werden muss. In jedem der genannten Bereichen können aus den unterschie­dlichsten Gründen Schwankung­en gegenüber dem Vorjahr auftreten“.

Beim Thema „Erstattung oder Nachzahlun­g“gäbe es aber immer Schwankung­en. Bei zu niedrig angesetzte­n Abschlagsz­ahlungen seien natürlich entspreche­nde Nachzahlun­gen fällig, doch grundsätzl­ich sei man sehr aufgeschlo­ssen, wenn ein Kunde aus bestimmten Gründen geringere Abschlagsz­ahlungen für angebracht halte. Das hätten zum Beispiel mehrere Vereine wegen des zum Erliegen gekommenen Vereinsleb­ens getan. Bös erinnert auch daran, dass sich die Mehrwertst­euersenkun­g des vergangene­n Jahres ein klein wenig zu Gunsten der Verbrauche­r auswirke.

SAARBRÜCKE­N:

Die Stadtwerke Saarbrücke­n, schildert Konzern-Pressespre­cherin Ulrike Reimann,

versorgen über ihre zwei eigenen Wasserwerk­e in Rentrisch und St. Arnual sowie zusätzlich über die Wasserwerk­e Blickweile­r und Wolfershei­m etwa 183 000 Saarbrücke­r Bürger mit Trinkwasse­r, zudem 40 000 Bürger über die Stadt- und Gemeindewe­rke im Saarpfalz-Kreis sowie auch eine französisc­he Gemeinde.

Bei dieser Menge sind noch nicht alle Verbrauche ermittelt, aber bei den Stadtwerke­n gehe man anhand von Beispielku­nden davon aus, dass der Verbrauch von 2020 zu 2019 bei den Privathaus­halten um drei bis fünf Prozent gestiegen ist. Bei den Gewerbekun­den ist der Verbrauch um fünf Prozent gestiegen.

2019 lag der Wasserverb­rauch der Stadtwerke-Kunden bei 10,247 Millionen Kubikmeter – damit könnte man den kompletten Bostal-Stausee auffüllen und es würden noch immer über zwei Millionen Kubikmeter übrig bleiben. In 2018 lag der Verbrauch bei 10,003 Millionen Kubikmeter­n, daraus lässt sich schließen, dass der Verbrauch 2020 zu 2018 – grob – um 0,5 bis 2,5 Prozent gestiegen ist.

Und wie kommt das „Saarbrücke­r Wasser“zum Bürger? „Das Wasser wird in 21 Hochbehält­ern mit einer Speicherka­pazität von rund 62 000 Kubikmeter­n zwischenge­lagert und über Versorgung­s- und Hausanschl­ussleitung­en an die Kunden abgegeben. Das Rohrleitun­gsnetz erstreckt sich über rund 830 Kilometer Versorgung­sleitungen, was ungefähr einer Strecke von Saarbrücke­n nach Marseille entspricht. Hinzu kommen noch 394 Kilometer

Hausanschl­ussleitung­en“, so Ulrike Reimann. Ebenfalls benötigt werden 15 Pumpstatio­nen, 41 Druckminde­rungsanlag­en, sieben Druckerhöh­ungsanlage­n sowie 40 Brunnen.

VÖLKLINGEN:

Die Völklinger Stadtwerke beliefern rund 33 000 Haushalte mit Frischwass­er – die Stadtteile Ludweiler und Lauterbach gehören nicht dazu, sie werden vom Wasserzwec­kverband Warndt (siehe bei Großrossel­n) beliefert. Bei dieser großen Menge versorgter Haushalte ist die Jahresstat­isstik noch nicht ganz abgeschlos­sen. Presesprec­herin Isabelle Ahr kann aber schon sagen: „Eine belastbare Aussage darüber, dass ein erhöhter Wasserverb­rauch etwa auf die Homeoffice-Situation zurückzufü­hren sei, ist nicht möglich.“Auch sie macht darauf aufmerksam, dass 2019 deutlich wärmer als 2020 war, was dann womöglich zu einem höheren Wasserverb­rauch für die Gartenbewä­sserung geführt haben könnte.

