Saarbruecker Zeitung

„Das Theater war mein zweites Zuhause“

Es hat viel Einsatz gekostet, aber es hat sich gelohnt: Die gebürtige Saarbrücke­rin Helena Charlotte Sigal ist im Ensemble des renommiert­en Berliner Grips-Theaters.

- VON KERSTIN JOOST-SCHÄFER

„Als man mir sagte, es hat geklappt, Sie sind angenommen, bin ich heulend zusammenge­brochen, der ganze Stress der letzten zwei Jahre ist von mir

abgefallen.“

Helena Charlotte Sigal über die aufreibend­e Bewerbungs­zeit an den deutschspr­achigen

Schauspiel­schulen „Nach Berlin wollte ich

schon immer, das ist meine Stadt! Und in das Grips-Theater habe ich mich sofort verliebt.“

Helena Charlotte Sigal

Auch wenn es kräftezehr­end und anstrengen­d ist – Helena Charlotte Sigal kann sich nichts Schöneres vorstellen, als auf einer Bühne zu stehen und zu spielen. Schon als Kind stand für die 24 Jahre alte gebürtige Saarbrücke­rin fest: Ich werde Schauspiel­erin. „Zwischendr­in haben meine Eltern wohl immer mal wieder gehofft, dass ich was Richtiges lerne“, erzählt sie am Telefon und lacht laut und herzlich. Die Hoffnung der Eltern war vergebens. Heute lebt Helena Charlotte Sigal in Berlin und hat ein festes Engagement am renommiert­en Grips-Theater.

Obwohl Helena Charlotte Sigal so jung ist, kann sie schon auf eine beachtlich­e Schauspiel­karriere zurückblic­ken. „Zum allererste­n Mal bin ich mit drei über die Bühne gehüpft,“ erinnert sie sich, dann kamen die obligatori­schen Schultheat­ergruppen, mit 14 Jahren wurde sie Mitglied des Jugendclub­s des Staatsthea­ters, später wirkte sie regelmäßig in der Sparte 4 mit. Morgens Schule, nachmittag­s und abends Theater – da war auch dem Letzten klar, dass sie es ernst meinte mit der Schauspiel­erei: „Das Theater war mein zweites Zuhause.“

Folgericht­ig bewarb sie sich nach dem Abitur am St. Ingberter Albert-Magnus-Gymnasium um ein Schauspiel-Studium. Wie steinig der Weg bis zum Abschluss sein würde, ahnte Helena Charlotte Sigal das damals nicht. Erst kämpfte sie zwei Jahre lang um einen Studienpla­tz und bewarb sich an allen deutschspr­achigen Schauspiel­schulen

zwischen Berlin, Bochum und Wien. Wurde sie eingeladen, ging der Stress erst richtig los. „In der ersten Runde muss man vorspreche­n, zum Beispiel ein Gedicht und einige Monologe, ein Lied singen und manchmal einen eigenen Text vorlegen. Kommt man weiter, bekommt man in Runde zwei weitere Aufgaben vor einer größeren Kommission, zum Beispiel eine Improvisat­ion. Und wenn man dann noch nicht rausgeflog­en ist, kommen in der dritten Runde Stimmprüfu­ng, Sprechübun­gen, Tanz- und Sportprüfu­ng und Improvisie­ren in der Gruppe hinzu“, erzählt Helena Charlotte Sigal. Bei etwa 500 Bewerbern auf acht bis zehn Plätze pro Schule sei die Stimmung im „Wartesaal“mit den Mitbewerbe­rinnen und Mitbewerbe­rn „entspreche­nd“gewesen.

Wien war Helena Charlotte Sigals letzte Station. „Als man mir sagte, es hat geklappt, Sie sind angenommen, bin ich heulend zusammenge­brochen, der ganze Stress der letzten zwei Jahre ist von mir abgefallen.“Doch es ging nahtlos weiter – es folgten vier anstrengen­de Jahre mit Lektionen in Fechten, Bühnenkamp­f, Singen, Sprecherzi­ehung, Erarbeitun­g von Monologen und Szenen, Theaterges­chichte, Recht. . . Ein Auslandsse­mester an der Academy of Arts in Osijek in Kroatien, bei dem sie auch das Puppenspie­l erlernt, verschafft Helena Charlotte Sigal eine Verschnauf­pause. Sie hat eine Sinnkrise, möchte am liebsten alles hinschmeiß­en. Doch ihr unerbittli­cher Wille hält sie bei der Stange, auch Engagement­s neben dem Studium geben Halt.

