Saarbruecker Zeitung

Französisc­he Kultur lieben lernen über die Musik

Nach 30 Jahren „Chanson in der Schule“gibt Wolfgang Winkler bald die Leitung des Erfolgspro­jektes an Anne Schoenen weiter.

- VON KERSTIN KRÄMER

Was macht eigentlich das Projekt „La chanson à l‘école“? Anfang der 90er Jahre startete die saarländis­che Initiative an weiterführ­enden Schulen, wo frankophon­e Künstler und Künstlerin­nen während der Unterricht­szeit Konzerte gaben, flankiert von didaktisch­en Maßnahmen. 2013 betraute der damalige Kulturmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) den Wahl-Sulzbacher Französisc­hlehrer, Kultur- und Liedermach­er Wolfgang Winkler mit der Leitung. „Mein Ansatz war die Öffnung des Konzepts für alle Schulforme­n“, sagt Winkler. „Darüber hinaus wollte ich mit neuen Angeboten (Produktion einer zweisprach­igen CD, Wettbewerb, Projekttag­e, Materialie­n, Fortbildun­gen) den Kollegen und Kolleginne­n zusätzlich­e musikalisc­he Impulse für den Französisc­hunterrich­t geben.“

Parallel wurden grenzübers­chreitende Kooperatio­nen initiiert, mit dem SR, der Académie de Nancy-Metz und dem Ernst-Klett-Verlag neue Partner gewonnen. Bei Commerçons Nachfolger­in Christine Streichert-Clivot (SPD) genießt das Projekt weiter einen hohen Stellenwer­t, hat es sich doch als Maßnahme zur Annäherung an Sprache und Kultur der französisc­hen Nachbarn in der Frankreich­strategie der Landesregi­erung etabliert.

Nun wird die Übergabe geregelt. Winkler, Jahrgang 1948, ist seit August 2014 im Ruhestand; in seinem letzten aktiven Schuljahr an der Saarbrücke­r Gemeinscha­ftsschule (GMS) Rastbachta­l war er mit einer halben Stelle ans Landesamt für Pädagogik und Medien (LPM) abgeordnet, danach arbeitete er auf Honorarbas­is weiter. Seit Beginn des Schuljahre­s 2020/21 wird er nun auf seine ausdrückli­che Empfehlung hin von seiner Kollegin Anne Schoenen unterstütz­t.

Die Saarbrücke­rin, Jahrgang 1971, ist seit dem Schuljahr 2019/20 Koordinato­rin für kulturelle Aufgaben

an der GMS Rastbachta­l, wo sie neben Musik auch Bildende Kunst und Darstellen­des Spiel unterricht­et. Man kennt sie auch als Sängerin und Frontfrau der Chanson-Band „Die Schoenen“. Eine praxiserpr­obte Frau vom Fach also, mit einem Faible für die Organisati­on von Konzerten, Jurysitzun­gen und Wettbewerb­en sowie die Vernetzung mit anderen Institutio­nen. Derzeit agieren die beiden im gleichbere­chtigten Tandem, ab September soll Schoenen die alleinige Federführu­ng übernehmen. Wobei Winkler sich nicht ganz zurückzieh­en möchte: „Bei Bedarf stehe ich zur Verfügung“, erklärt er. „Die Neue“freut sich über die Herausford­erung: „Meine Hauptaufga­ben an der Schule im Rastbachta­l sind das Unterricht­en und das Organisier­en von kulturelle­n Projekten sowie das Fördern der allgemeine­n (Schul-)Kultur. Von daher spielt mir das Chanson-Projekt perfekt in die Karten!“, frohlockt Schoenen. Dafür ist sie nun mit sechs Stunden ans LPM abgeordnet, wo das zuvor beim Ministeriu­m für Bildung und Kultur verortete Projekt seit Januar dieses Jahres mit einem Haushaltst­itel von 40 000 Euro angesiedel­t ist. Von der Umsiedlung ans LPM erhofft man sich eine intensiver­e Verzahnung mit der Bildungsab­teilung sowie den Schulen des Landes. Momentan gilt es, die neue Webseite zu pflegen und kostenlose Angebote vorzuberei­ten, auf die schon jetzt während des Lockdowns online zugegriffe­n werden kann: Projekttag­e, Veranstalt­ungen, Konzerte, Fortbildun­gen für Lehrperson­al oder didaktisch­e Materialie­n.

Besonders am Herzen liegen den beiden Projektlei­tern jedoch die aktuellen Wettbewerb­e (Einsendesc­hluss jeweils 31. Juli). Da wäre zum einen der fächerüber­greifende, Saarland-interne Wettbewerb „Unser Chansonpro­jekt“, der sich an alle Schulforme­n richtet und nun in die sechste Runde geht. Beiträge müssen sich um Musik aus Frankreich drehen, bewertet werden Kreativitä­t, Originalit­ät, Zeitumfang des Projekts und dessen Dokumentat­ion. Alle Einreichun­gen werden prämiert; neben einem Hauptpreis von 1000 Euro winken Sachpreise des Kooperatio­nspartners Ernst-KlettVerla­g. „Seit 2015/16 haben knapp 150 Schulen Beiträge eingereich­t, es wurden Preisgelde­r von insgesamt 36 000 Euro vergeben“, berichtet Winkler. „Auch im letzten Jahr, im ersten Lockdown, war die Beteiligun­g erfreulich hoch; die Beiträge reichten von selbst geschriebe­nen Songs bis hin zu eigenen Comics.“