Sollte ein Kunde – aus welchem Grund auch immer – einen erhöhten Wasserverb­rauch mit entspreche­nder Nachzahlun­g haben, dann werde die Abschlagsz­ahlung entspreche­nd angepasst. Aber die Kunden hätten auch „selbst die Möglichkei­t, ihre Abschläge für die Energie- und Wasserlief­erung anzupassen, wenn sich an ihrem Verbrauchs­verhalten etwas ändert – zum Beispiel Rückkehr aus dem Homeoffice ins Büro“. Das funktionie­re übers Kundenport­al www.my-stadtwerk.de/kundenserv­ice/kundenport­al, per E-Mail an kundenserv­ice@swvk.de oder unter Telefon (0 68 98) 15 03 33.

HEUSWEILER:

Die Daten der Gemeindewe­rke Heusweiler zeigen, dass die Entwicklun­g innerhalb der Regionalve­rbands-Kommunen nicht einheitlic­h ist, denn in Heusweiler ist durchaus ein deutliche Steigerung des Wasserverb­rauchs auch im vergleich zum Jahr 2018 zu sehen, während es kaum einen Unterschie­d zwischen 2018 und 2019 gibt: 2018 wurden 741 262 Kubikmeter an 6367 Wasserzähl­er (einer pro Hausnummer) geliefert, 2019 waren es 742 243 Kubikmeter an 6382 Wasserzähl­er. 2020 waren es dagegen 796 425 Kubikmeter an 6416 Wasserzähl­er – also etwa 7,45 Prozent mehr als 2018. Gemeindewe­rke-Geschäftsf­ührer Torsten Schramm erklärt: „Die Wasserabga­ben an private Haushalte sind in den letzten Jahren in Heusweiler relativ konstant geblieben. Auch macht sich ein ‚gefühlt’ heißer Sommer über das ganze Jahr gesehen in Bezug auf die Wasserabga­be nicht wesentlich bemerkbar. Im Jahr 2020 ist jedoch ein deutlicher Anstieg im Wasserverb­rauch von mehr als sieben Prozent zu verzeichne­n. Zum einen vielleicht bedingt durch vermehrtes Homeoffice, aber sicher auch bedingt dadurch, dass die Sommerferi­en zu Hause im eigenen Garten verbracht und eine Vielzahl an Pools befüllt wurden.“

Der vermehrte Verbrauch bedeute für viele Kunden zwangsläuf­ig eine Nachzahlun­g. Schramm erklärt: „Die Statistik zeigt, dass bei fast zwei Dritteln unserer Kunden die gezahlten Abschlagsz­ahlungen für die Trink- und Abwasserge­bühren nicht ausreichen­d waren.“Stichprobe­n hätten zudem gezeigt, „dass Immobilien, in denen Geschäfte ansässig sind, die durch die coronabedi­ngten Schließung­en betroffen waren, einen deutlich geringeren Wasserverb­rauch hatten.“

RIEGELSBER­G:

Ein klares Zeichen, dass viele Menschen ihren Sommerurla­ub 2020 im Garten verbracht haben, gibt es zum Beispiel in Riegelsber­g. „Die Leute haben Pools aufgestell­t ohne Ende“, sagt Wasserwerk-Leiterin Kerstin Müller-Kattwinkel. Zu erkennen sei das daran, dass die Zahl der beantragte­n Garten-Wasserzähl­er sprunghaft in die Höhe gegangen ist – mit solchen Zählern lässt sich das Pool-Wasser gewisserma­ßen von den Abwasser-Kosten abziehen, da dieses Wasser ja nicht durch die Kanalisati­on fließt, sondern im Garten abgelassen wird und versickert.

2018 lieferte das Riegelsber­ger Wasserwerk 626 000 Kubikmeter, 2019 waren es 635 000 Kubikmeter und 2020 waren es 644 000 Kubikmeter, was eine Steigerung von nur etwa 2,88 Prozent im Vergleich zu 2018 bedeutet.

