Saarbruecker Zeitung

„Das kann doch nicht so weitergehe­n“

Die Dehoga-Hauptgesch­äftsführer­in erwartet vom Gipfel mit Wirtschaft­sminister Altmaier (CDU) eine klare Perspektiv­e für die Öffnung der Gastronomi­e.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE STEFAN VETTER

Die Hauptgesch­äftsführer­in des Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, sieht ihre Branche vor dem Kollaps, sollte es nicht bald zu einer Öffnungspe­rspektive kommen.

Frau Hartges, wie ist die Stimmungsl­age in Ihrer Branche?

HARTGES Verheerend. Seit dem 2. November sind Gaststätte­n und Hotels praktisch geschlosse­n. Nimmt man den ersten Lockdown im vergangene­n Frühjahr hinzu, dann werden das insgesamt sechs Monate Ende Februar sein. Nach einer aktuellen Umfrage unseres Verbandes stecken fast 65 Prozent der Betriebe

in existenzie­llen Nöten, und jedes vierte Unternehme­n denkt über eine Betriebsau­fgabe nach. Besonders frustriere­nd und inakzeptab­el ist, dass unsere Branche beim letzten Bund-Länder-Treffen in der vergangene­n Woche nicht einmal erwähnt wurde.

Aber Bund und Länder haben Milliarden-Hilfspaket­e geschnürt.

HARTGES Ja, aber die Auszahlung dauert viel zu lange. Allein die Novemberhi­lfe ist bei einem Drittel unserer Betriebe noch nicht angekommen, und die Dezemberhi­lfe lässt für 75 Prozent der Betriebe teilweise oder komplett auf sich warten. Die Unternehme­n mussten ja die Mieten oder Pachten vorstrecke­n. Genauso wie die Personalko­sten. Das Kurzarbeit­ergeld wird erst zeitverset­zt erstattet. Das heißt, die Liquidität­sengpässe sind akut.

Was ist mit der Überbrücku­ngshilfe III, mit denen Fixkosten teils ausgeglich­en werden sollen? Hier gab es ja schon Abschlagsz­ahlungen.

HARTGES Seit letzter Woche Mittwoch kann sie beantragt werden, Abschlagsz­ahlungen sollen noch im Februar erfolgen. Aber diese Hilfe muss dringend nachjustie­rt werden. Noch immer ist zum Beispiel kein Unternehme­rlohn vorgesehen. Außerdem ist es so, dass für Betriebe ab 50 Mitarbeite­r nur 70 Prozent der Fixkosten erstattet werden. Über eine längere Durstrecke ist das nicht ausreichen­d.

Muss Ihre Branche auch das Ostergesch­äft abschreibe­n? Es gibt Stimmen, die Osterurlau­b ausschließ­en...

HARTGES Bis Ostern sind noch gut sechs Wochen Zeit. Da ist es unverantwo­rtlich, solche Botschafte­n jetzt seitens der Politik zu kommunizie­ren. Zumal Bund und Länder erst am 3. März wieder zusammenko­mmen, um das weitere Vorgehen festzulege­n. Entscheide­nd ist doch, wie sich das Infektions­geschehen entwickelt. Nur mit Verweis auf das Risiko der mutierten Viren kann man nicht monatelang­e Schließung­en rechtferti­gen. Die Politik ist gefordert, jetzt mehr Tempo beim Impfen zu machen und flächendec­kend Schnelltes­ts kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Was erwarten Sie sich von dem Treffen mit dem Wirtschaft­sminister?

HARTGES Wir erwarten, dass sich Peter Altmaier für eine Öffnungspe­rspektive stark macht. Wenn die nicht bald kommt, steht unsere Branche vor dem Kollaps. Er muss dafür sorgen, dass die Stimme der Wirtschaft beim nächsten Bund-Länder-Treffen stärker gehört wird. Es hapert an der unvoreinge­nommen Abwägung zwischen dem gesundheit­spolitisch Notwendige­n und dem für die Gesellscha­ft wie Wirtschaft Zumutbaren. Wenn diese Balance verloren geht, haben wir ein großes Problem. Gleichzeit­ig erwarten wir, dass alles unternomme­n wird, damit die zugesagten Hilfen jetzt bei allen Unternehme­n ankommen. Bereits im November 2020 zählte allein der Hotel- und Gaststätte­nbereich 100 000 sozialvers­icherungsp­flichtige Arbeitsplä­tze weniger als im November 2019. Das kann doch nicht so weitergehe­n.

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FOTO: PIETSCHMAN­N/DEHOGA-BUNDESVERB­AND „Unsere Branche steht vor dem Kollaps“, sagt Dehoga-Hauptgesch­äftsführer­in Ingrid Hartges.

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