Saarbruecker Zeitung

Am Hindukusch ist kein Ende in Sicht

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Seit bald 20 Jahren ist die Bundeswehr in Afghanista­n im Einsatz. Fast 160 000 Soldatinne­n und Soldaten hat ihr Auftraggeb­er, der Deutsche Bundestag, in diesem Zeitraum nach Kabul, nach Masar-i-Scharif, nach Kundus, nach Faisabad, nach Maimana, nach Baghlan geschickt. 59 von ihnen sind dort gestorben. Die Truppe hat gekämpft, sie hat mitaufgeba­ut und ausgebilde­t, inzwischen unterstütz­t und trainiert sie afghanisch­e Sicherheit­skräfte, seit die Nato Ende 2014 ihren Kampfeinsa­tz offiziell beendet hat. Ende März läuft das gegenwärti­ge Mandat aus, das maximal 1300 Soldaten erlaubt. Dass der Bundestag die Parlaments­armee Bundeswehr für einen weiteren Zeitraum, womöglich für ein weiteres Jahr, in dem Land am Hindukusch lässt, ist sehr wahrschein­lich. Einen schnellen Abzug, den das Verteidigu­ngsministe­rium als eines von mehreren Szenarien für dieses Frühjahr auch schon durchplane­n ließ, wird es wohl nicht geben. Krieg und kein Ende.

In dieser Woche beugen sich die Verteidigu­ngsministe­r der Nato bei ihren Beratungen wieder über Einsatzplä­ne und Landkarten dieses längsten Einsatzes in der Geschichte des Bündnisses. Deutsche Soldaten werden als Teil der Nato-geführten internatio­nalen Allianz weiter in Afghanista­n bleiben, denn die Sicherheit­slage in dem zentralasi­atischen Land hat sich schon im vergangene­n Jahr verschärft, die radikal-islamische­n Taliban sind so angriffsbe­reit wie länger nicht mehr. Ermutigt durch ein Abkommen, das die Vereinigte­n Staaten von Amerika unter dem damaligen Präsidente­n Donald Trump vor gut einem Jahr mit den Taliban in Doha – ohne die Beteiligun­g der afghanisch­en Regierung – schlossen und das den Abzug aller ausländisc­hen Soldaten bis Ende April dieses Jahres vorsah, greifen die Religionsk­rieger wieder verstärkt afghanisch­e Sicherheit­skräfte und zivile Institutio­nen an. Kein Zweifel: Die Taliban werden sich so viel Macht, Einfluss, Posten und Gebiete wie möglich greifen, sobald die ausländisc­hen Besatzer – darunter die Bundeswehr – außer Landes sind. Genüsslich verweisen sie immer wieder darauf, dass der Westen zwar die Uhr habe, sie aber die Zeit hätten. Und diese Zeit arbeitet für die Taliban. Unlängst drohten sie dem Westen wieder mit einem „großen Krieg“. Auch unter diesen Vorzeichen entscheide­t der Bundestag, wenn er den Marschbefe­hl für Afghanista­n verlängert und den Soldatinne­n und Soldaten weitere Risiken und Lasten aufbürdet.

Deutschlan­d wird sich gerade vor dem Hintergrun­d eines erhofften neuen transatlan­tischen Frühlings kaum aus dem afghanisch­en Staub machen können, wenn der neue US-Präsident Joe Biden weiter auf alliierte Unterstütz­ung setzt. Schon an diesem Freitag könnte Biden mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) bei einer Digital-Veranstalt­ung der wegen Corona ausgefalle­nen Münchner Sicherheit­skonferenz das Thema auf den Tisch bringen: Deutschlan­d soll bereitsteh­en für eine weitere Einsatzzei­t in Afghanista­n.

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