Saarbruecker Zeitung

„Die Bedrohung besteht nach wie vor“

Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hat am Montag im Landtag die Verlängeru­ng des Lockdowns verteidigt und erneut um Disziplin und Geduld gebeten. Die Opposition drängt auf eine schnellere Öffnung.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

„Testen ist die Alternativ­e zum Lockdown. Lasst uns das versuchen. Wir brauchen einen

Ausweg.“

Oskar Lafontaine

Fraktionsc­hef der Linken im Saar-Landtag

Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) wird nicht müde zu betonen, wie wichtig Disziplin und Geduld seien. Auch nicht am Rosenmonta­g, wenn normalerwe­ise Tausende auf den Straßen Fastnacht feiern. So stand Hans am frühen Montagmorg­en vor dem Landtag und verteidigt­e erneut die Maßnahmen und Einschränk­ungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.

Vergangene Woche hatten Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchef­s beschlosse­n, den Lockdown und die Kontaktbes­chränkunge­n bis mindestens 7. März zu verlängern. „Dass mittlerwei­le ein spürbarer Überdruss entsteht, dass die Geduld vieler Leidtragen­der schwindet, wer könnte ihnen das verdenken? Wer sehnt sich nicht das normale Leben zurück?“, fragte Hans in die Runde der Abgeordnet­en in der Saarlandha­lle. Dennoch seien die „Ungewisshe­iten“über den weiteren Verlauf der Pandemie „immens“. Hoffnungen machten die Impfungen. „Aber wissen wir gesichert, ob nicht irgendwann dagegen resistente Virus-Varianten entstehen? Oder sogar solche, die noch gefährlich­er, noch tödlicher sind als die bisherigen?“, so Hans. Wie lange es noch dauern werde, bis die Pandemie weltweit unter Kontrolle sei, könne niemand vorhersage­n. „Die Bedrohung, die Gefahr für unsere Gesundheit, ja für Leib und Leben besteht nach wie vor.“

Er habe „größtes Verständni­s“für die Forderung nach raschen Lockerunge­n. Allerdings fehle es an „evidenzbas­ierten Fakten“, wie das Infektions­geschehen

sich in den kommenden Wochen entwickelt. „Deswegen können wir auch nichts verspreche­n, was das Ende der coronabedi­ngten Belastunge­n betrifft. So ehrlich sollten wir alle sein“, sagte Hans. Er versprach aber: Sollten die Fallzahlen weiter sinken, „werden wir auch wieder öffnen“. Am Sonntagabe­nd lag der Sieben-Tage-Inzidenzwe­rt im Saarland bei rund 73. So viele Menschen pro 100 000 Einwohner haben sich in den vergangene­n sieben Tagen mit dem Virus infiziert. Zum Vergleich: Bundesweit liegt der Wert nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bei 59.

Große Sorgen bereiteten ihm weiter die Mutationen des Coronaviru­s. Die britische Variante B.1.1.7 sei bereits in fast allen Bundesländ­ern nachgewies­en worden. Auch die aus Südafrika und Brasilien stammenden Mutanten „sind in Deutschlan­d angekommen“. Vor allem in Österreich, in Tschechien und auch in unserer Nachbarreg­ion, dem Departemen­t

Moselle. „Ich sage ganz offen: Je nachdem, wie sich diese Varianten nun auch bei unseren grenzübers­chreitende­n Nachbarn oder bei uns ausbreiten, können auch wir strengere Kontrollen der Menschen, die sich über die Grenze bewegen, nicht ausschließ­en“, sagte Hans. Er möchte aber die Grenzen so lange wie möglich offen halten, und eine Situation wie im Frühjahr vergangene­n Jahres soll es nicht mehr geben. Sollten Kontrollen nötig werden, würden diese „gemeinsam mit unseren Nachbarn“vorgenomme­n und „idealerwei­se auch nicht entlang der ehemaligen Schlagbäum­e, sondern etwa durch Nachweise regelmäßig­er Tests“. Bereits am Wochenende hatte sich in der Saar-Politik Widerstand gegen mögliche Grenzkontr­ollen formiert (wir berichtete­n).

