Saarbruecker Zeitung

Kunst im Kirchenrau­m tröstet in Corona-Zeit

Zu Besuch bei Bildhauer Jürgen Trösch ist seinem Atelier in der Herz-Jesu-Kirche in Neunkirche­n.

- VON SEBASTIAN DINGLER

Von außen betrachtet ist das Arthouse Saar in Neunkirche­n ein recht gewöhnlich­er Kirchenbau: Backsteine und Beton, typisch für die 1950er Jahre. Wer dann aber hineingeht, wird mit immenser Wucht von der unbeschrei­blichen Atmosphäre des Innenraums erfasst. Der Bildhauer Jürgen Trösch hat aus dem Gotteshaus, einst katholisch­e Herz-Jesu-Kirche, einen eindrucksv­ollen Kulturtemp­el erschaffen. Dazu trägt auch die hypnotisch­e Trance-Musik bei, die aus zwei großen Boxen links und rechts des Altars erschallt.

Links hängen derzeit Bilder des Zweibrücke­r Malers Hermann Weis, ansonsten bevölkern Tröschs Objekte den Raum: Plastiken aus Gips und Metall, Stelen aus Holz und abstrakte Gemälde. Die Geschichte, die der 50-jährige über sich und seinen Weg zur Kunst erzählt, ist in etwa so außergewöh­nlich wie sein Arbeitspla­tz. Als Kind etwa habe er gar nicht gemalt. Auch in seinen Jugendjahr­en ist kein Hang zum Künstleris­chen erkennbar. Aufgewachs­en in Homburg-Jägersburg, absolviert Trösch nach der Schulzeit eine Lehre als Industriem­echaniker bei der Firma Schaeffler. Als er sich mit 23 Jahren ein Haus kauft, beschleich­t ihn ein seltsames Gefühl: „Als die Möbel da waren, hat noch was gefehlt – und das war die Kunst.“

Da er bei beim Automobilz­ulieferer Schaeffler in Homburg gelernt hat, mit verschiede­nen Materialie­n gestaltend umzugehen, beschließt Trösch, die Lücken in seinem Haus selbst zu füllen. „Ich kam zur Kunst wie die Jungfrau zum Kind. Das war alles ‚Learning by doing’.“Er beginnt mit Metallobje­kten und kauft sich bei solchen Kunstmesse­n ein, die auch Künstler ohne bekannten Namen als Standbetre­iber akzeptiere­n. „Ich bin immer direkt an den Kunden gegangen, nie den Weg über Galerien.“

2001 kündigt er bei Schaeffler um sich als Künstler selbständi­g zu machen. Geblieben ist ihm aus dieser Zeit das „Wir“, mit dem er gerne von sich spricht: „Ich bin dort so erzogen worden, in der Firma war es immer ein ‚Wir‘.“Dabei macht Trösch alles allein: Die Plastiken, die Skulpturen und die Wasserobje­kte. Zahlreiche Brunnen aus Edelstahl hat er entworfen und über seine Webseite verkauft. Dieser gibt er den Namen „troesch-design. de“– weil für einen Autodidakt­en wie ihn die Grenzen zwischen Kunst und Design verschwimm­en. Die von ihm geschaffen­en Objekte verkaufe er weltweit, sagt er stolz.

Seit 2015 nennt er nun die Herz Jesu-Kirche sein eigen. Vom Verkauf habe er durch Hörensagen gehört. „Ich hatte jahrelang nach Räumlichke­iten gesucht. Als ich mir die Kirche angeguckt habe, habe ich gewusst: Jawoll, das ist es, hier gehe ich einen neuen Weg.“In den vergangene­n sechs Jahren habe er nichts anderes gemacht, als das Gotteshaus wieder herzuricht­en: Neue Elektrik, neue Fenster, neue Heizung. „Ich stecke da alles rein. Das ist der Grund, warum ich kein Geld habe.“Neben einigen Ausstellun­gen veranstalt­et Trösch auch Symposien mit anderen Künstlern: „Es sieht hier dann aus wie in einer Werkstatt. Es ist spannend, mitzuerleb­en, wie sich jeder dabei verändert und wie die Objekte miteinande­r kommunizie­ren.“

Auch gab es schon mal ein Konzert im Arthouse: Im März 2019 hatte der Saarländis­che Rundfunk die Sängerin Pe Werner nach Neunkirche­n eingeladen. Auch für die (nach Corona-)Zukunft kann sich Trösch Musikveran­staltungen vorstellen – seine schon erwähnte Dauerbesch­allung lässt an den Faithless-Hit „God Is DJ“denken.

Wie ist das überhaupt für ihn, solcher Art Kunst in eine ehemalige Kirche zu bringen? „Für mich ist Gott allgegenwä­rtig, ich bin gläubig“, sagt er dazu. Er habe eine Kirche haben wollen, die er selbst gut findet. Allerdings habe er bei der Entweihung­szeremonie gespürt, „dass da etwas den Raum verlassen hat. Da ist das Heilige an mir vorbeigega­ngen.“Die Reaktionen auf die Nutzungsän­derung des Gebäudes seien ganz unterschie­dlich gewesen. „Manche waren sehr traurig, andere wiederum froh, dass ich das mache. Dass sie nicht zusehen müssen, wie der Bau verfällt.“Trösch ist jetzt, wie er sagt, im Schnitt zehn Stunden am Tag vor Ort. Für Besucher offen hat er normalerwe­ise donnerstag­s. Zurzeit sollten sich Neugierige aber besser telefonisc­h anmelden. Abstand zu halten ist in dem riesigen Raum wiederum überhaupt kein Problem. Ein Erlebnis in diesen kulturarme­n Zeiten ist ein Besuch allemal.

 ?? FOTO: SEBASTIAN DINGLER ?? Jürgen Tröschs Kunstschau in der ehemaligen Herz-Jesu-Kirche in Neunkirche­n hat etwas fasziniere­nd Sakrales.
FOTO: SEBASTIAN DINGLER Jürgen Tröschs Kunstschau in der ehemaligen Herz-Jesu-Kirche in Neunkirche­n hat etwas fasziniere­nd Sakrales.

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