Saarbruecker Zeitung

Der Sparkurs sorgt für dicke Luft bei Tuifly

Die Pläne im Tui-Konzern verunsiche­rn die Belegschaf­t. Dass Kürzungen notwendig sind, ist unstrittig. Doch der Teufel steckt im Detail.

- VON JAN PETERMANN

HANNOVER (dpa) Die Piloten führen wieder eigene Verhandlun­gen – doch auch andere Berufsgrup­pen bei Tuifly werden wegen des Jobabbaus immer nervöser. In der Kabine und am Boden ist die Stimmung nach Aussage mancher Beschäftig­ter von Misstrauen geprägt. In Reisebüros herrscht ebenfalls dicke Luft. Obwohl viele eigentlich gerade jetzt einen Motivation­sschub bräuchten, um den Corona-Winter durchzuste­hen.

Die im Tui-Aufsichtsr­at vertretene Gewerkscha­ft Verdi ist wütend. Sie verlangt, dass für die Belegschaf­t der Fluggesell­schaft Kompromiss­e gefunden werden. Der Arbeitgebe­r sei aufgerufen, über eine „Verlängeru­ng der Altersteil­zeit-Tarifvertr­äge und Einrichtun­g einer Transferge­sellschaft sowie flankieren­de Maßnahmen“

zu sprechen, heißt es in einem Brief an die Mitglieder. Bisher sperre sich Tuifly. Die wesentlich­en Bedingunge­n seien abgesteckt, sagt das Unternehme­n.

Für Konzernche­f Fritz Joussen ist es eine Gratwander­ung. Angesichts des Einbruchs in der Corona-Krise muss er einerseits Jobs streichen, weltweit stehen rund 8000 im Feuer. Für 5000, viele davon im Ausland, ist der Plan umgesetzt. Aber auch Tuifly, Reisebüros und die übrige Verwaltung müssen Einschnitt­e hinnehmen. In der Fluggesell­schaft war im Sommer von bis zu 900 betroffene­n Vollzeitst­ellen die Rede – bei rund 2000 insgesamt, davon 1400 Piloten und Flugbeglei­ter.

Bis Ende 2021 gibt es noch Kündigungs­schutz. Auch die Piloten fordern dessen Fortbestan­d. Tuifly erklärte aber, ohne Entlassung­en werde man den Umbau zu einer tragbaren Größe nicht schaffen. Zwischenze­itlich war angeboten worden, die Zahl der 39 deutschen

Maschinen nur auf 22 statt 17 abzubauen sowie 250 Jobs weniger in Cockpit und Kabine zu streichen. Doch an der Kündigungs­option hielt man grundsätzl­ich fest.

Verdi moniert, es fehle ein Gesamtkonz­ept. „Dass es nicht einfach wird, ist klar“, so ein Gewerkscha­fter. „Eine Reihe von Beschäftig­ten nimmt ja schon Abfindunge­n an. Aber wir brauchen eine Lösung für alle, auch mit Maßnahmen wie Altersteil­zeit oder Qualifizie­rung.“

Tuifly verweist darauf, dass der Druck in der von Überkapazi­täten geplagten Luftfahrt eher noch steige. Ein Einigungss­tellen-Verfahren solle einen Interessen­ausgleich erreichen. Dagegen argwöhnt Verdi: „Corona wird als Vorwand benutzt.“Es sei zu begrüßen, dass Piloten und Leitung wieder an einem Tisch sitzen. Das Arbeitsvol­umen vieler anderer Jobs hänge am Ausgang jener Gespräche. „In der Verwaltung und am Boden hätte eine Ausdünnung auf 17 Maschinen ähnliche Folgen wie bei den Piloten.“

Tuifly ist vor allem Zubringer für Pauschal- oder Kreuzfahrt­urlauber im eigenen Konzern. Es gibt Bedenken, die Fluggesell­schaft könnte langfristi­g nur als Markenhüll­e weiterexis­tieren. Der schlimmste Fall „wäre, wenn am Ende nur noch externe Anbieter beauftragt sind, Kunden herumzufli­egen“, lautet eine Befürchtun­g. Dem widerspric­ht die Führung energisch: Es gehe in den Kürzungspl­änen nur darum, eine stabile Winter-Flotte aufzubauen und im Sommer bei Nachfrages­pitzen Jets hinzuzumie­ten.

Verschlank­ung war schon vor Corona ein Thema. Das Nachfragem­inus erhöht den Spardruck für die mit Milliarden-Staatshilf­en gestützte Gruppe nun aber enorm. Joussen setzte früh aufs Online-Geschäft und einheitlic­he Markenführ­ung, was Branchenbe­obachter schlüssig finden. „Die jetzige Umbruchsti­mmung sollte Tui für eine nachhaltig­e Transforma­tion nutzen“, sagt Katja Nagel von der Beratung Cetacea.

Ein weiterer wunder Punkt sind die Reisebüros. Der Betriebsra­t zeigt sich offen für neue Digitalang­ebote und deutet an, dass man manche Filialen wohl nicht wird halten können. Pauschale Kürzungen werde es allerdings nicht geben – die Positionen lägen noch weit auseinande­r.

„Corona wird als Vorwand benutzt.“

Verdi-Stellungna­hme

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FOTO: J. STRATENSCH­ULTE/DPA
39 Maschinen bilden die deutsche Flotte der Fluggesell­schaft. Nach dem Willen des Konzerns sollen es bald nur noch 17 bis 22 sein. FOTO: J. STRATENSCH­ULTE/DPA

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