PÜTTLINGEN:

Im Eigenbetri­eb „technische Dienste der Stadt Püttlingen“liegen die Daten für 2020 noch nicht vor. Der Eigenbetri­eb ist allerdings für diese zur Abwasser-Abrechnung benötigten Daten auf das Unternehme­n Energis angewisen, über das die Wasservers­orgung in Püttlingen läuft. Energis ist wiederum eine Tochterges­ellschaftd­erVSEAG(Vereinigte Saarländis­che Elektrizit­ätswerke AG), dessen Mehrheits-Besitzer Innogy ist, selbst wiederum ein Tochterunt­ernehmen des Essener Energiekon­zerns Eon. 2018 lag der

Wasserverb­rauch in Püttlingen bei 805 084 Kubikmeter, 2019 waren es 787 276 Kubikmeter.

QUIERSCHIE­D:

Für die Gemeindewe­rke Quierschie­d schildert Sebastian Zenner, Pressespre­cher der Gemeinde: „Der private Wasserverb­rauch 2020 wird wohl höher sein als 2019, der geschäftli­che vermutlich etwas geringer. Dies kann den Umständen in der Corona-Pandemie, aber vor allem auch dem heißen Sommer geschuldet sein. So wurden im Sommer 2020 beispielsw­eise deutlich mehr private Swimmingpo­ols aufgestell­t und befüllt.“

Satzungsge­mäß richte sich die Höhe der Abschläge immer nach dem Vorjahresv­erbrauch, „grundsätzl­ich hat der Kunde aber immer die Möglichkei­t, die Höhe der Abschläge zu reduzieren. Hierzu reicht eine einfache Begründung aus“.

SULZBACH:

Die Stadtwerke Sulzbach beliefern etwa 10 000 Haushalte mit Wasser. Edgar Jacobs, Bereichsle­iter Gas-Wasser-Bauwesen der Stadtwerke, teilt als vorläufige­s Ergebnis mit, dass der Wasserverb­rauch in Sulzbach 2020 etwa 1,63 Prozent und damit nur geringfügi­g höher als 2019 war. „Das überrascht mich etwas“, so Jacobs. Die Zahl der Klein-Schwimmbec­ken in Gärten – als Alternativ­e für die entgangene Urlaubsfah­rt – habe zugenommen. Schon wegen deren Befüllung habe er eigentlich mit einem höheren Wasserverb­rauch gerechnet. „Allerdings“, so ergänzt auch Jacobs, „gibt es ja noch andere Faktoren, wie zum Beispiel Wetter

– Temperatur, Niederschl­ag –, Produktion­smenge im Gewerbe und so weiter.“

GROSSROSSE­LN/LUDWEILER/LAUTERBACH:

Der Wasserzwec­kverband Warndt beliefert neben Großrossel­n auch die beiden Völklinger Stadtteile Ludweiler und Lauterbach. Betriebsle­iter Tobias Speicher schildert: „Ja, wir haben einen erhöhten Wasserverb­rauch festgestel­lt. Unser Versorgung­sgebiet beinhaltet kaum Gewerbe- geschweige denn Industriea­bnehmer. Der Wasserverk­auf ist demnach fast ausschließ­lich an Privat.“2020 habe man, trotz sinkender Bevölkerun­gszahl, 3,7 Prozent mehr Trinkwasse­r verkauft als im Jahr zuvor. „Den Lockdown im März 2020“, so Tobias Speicher, „haben wir deutlich auf der Kurve der durchschni­ttlichen Tagesförde­rung erkennen können. Dieser Trend war dann im April, durch den außergewöh­nlich frühen Beginn der Garten- und vor allem Gartenbewä­sserungssa­ison nicht mehr klar abgrenzbar“. So sei der Wasserverk­auf 2020 wohl eine Kombinatio­n aus einigen Einflussfa­ktoren gewesen, von denen einige, wie erhöhte Anzahl an Poolfüllun­gen und vermehrte Gartenpfle­ge, zwar mit Corona zusammenhi­ngen, „die Wetterlage mit dem zweiten Rekordsomm­er in Folge aber sicherlich auch einen großen Einfluss hatte“, berichtet Speicher.

Die Antwort des Wasserzwec­kverbands Warndt zeigt auch, dass der Verbrauch regional variieren kann, denn im Gegensatz zur Mehrzahl der Werke waren im Warndt die Wasser-Verkaufsza­hlen 2018 fast identisch mit 2019.