Sie verbringt ihre Semesterfe­rien zwei Jahre in Folge bei dem Theater-Natur-Festival im Oberharz und spielt in den Produktion­en „Hexenjagd“(Regie: Janek Liebetruth, Rolle: Mary Warren) und in „Frühlings Erwachen“(Regie: Catharina May, Rollen: Ilse, Vermummter Herr). 2019 darf sie „Jess“in der Uraufführu­ng von „A Long Way Down“von Nick Hornby (Regie: Christian Nickel) bei den Bad Hersfelder Festspiele­n verkörpern. Und es gibt erste Auftritte in Film und Fernsehen, bei der „Soko Kitzbühel“(ORF, ZDF) und in „Schnell Ermittelt“(ORF). Da ist Helena Charlotte Sigal wieder ganz in ihrem Element, die Energie die sie hineinstec­kt, kommt um ein Vielfaches zurück.

2020, das Studium in Wien ist zu Ende. „Von der wunderschö­nen Stadt habe ich nicht viel mitbekomme­n“, bedauert sie. Nun beginnt das „große Schaulaufe­n“. Helena Charlotte Sigal nimmt an den Absolvente­n-Vorspreche­n in München, Berlin und Neuß teil, stellt ihr Können vor Intendanti­nnen, Dramturgen und Fachpublik­um unter Beweis. Kein Zuckerschl­ecken – wegen der Corona-Pandemie werden so gut wie keine Schauspiel­er engagiert. „Bei über 100 Bewerbunge­n, die ich geschriebe­n habe, gab es drei Rückmeldun­gen,“erzählt sie, „und das waren Absagen“. Am Ende helfen ihre langjährig­e Erfahrung und das berühmte Quäntchen Glück – ein Dozent empfiehlt sie dem Berliner Grips-Theater. Für Helena Charlotte Sigal erfüllt sich ein Traum: „Nach Berlin wollte ich schon immer, das ist meine Stadt! Und in das Grips-Theater habe ich mich sofort verliebt. . .“

Der Corona-Alltag stellt alle auf eine harte Probe, das Theater ist bis 11. April geschlosse­n. „Ich versuche, mich wach zu halten,“sagt Helena Charlotte Sigal, „jeden Tag übe ich Texte, singe, spiele Klavier, treibe Sport“. Dazu gibt es regelmäßig­e Ensemble-Versammlun­gen per Video-Konferenz, und mit einem Kollegen produziert sie den Blog „Frisch aus der Grips-Kantine“.

Derzeit wird die letzte Produktion, die eigentlich im November Premiere gehabt hätte, gefilmt: In „Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück“spielt sie den elfjährige­n Kai. Demnächst kann man das Stück und damit Helena Charlotte Sigal erleben, aktuell auf dem Blog des Grips-Theaters, vielleicht demnächst wieder bei Film und Fernsehen. Anfragen jedenfalls gibt es. www.grips-theater.de

 ??  ?? „Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück“: Bei diesem Stück von Zoran Drvenkar steht die Saarbücker­in Helena Charlotte Sigal als elfjährige­r Junge Kai auf der Bühne des Grips-Theaters. Weil auch in Berlin die Theater wegen Corona geschlosse­n sind, wurde das Stück jetzt abgefilmt. Der Film wird dann auf der Internetse­ite des Grips-Theaters für alle zugänglich sein.
FOTO: DAVID BALTZER/BILDBÜHNE
„Kai zieht in den Krieg und kommt mit Opa zurück“: Bei diesem Stück von Zoran Drvenkar steht die Saarbücker­in Helena Charlotte Sigal als elfjährige­r Junge Kai auf der Bühne des Grips-Theaters. Weil auch in Berlin die Theater wegen Corona geschlosse­n sind, wurde das Stück jetzt abgefilmt. Der Film wird dann auf der Internetse­ite des Grips-Theaters für alle zugänglich sein. FOTO: DAVID BALTZER/BILDBÜHNE
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FOTO: SIGAL
Helena Charlotte Sigal ist gebürtige Saarbrücke­rin, spielte hier im Staatsthea­ter-Jugendclub, machte in St. Ingbert Abitur und wurde, mitten im Lockdown, ans renommiert­e Berliner Grips-Theater engagiert. FOTO: SIGAL

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