„Das kann doch nicht so weitergehen“
Die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin erwartet vom Gipfel mit Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) eine klare Perspektive für die Öffnung der Gastronomie.
Die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, sieht ihre Branche vor dem Kollaps, sollte es nicht bald zu einer Öffnungsperspektive kommen.
Frau Hartges, wie ist die Stimmungslage in Ihrer Branche?
HARTGES Verheerend. Seit dem 2. November sind Gaststätten und Hotels praktisch geschlossen. Nimmt man den ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr hinzu, dann werden das insgesamt sechs Monate Ende Februar sein. Nach einer aktuellen Umfrage unseres Verbandes stecken fast 65 Prozent der Betriebe
in existenziellen Nöten, und jedes vierte Unternehmen denkt über eine Betriebsaufgabe nach. Besonders frustrierend und inakzeptabel ist, dass unsere Branche beim letzten Bund-Länder-Treffen in der vergangenen Woche nicht einmal erwähnt wurde.
Aber Bund und Länder haben Milliarden-Hilfspakete geschnürt.
HARTGES Ja, aber die Auszahlung dauert viel zu lange. Allein die Novemberhilfe ist bei einem Drittel unserer Betriebe noch nicht angekommen, und die Dezemberhilfe lässt für 75 Prozent der Betriebe teilweise oder komplett auf sich warten. Die Unternehmen mussten ja die Mieten oder Pachten vorstrecken. Genauso wie die Personalkosten. Das Kurzarbeitergeld wird erst zeitversetzt erstattet. Das heißt, die Liquiditätsengpässe sind akut.
Was ist mit der Überbrückungshilfe III, mit denen Fixkosten teils ausgeglichen werden sollen? Hier gab es ja schon Abschlagszahlungen.
HARTGES Seit letzter Woche Mittwoch kann sie beantragt werden, Abschlagszahlungen sollen noch im Februar erfolgen. Aber diese Hilfe muss dringend nachjustiert werden. Noch immer ist zum Beispiel kein Unternehmerlohn vorgesehen. Außerdem ist es so, dass für Betriebe ab 50 Mitarbeiter nur 70 Prozent der Fixkosten erstattet werden. Über eine längere Durstrecke ist das nicht ausreichend.
Muss Ihre Branche auch das Ostergeschäft abschreiben? Es gibt Stimmen, die Osterurlaub ausschließen...
HARTGES Bis Ostern sind noch gut sechs Wochen Zeit. Da ist es unverantwortlich, solche Botschaften jetzt seitens der Politik zu kommunizieren. Zumal Bund und Länder erst am 3. März wieder zusammenkommen, um das weitere Vorgehen festzulegen. Entscheidend ist doch, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt. Nur mit Verweis auf das Risiko der mutierten Viren kann man nicht monatelange Schließungen rechtfertigen. Die Politik ist gefordert, jetzt mehr Tempo beim Impfen zu machen und flächendeckend Schnelltests kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Was erwarten Sie sich von dem Treffen mit dem Wirtschaftsminister?
HARTGES Wir erwarten, dass sich Peter Altmaier für eine Öffnungsperspektive stark macht. Wenn die nicht bald kommt, steht unsere Branche vor dem Kollaps. Er muss dafür sorgen, dass die Stimme der Wirtschaft beim nächsten Bund-Länder-Treffen stärker gehört wird. Es hapert an der unvoreingenommen Abwägung zwischen dem gesundheitspolitisch Notwendigen und dem für die Gesellschaft wie Wirtschaft Zumutbaren. Wenn diese Balance verloren geht, haben wir ein großes Problem. Gleichzeitig erwarten wir, dass alles unternommen wird, damit die zugesagten Hilfen jetzt bei allen Unternehmen ankommen. Bereits im November 2020 zählte allein der Hotel- und Gaststättenbereich 100 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze weniger als im November 2019. Das kann doch nicht so weitergehen.