Zuckerbrot und Peitsche bei Israels Impf-Kampagne
(ap) Bei den Corona-Impfungen seiner Bürger legte Israel erst ein atemberaubendes Tempo vor, doch nun ist Sand im Getriebe. Zuletzt ging die Zahl jener zurück, die sich den Pikser verpassen ließen. Die Schuld sehen Behörden bei Falschinformationen im Netz, die Impfscheu im Volk beförderten. Ein breitgefächertes Maßnahmenpaket soll nun Abhilfe schaffen.
Sowohl auf Warnungen als auch auf Anreize setzt das Gesundheitsministerium im Umgang mit Zauderern. Es hat eine digitale Arbeitsgruppe, die online falsche Behauptungen über Vakzine aufspüren soll, personell aufgerüstet. Und auf Lokalebene versuchen die Verantwortlichen die Menschen mit Partymusik und kostenlosem Essen zu den Impfzentren zu locken. Den Ungeimpften wird derweil mit einem Ausschluss von Freizeit- und Kulturangeboten gedroht. „Entscheidet, ob ihr Teil der Feier sein oder ob ihr zurückgelassen werden wollt“, schrieb Gesundheitsminister Juli Edelstein auf Twitter.
Seit dem Start der Immunisierungen gegen Covid-19 im Dezember sind schon einem Viertel der Bevölkerung – also 2,5 Millionen Menschen – die zwei Dosen des Vakzins von Biontech und Pfizer verabreicht worden, wie aus Daten des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Mehr als 42 Prozent haben die erste Dosis erhalten. Damit weist Israel eine der höchsten Impfraten der Welt auf.
Seitdem das Land im Februar Vakzine für alle ab dem Alter von 16 Jahren verfügbar gemacht hat, ist jedoch ein nachlassendes Impftempo zu beobachten. In diesem Monat wurden im Durchschnitt etwas über 106 000 Impfungen pro Tag gezählt – im Januar waren es noch mehr als 127 000. Seit Pandemiebeginn hat das Land mehr als 723 000 Corona-Infektionen und fast 5400 Todesfälle nach einer Ansteckung nachgewiesen – mehr als 20 Prozent davon allein im Januar. Im Laufe der vergangenen Woche meldete das Land mit 9,3 Millionen Einwohnern täglich mehr als 5000 neue Infektionen. Dass die Zahlen so hartnäckig hoch bleiben, wird vor allem auf Impfscheu in einigen gesellschaftlichen Gruppen zurückgeführt.
Diese sträuben sich aus unterschiedlichen Gründen gegen den Pikser: Im Fall der ultra-orthodoxen Gemeinde haben einflussreiche Würdenträger ihren Anhängern eingeschärft, sich ja nicht impfen zu lassen. Bei der arabisch geprägten Minderheit in Israel spielt mangelndes Vertrauen in die jüdische Verwaltung eine Rolle. Und jüngere Israelis befürchten oft, dass sie durch die Vakzine ernsthaft erkranken könnten.
Das Gesundheitsministerium will solchen Falschinformationen entgegentreten. In der Behörde sitzen elf Mitarbeiter in einem Kommandozentrum, das soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram und Telegram nach impffeindlichen Posts absucht. Demnächst kann die Abteilung mit Verstärkung rechnen.
Komme dem Kommandozentrum eine Desinformation unter, schalte es das Justizministerium ein, das die Online-Netzwerke sofort zur Entfernung der Inhalte dränge, berichtet die zuständige Vize-Direktorin Einaw Schimron. Etliche Male hätten sie auch schon die Polizei gerufen und dies damit begründet, dass die falschen Behauptungen ein öffentliches Gesundheitsrisiko darstellten.
Zugleich hantieren die Behörden nicht nur mit der Peitsche, sondern auch mit dem Zuckerbrot. Dazu hat das Ministerium Dutzende Social-Media-Influencer für eine Video-Kampagne verpflichtet. Passend zum Valentinstag kam ein Spot heraus, in dem ein Mann seiner Freundin eine kleine Schatulle schenkt. Ein Verlobungsring ist leider nicht drin. „Willst du dich mit mir impfen lassen?“, fragt er seine Liebste stattdessen, als sie das Präsent öffnet. Es enthält eine Ampulle mit Impfstoff.