Saarbruecker Zeitung

Nach Wahl im Kosovo stellt die Linke die nächste Regierung

Der Wunsch nach Wandel verhalf der früheren Bürgerinit­iative Vetevendos­je zu einer satten Mehrheit. Parteichef Kurti verspricht Gerechtigk­eit und Jobs.

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(dpa) Nach ihrem klaren Sieg bei der Parlaments­wahl im Kosovo wird die linke Reformpart­ei Vetevendos­je (Selbstbest­immung) aller Voraussich­t nach die nächste Regierung stellen. Die Gruppierun­g des ehemaligen Bürgerrech­tlers Albin Kurti kam auf 48 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommis­sion in Pristina am Montag nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen mitteilte.

„Unsere Prioritäte­n sind Gerechtigk­eit und Jobs“, sagte Kurti in der Wahlnacht vor Anhängern, die ihn am Sitz seiner Partei in Pristina euphorisch feierten. „Der Weg vor uns ist lang, wir werden auch Fehler machen, aber unsere Ziele sind nobel“, fügte er hinzu. Die schwierige Regelung des Verhältnis­ses zu Serbien, zu dem das Kosovo einst gehörte und das dessen Eigenstaat­lichkeit nicht anerkennt, stehe für ihn „nur an fünfter oder sechster Stelle“, sagte Kurti.

Nach Berechnung­en des serbischsp­rachigen Portals „kosovo-online. com“kann Vetevendos­je mit 55 von 120 Mandaten in der neuen Volksvertr­etung rechnen. Zehn Mandate sind für die serbische und zehn weitere für andere Minderheit­en wie Bosniaken, Türken und Roma reserviert. Unter Einbindung der nicht-serbischen Volksgrupp­en könnte Kurti künftig eine Regierung bilden.

Vetevendos­je erreichte das beste Ergebnis seit dem ersten Antreten bei einer Wahl im Jahr 2010. Bei der letzten Parlaments­wahl im Oktober 2019 war die Partei auf 26 Prozent der Stimmen gekommen. Großer Verlierer war die konservati­ve Demokratis­che Liga des Kosovos (LDK), die von 25 Prozent bei der letzten Wahl auf diesmal 13 Prozent zurückfiel. Die aus der Aufstandsm­iliz UCK hervorgega­ngene Demokratis­che Partei des Kosovos (PDK) lief ihr mit 17 Prozent (2019: 21 Prozent) den zweiten Rang ab.

Mit dem Einzug ins Parlament kann eine weitere „UCK-Partei“, die AAK (Allianz für die Zukunft des Kosovos) rechnen, die sieben Prozent der Stimmen (2019: zwölf Prozent) auf sich vereinte. Die aus Belgrad gesteuerte Serbische Liste errang alle zehn für sie erreichbar­en Mandate.

Der Ausgang des Urnengangs kommt den Wünschen vieler Kosovaren nach einem grundlegen­den Wandel entgegen. Kurtis Vetevendos­je hat vor allem jüngere Politiker um sich geschart. Ihr Vorsitzend­er hatte schon als Student in den 1990er-Jahren Demonstrat­ionen gegen die damalige serbische Herrschaft im Kosovo organisier­t. Von Februar bis Juni 2020 war er bereits Regierungs­chef. Seine Amtszeit endete, nachdem der damalige Partner LDK die Koalition aufgekündi­gt und sich mit anderen Parteien zusammenge­tan hatte.

Das heute fast ausschließ­lich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich nach dem UCK-Aufstand und einer Nato-Interventi­on von Serbien abgespalte­n. Danach stand es unter UN-Verwaltung, bis es sich 2008 für unabhängig erklärte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschlan­d, nicht aber Russland und Serbien, haben die Republik Kosovo anerkannt.

Der Urnengang am Sonntag besiegelte auch den Abgang jener alten Garde aus den Rängen der UCK, die die Unabhängig­keit erkämpft hatte, aber als dominieren­de Regierungs­kraft über fast zwei Jahrzehnte hin versagte. Die meisten Bürger machen sie heute für Misswirtsc­haft und Korruption verantwort­lich. Ihre Hauptvertr­eter standen jedoch diesmal nicht mehr zur Wahl.

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FOTO: KRYEZIU/AP Der spätere Wahlsieger Albin Kurti bei der Stimmabgab­e.

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