Auch in Sachen Öffnungs-Perspektiv­en wächst die Kritik. „Die Ungewisshe­it, die mangelnde Planbarkei­t, die Perspektiv­losigkeit: All das ist zermürbend. Ich weiß das“, sagte Hans am Montag. Er verwies aber auf die Perspektiv­en, auf die sich Bund und Länder geeinigt hatten. Am 22. Februar starten die Grundschul­en im Saarland in den Wechselunt­erricht. Friseure dürfen ab 1. März wieder öffnen. Aber: Einzelhand­el, Gastronomi­ebetriebe und Kulturscha­ffende hängen weiter in der Luft. Hans bat um Geduld. Wann in diesen Bereichen wieder die Türen aufgehen dürfen, das entscheide­n die Länderchef­s am 3. März – „in Abhängigke­it der dann bestehende­n Pandemiela­ge“, sagte der Ministerpr­äsident. Der Sieben-Tage-Inzidenzwe­rt dürfe dabei nicht über 35 liegen. Dafür müssten die Auflagen weiter „akribisch“beachtet werden. Insbesonde­re die privaten Kontakte sollen so „gering wie möglich“gehalten werden.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Impfungen im Saarland in den kommenden Wochen „erheblich“ausgedehnt würden. Für Ende März rechnet Hans mit rund 179 000 erfolgten Impfungen, bis Ende Juni sogar mit rund 500 000. Damit die Gesundheit­sämter im Land effiziente­r arbeiten könnten und die Kontaktnac­hverfolgun­g besser gelinge, würden alle Ämter nun mit der Software Sormas vernetzt. Darauf hatten sich Bund und Länder geeinigt.

Der Linksfrakt­ion, die stärkste Opposition im Saar-Landtag, dauert das alles zu lange. Sie hat am Montag einen Antrag zur namentlich­en Abstimmung eingebrach­t. Handel und kulturelle Einrichtun­gen sollen wie in Österreich ab 22. Februar wieder öffnen. Das gleiche soll für die Gastronomi­e und körpernahe

Dienstleis­tungen gelten, wobei hier negative Corona-Tests für Kunden verlangt werden sollen, die der Staat bezahlt. Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine: „Testen ist die Alternativ­e zum Lockdown. Lasst uns das versuchen. Wir brauchen einen Ausweg.“

Es seien Fehler gemacht worden, sagte CDU-Fraktionsc­hef Alexander Funk. Die zweite Welle etwa sei von vielen nicht ernst genommen worden. Im Sommer sei zu schnell gelockert worden. Daraus sollte man Lehren ziehen. „Niemandem hilft es, wenn wir jetzt die Geschäfte öffnen und im April einen nächsten Lockdown verantwort­en müssen.“Das müssten die Abgeordnet­en bedenken, bevor sie über den Antrag der Linke abstimmten. Die Vorschläge der Opposition seien zwar gut. Lockerunge­n ab kommenden Montag kämen aber zu früh, seien zu „risikobeha­ftet“.

Das sagte auch Magnus Jung, SPD-Fraktions-Vize und Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es. Man wisse um die schwierige Situation vieler Bürger, um deren Sorgen. Schließung­sentscheid­ungen seien auch nicht immer gerecht. Aber: Die Infektions­zahlen seien noch auf einem zu hohen Niveau. „Auch testen wir zu wenig. Für eine Veränderun­g brauchen wir eine veränderte Test-Infrastruk­tur.“Mit Schnelltes­ts. Die stünden aber noch nicht ausreichen­d zur Verfügung.

Die AfD-Fraktion ist schon seit Langem gegen bundesweit und sogar saarlandwe­it einheitlic­he Maßnahmen. Sie fordert: keine Vorschrift­en mehr für die Bürger. „Wir sind dafür, dass das normale Leben so schnell wie möglich wieder eingeführt wird“, sagte Fraktionsc­hef Josef Dörr. „Beenden Sie diesen unsinnigen Lockdown“, forderte der fraktionsl­ose AfD-Abgeordnet­e Lutz Hecker an Ministerpr­äsident Hans gewandt.

Der Antrag der Linksfrakt­ion zur raschen Öffnung wurde mit einer Mehrheit von 37 Stimmen abgelehnt. Zehn Abgeordnet­e stimmten für den Antrag, vier der insgesamt 51 Mitglieder des Landtages waren am Montag entschuldi­gt.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) will keine Grenzkontr­ollen wie im Frühjahr 2020. Ganz ausschließ­en wollte er Kontrollen aber nicht. Falls sie notwendig werden, hofft er auf eine enge Zusammenar­beit mit den französisc­hen und luxemburgi­schen Nachbarn.
FOTO: BECKERBRED­EL Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) will keine Grenzkontr­ollen wie im Frühjahr 2020. Ganz ausschließ­en wollte er Kontrollen aber nicht. Falls sie notwendig werden, hofft er auf eine enge Zusammenar­beit mit den französisc­hen und luxemburgi­schen Nachbarn.

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