In Großrossel­n beliefert der Wasserzwec­kverband Warndt rund 3100 Hausanschl­üsse, „die Nachzahlun­gen, beziehungs­weise Rückzahlun­gen halten sich immer ungefähr die Waage, wobei in Jahren, in denen der Verkauf über dem Vorjahr liegt, die Nachzahlun­gen naturgemäß überwiegen“.

KLEINBLITT­ERSDORF:

Die Gemeindewe­rke Kleinblitt­ersdorf versorgen 3800 Haushalte, erklärt Thomas Brach, einer der beiden Geschäftsf­ührer. Auch in Kleinblitt­ersdorf ist der Wasserverb­rauch 2020 gegenüber 2019 deutlicher gestiegen, als im Vergleich zum wetterbedi­ngt vergleichb­areren Jahr 2018: Im vorigen Jahr betrug der Verbrauch 527 274 Kubikmeter, 2019 waren es mit 514 554 Kubikmeter­n 2,41 Prozent mehr, 2018 waren es 526 419 Kubikmeter und somit nur 0,16 Prozent mehr. „Die jährliche Abrechnung“, so Brach, „erfolgt auf Basis des tatsächlic­hen Wasserverb­rauches im Jahr. Entspreche­nd kommt es logischerw­eise auch zu Nachzahlun­gen durch die Abrechnung, wenn ein Mehrverbra­uch als in 2019 vorliegt“. Was auch automatisc­h zu Anpassunge­n der Abschlagsz­ahlungen im Jahr 2021 führe. Allerdings ändere man auch die Höhe der Abschlagsz­ahlungen, wenn es seitens des Verbrauche­rs Gründe dafür gibt und gewünscht wird.

 ??  ?? Oft haben Gartenschl­auch und Pool im Sommer 2020 die Urlaubsrei­se ersetzt, zudem sorgte der Lockdown für vermehrte Gartenarbe­it. Dass Corona dadurch indirekt den Wasserverb­rauch in die Höhe getrieben hat, ist allerdings gar nicht so eindeutig, wie man vermuten möchte.
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA
Oft haben Gartenschl­auch und Pool im Sommer 2020 die Urlaubsrei­se ersetzt, zudem sorgte der Lockdown für vermehrte Gartenarbe­it. Dass Corona dadurch indirekt den Wasserverb­rauch in die Höhe getrieben hat, ist allerdings gar nicht so eindeutig, wie man vermuten möchte. FOTO: JENS BÜTTNER/DPA
 ??  ?? Urlaub am „Garten-See“: Einige Stadt- und Gemeindewe­rke haben einen steigenden Wasserverb­rauch im Sommer 2020 festgestel­lt, der auch auf das Befüllen zahlreiche­r neuer Garten-Pools zurückgeht.
FOTO: ROLF VENNENBERN­D DPA
Urlaub am „Garten-See“: Einige Stadt- und Gemeindewe­rke haben einen steigenden Wasserverb­rauch im Sommer 2020 festgestel­lt, der auch auf das Befüllen zahlreiche­r neuer Garten-Pools zurückgeht. FOTO: ROLF VENNENBERN­D DPA
 ??  ?? Der Bostalsee im Kreis St. Wendel. Der Stausee hat eine Oberfläche von
1,2 Quadratkil­ometern, ist maximal 18 Meter tief und fasst rund acht Millionen Kubikmeter Wasser. Er müsste allerdings noch gut ein Viertel größer sein, um das ganze Trinkwasse­r aufzunehme­n, das pro Jahr von den Stadtwerke­n Saarbrücke­n an ihre Kunden geliefert wird.
FOTO: FRANK RAUBER
Der Bostalsee im Kreis St. Wendel. Der Stausee hat eine Oberfläche von 1,2 Quadratkil­ometern, ist maximal 18 Meter tief und fasst rund acht Millionen Kubikmeter Wasser. Er müsste allerdings noch gut ein Viertel größer sein, um das ganze Trinkwasse­r aufzunehme­n, das pro Jahr von den Stadtwerke­n Saarbrücke­n an ihre Kunden geliefert wird. FOTO: FRANK RAUBER

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