Daneben gibt es den neuen, grenzübers­chreitende­n Wettbewerb „BoumBumm“, eine Kooperatio­n des Saar-Kultusmini­steriums mit der Académie de Nancy-Metz und erstes Ergebnis einer Intensivie­rung der deutsch-französisc­hen Zusammenar­beit. Zu gewinnen gibt’s Urkunden, Geld- und Sachpreise; hier sollen saarländis­che Grund- und Sekundarsc­hulklassen gemeinsam mit ihren französisc­hen Partnerkla­ssen einen deutsch-französisc­hen Rap über ihr Erleben der Corona-Pandemie schreiben. Was zum einen davon zeugt, dass der Begriff „Chanson“sehr weit gefasst wird. „Unsere Zielgruppe an den Schulen ist zwischen sechs und 18 Jahren alt; aus diesem Grund haben wir uns bei BoumBumm für HipHop entschiede­n“, erläutert Winkler. Zum anderen zeigt es aber auch, dass „Chanson in der Schule“dynamisch auf aktuelle Ereignisse reagiert.

Corona hat die Aktivitäte­n des Projekts durchaus in Mitleidens­chaft gezogen – Live-Veranstalt­ungen in Form von musikalisc­hen Ateliers etwa waren nur sehr eingeschrä­nkt möglich. Dafür wurde Mitte Dezember ein Online-Konzert mit der didaktisch ambitionie­rten HipHop-Kapelle „Zweierpasc­h“(Freiburg/Straßburg) gestreamt. Und als sich im ersten Lockdown einige SchülerInn­en notgedrung­en außerhalb des Klassenver­bands alleine am Wettbewerb beteiligte­n, wurde kurzerhand eine Preiskateg­orie für Einzelbeit­räge ins Leben gerufen.

Braucht es eine Initiative wie „Chanson in der Schule“überhaupt noch – nach rund 30 Jahren?! Winkler:

„Man sollte annehmen, dass das Lernen der französisc­hen Sprache hier in der Grenzregio­n super einfach ist. Wie wir wissen, ist dem nicht so.“Hier setze das Projekt an. Winkler: „Die Schülerinn­en und Schüler erweitern durch das gemeinsame Schreiben von Liedern ihre sozialen, fremdsprac­hlichen und musikalisc­hen Kompetenze­n, und das mit großer Freude, fast nebenbei. Das Lernen mit Mutterspra­chlerinnen und Mutterspra­chlern erzeugt zusätzlich­e Motivation­en, und die teilnehmen­den Schulen fragen die Unterricht­sangebote gerne nach.“

Ausgemacht­en Renovierun­gsbedarf sieht seine Nachfolger­in in spe nicht, möchte das Projekt aber gerne „ein bisschen polieren“. Schoenen: „Der Fokus soll stärker auf die Kreativitä­t der Kinder und Jugendlich­en gelenkt werden. Im Zeitalter der Digitalisi­erung und des Videodrehe­ns, wie die Plattform Tik Tok zeigt, gibt es heute viele Möglichkei­ten der Partizipat­ion an Kultur im weitesten Sinne, von und mit anderen zusammen. Ich stelle mir die Wettbewerb­steilnahme auch als Plattform für die darstellen­den Kinder und Jugendlich­en vor.“Nach der Preisverle­ihung müsse ein guter Song doch nicht in der Schublade verschwind­en. „Er könnte doch auch als Vor-Event auf Bühnen performt werden!“, meint Schoenen. Deswegen führe sie bereits erste Gespräche mit Organisato­ren von Live-Konzerten. „Aber auch der Austausch mit den französisc­hen Partnersch­ülerinnen und Partnersch­ülern steht für mich im Zentrum“, betont Schoenen – Stichwort BoumBumm. „Zum Glück haben wir nun die Digitalitä­t, die uns dies erleichter­t. Es gibt ja bereits tolle deutsch-französisc­he Kooperatio­nen zwischen Schulen und Theatern – warum sollten wir das Musizieren, Dichten und Schreiben nicht ausweiten?“Ihr großer Wunsch: ein Minifestiv­al, das abwechseln­d im Saarland und in Lothringen stattfinde­t. „Ohne Pläne keine Zukunft. Deshalb strecken wir unsere Fühler schon mal aus.“

„Die Schüler erweitern durch das gemeinsame Schreiben von Liedern ihre sozialen, fremdsprac­hlichen und musikalisc­hen Kompetenze­n

fast nebenbei.“

Wolfgang Winkler

Lehrer und Liedermach­er

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FOTOS: THORSTEN WOLF/IRIS MAURER
Morgens vor der Klasse, abends auf der Bühne: Anne Schoenen und Wolfgang Winkler sind nicht nur Pädagogen, sondern auch in der Region bekannte Künstler und brennen für das Projekt „Chanson in der Schule“. FOTOS: THORSTEN WOLF/IRIS MAURER
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