Der Sparkurs sorgt für dicke Luft bei Tuifly
Die Pläne im Tui-Konzern verunsichern die Belegschaft. Dass Kürzungen notwendig sind, ist unstrittig. Doch der Teufel steckt im Detail.
HANNOVER (dpa) Die Piloten führen wieder eigene Verhandlungen – doch auch andere Berufsgruppen bei Tuifly werden wegen des Jobabbaus immer nervöser. In der Kabine und am Boden ist die Stimmung nach Aussage mancher Beschäftigter von Misstrauen geprägt. In Reisebüros herrscht ebenfalls dicke Luft. Obwohl viele eigentlich gerade jetzt einen Motivationsschub bräuchten, um den Corona-Winter durchzustehen.
Die im Tui-Aufsichtsrat vertretene Gewerkschaft Verdi ist wütend. Sie verlangt, dass für die Belegschaft der Fluggesellschaft Kompromisse gefunden werden. Der Arbeitgeber sei aufgerufen, über eine „Verlängerung der Altersteilzeit-Tarifverträge und Einrichtung einer Transfergesellschaft sowie flankierende Maßnahmen“
zu sprechen, heißt es in einem Brief an die Mitglieder. Bisher sperre sich Tuifly. Die wesentlichen Bedingungen seien abgesteckt, sagt das Unternehmen.
Für Konzernchef Fritz Joussen ist es eine Gratwanderung. Angesichts des Einbruchs in der Corona-Krise muss er einerseits Jobs streichen, weltweit stehen rund 8000 im Feuer. Für 5000, viele davon im Ausland, ist der Plan umgesetzt. Aber auch Tuifly, Reisebüros und die übrige Verwaltung müssen Einschnitte hinnehmen. In der Fluggesellschaft war im Sommer von bis zu 900 betroffenen Vollzeitstellen die Rede – bei rund 2000 insgesamt, davon 1400 Piloten und Flugbegleiter.
Bis Ende 2021 gibt es noch Kündigungsschutz. Auch die Piloten fordern dessen Fortbestand. Tuifly erklärte aber, ohne Entlassungen werde man den Umbau zu einer tragbaren Größe nicht schaffen. Zwischenzeitlich war angeboten worden, die Zahl der 39 deutschen
Maschinen nur auf 22 statt 17 abzubauen sowie 250 Jobs weniger in Cockpit und Kabine zu streichen. Doch an der Kündigungsoption hielt man grundsätzlich fest.
Verdi moniert, es fehle ein Gesamtkonzept. „Dass es nicht einfach wird, ist klar“, so ein Gewerkschafter. „Eine Reihe von Beschäftigten nimmt ja schon Abfindungen an. Aber wir brauchen eine Lösung für alle, auch mit Maßnahmen wie Altersteilzeit oder Qualifizierung.“
Tuifly verweist darauf, dass der Druck in der von Überkapazitäten geplagten Luftfahrt eher noch steige. Ein Einigungsstellen-Verfahren solle einen Interessenausgleich erreichen. Dagegen argwöhnt Verdi: „Corona wird als Vorwand benutzt.“Es sei zu begrüßen, dass Piloten und Leitung wieder an einem Tisch sitzen. Das Arbeitsvolumen vieler anderer Jobs hänge am Ausgang jener Gespräche. „In der Verwaltung und am Boden hätte eine Ausdünnung auf 17 Maschinen ähnliche Folgen wie bei den Piloten.“
Tuifly ist vor allem Zubringer für Pauschal- oder Kreuzfahrturlauber im eigenen Konzern. Es gibt Bedenken, die Fluggesellschaft könnte langfristig nur als Markenhülle weiterexistieren. Der schlimmste Fall „wäre, wenn am Ende nur noch externe Anbieter beauftragt sind, Kunden herumzufliegen“, lautet eine Befürchtung. Dem widerspricht die Führung energisch: Es gehe in den Kürzungsplänen nur darum, eine stabile Winter-Flotte aufzubauen und im Sommer bei Nachfragespitzen Jets hinzuzumieten.
Verschlankung war schon vor Corona ein Thema. Das Nachfrageminus erhöht den Spardruck für die mit Milliarden-Staatshilfen gestützte Gruppe nun aber enorm. Joussen setzte früh aufs Online-Geschäft und einheitliche Markenführung, was Branchenbeobachter schlüssig finden. „Die jetzige Umbruchstimmung sollte Tui für eine nachhaltige Transformation nutzen“, sagt Katja Nagel von der Beratung Cetacea.
Ein weiterer wunder Punkt sind die Reisebüros. Der Betriebsrat zeigt sich offen für neue Digitalangebote und deutet an, dass man manche Filialen wohl nicht wird halten können. Pauschale Kürzungen werde es allerdings nicht geben – die Positionen lägen noch weit auseinander.
„Corona wird als Vorwand benutzt.“
Verdi-Stellungnahme