Kunst im Kirchenraum tröstet in Corona-Zeit
Zu Besuch bei Bildhauer Jürgen Trösch ist seinem Atelier in der Herz-Jesu-Kirche in Neunkirchen.
Von außen betrachtet ist das Arthouse Saar in Neunkirchen ein recht gewöhnlicher Kirchenbau: Backsteine und Beton, typisch für die 1950er Jahre. Wer dann aber hineingeht, wird mit immenser Wucht von der unbeschreiblichen Atmosphäre des Innenraums erfasst. Der Bildhauer Jürgen Trösch hat aus dem Gotteshaus, einst katholische Herz-Jesu-Kirche, einen eindrucksvollen Kulturtempel erschaffen. Dazu trägt auch die hypnotische Trance-Musik bei, die aus zwei großen Boxen links und rechts des Altars erschallt.
Links hängen derzeit Bilder des Zweibrücker Malers Hermann Weis, ansonsten bevölkern Tröschs Objekte den Raum: Plastiken aus Gips und Metall, Stelen aus Holz und abstrakte Gemälde. Die Geschichte, die der 50-jährige über sich und seinen Weg zur Kunst erzählt, ist in etwa so außergewöhnlich wie sein Arbeitsplatz. Als Kind etwa habe er gar nicht gemalt. Auch in seinen Jugendjahren ist kein Hang zum Künstlerischen erkennbar. Aufgewachsen in Homburg-Jägersburg, absolviert Trösch nach der Schulzeit eine Lehre als Industriemechaniker bei der Firma Schaeffler. Als er sich mit 23 Jahren ein Haus kauft, beschleicht ihn ein seltsames Gefühl: „Als die Möbel da waren, hat noch was gefehlt – und das war die Kunst.“
Da er bei beim Automobilzulieferer Schaeffler in Homburg gelernt hat, mit verschiedenen Materialien gestaltend umzugehen, beschließt Trösch, die Lücken in seinem Haus selbst zu füllen. „Ich kam zur Kunst wie die Jungfrau zum Kind. Das war alles ‚Learning by doing’.“Er beginnt mit Metallobjekten und kauft sich bei solchen Kunstmessen ein, die auch Künstler ohne bekannten Namen als Standbetreiber akzeptieren. „Ich bin immer direkt an den Kunden gegangen, nie den Weg über Galerien.“
2001 kündigt er bei Schaeffler um sich als Künstler selbständig zu machen. Geblieben ist ihm aus dieser Zeit das „Wir“, mit dem er gerne von sich spricht: „Ich bin dort so erzogen worden, in der Firma war es immer ein ‚Wir‘.“Dabei macht Trösch alles allein: Die Plastiken, die Skulpturen und die Wasserobjekte. Zahlreiche Brunnen aus Edelstahl hat er entworfen und über seine Webseite verkauft. Dieser gibt er den Namen „troesch-design. de“– weil für einen Autodidakten wie ihn die Grenzen zwischen Kunst und Design verschwimmen. Die von ihm geschaffenen Objekte verkaufe er weltweit, sagt er stolz.
Seit 2015 nennt er nun die Herz Jesu-Kirche sein eigen. Vom Verkauf habe er durch Hörensagen gehört. „Ich hatte jahrelang nach Räumlichkeiten gesucht. Als ich mir die Kirche angeguckt habe, habe ich gewusst: Jawoll, das ist es, hier gehe ich einen neuen Weg.“In den vergangenen sechs Jahren habe er nichts anderes gemacht, als das Gotteshaus wieder herzurichten: Neue Elektrik, neue Fenster, neue Heizung. „Ich stecke da alles rein. Das ist der Grund, warum ich kein Geld habe.“Neben einigen Ausstellungen veranstaltet Trösch auch Symposien mit anderen Künstlern: „Es sieht hier dann aus wie in einer Werkstatt. Es ist spannend, mitzuerleben, wie sich jeder dabei verändert und wie die Objekte miteinander kommunizieren.“
Auch gab es schon mal ein Konzert im Arthouse: Im März 2019 hatte der Saarländische Rundfunk die Sängerin Pe Werner nach Neunkirchen eingeladen. Auch für die (nach Corona-)Zukunft kann sich Trösch Musikveranstaltungen vorstellen – seine schon erwähnte Dauerbeschallung lässt an den Faithless-Hit „God Is DJ“denken.
Wie ist das überhaupt für ihn, solcher Art Kunst in eine ehemalige Kirche zu bringen? „Für mich ist Gott allgegenwärtig, ich bin gläubig“, sagt er dazu. Er habe eine Kirche haben wollen, die er selbst gut findet. Allerdings habe er bei der Entweihungszeremonie gespürt, „dass da etwas den Raum verlassen hat. Da ist das Heilige an mir vorbeigegangen.“Die Reaktionen auf die Nutzungsänderung des Gebäudes seien ganz unterschiedlich gewesen. „Manche waren sehr traurig, andere wiederum froh, dass ich das mache. Dass sie nicht zusehen müssen, wie der Bau verfällt.“Trösch ist jetzt, wie er sagt, im Schnitt zehn Stunden am Tag vor Ort. Für Besucher offen hat er normalerweise donnerstags. Zurzeit sollten sich Neugierige aber besser telefonisch anmelden. Abstand zu halten ist in dem riesigen Raum wiederum überhaupt kein Problem. Ein Erlebnis in diesen kulturarmen Zeiten ist ein Besuch allemal.