Markus Söder allein zu Haus
Ernste Lage, ernste Reden: Die Kundgebungen der Parteien in diesem Jahr waren virtuell – und klangen absolut nicht lustig.
waren echt, aber sonst war auch für CSUChef Markus Söder bei diesem politischen Aschermittwoch alles anders. Immerhin schauten 25 000 Zuschauer auf den CSU-Kanälen dem virtuellen Politschauspiel zu. Söder war derweil oft Zielscheibe der Aschermittwochstreffen der anderen Parteien. Auch im Saarland wurde die politische Tradition Corona-gerecht gepflegt.
„Österreich (...) ist bei den Schnelltests, bei der Zulassung
von Selbsttests besser als die Bundesrepublik Deutschland.“
FDP-Chef Christian Lindner
„Olaf Scholz hat eher die Begabung, Blutdruck zu senken, als ihn steigen zu lassen.“CSU-Chef Markus Söder über die Fähigkeit von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz
als „Stimmungskanone“
„Ich weiß ja, in Bayern ist vieles größer, aber dass die Steinschleudern ein solches Ausmaß
haben, das hätte sicher niemand gedacht.“Olaf Scholz über Söder, der das „Bazooka“
genannte Konjunkturprogramm als „Steinschleuder ohne Stein“kritisiert
Ein politischer Aschermittwoch in Corona-Zeiten, also ohne dampfende Halle, Bierkrüge, Johlen und Schenkelklopfen? Es gab zwei Möglichkeiten, sich dieser Herausforderung zu nähern: Die CSU, Erfinderin der Veranstaltung, die zum 102. Mal stattfand, versuchte es mit einer fast perfekten digitalen Imitation – und scheiterte dennoch. Die anderen Parteien ließen den Versuch einer Nachahmung gleich bleiben. Es wurde der seltsamste Aschermittwoch aller Zeiten. Und der ernsteste.
Die CSU ließ nichts aus, um halbwegs echte Bierzeltatmosphäre herzustellen. Viele Mitglieder hatten Care-Pakete der Zentrale zugeschickt bekommen mit wichtigen Utensilien wie Fähnchen, Ratsche, Seidel und Weißbier. So saßen sie zu Hause erwartungsfroh vor ihren Laptops, die Frauen oft im Dirndl, Männer im Jancker und wurden auf einen großen Splitscreen in die Passauer Dreiländerhalle geschaltet, wo die Veranstaltung wie immer stattfand. Wirklich lustig war die Dekoration. Parteichef Markus Söder saß bei seinem Vortrag an einem rustikalen Holztisch in einem nachgebauten bayerischen Wohnzimmer, neben sich den landestypischen Kachelofen mit FranzJosef-Strauß-Büste oben drauf. Das war unverkennbar eine Anspielung auf die Grünen, deren beide Vorsitzende Robert Habeck und Annalena Baerbock ihren letzten virtuellen Parteitag ebenfalls aus einem Wohnzimmer heraus bestritten hatten.
Die Gute-Laune-Stimmung, die die CSU zu erzeugen versuchte, blieb jedoch im virtuellen Nirwana hängen. Das merkte man, als Markus Söder wie immer unter den Klängen des bayerischen Defiliermarsches in die Halle einzog. Sonst dauert das gut und gerne 20 Minuten. Diesmal wirkte der CSU-Mann reichlich verloren zwischen den Papp-Kameraden, die als Publikum aufgestellt waren und vor denen er sich sogar einmal kurz verbeugte. Deplatziert wirkte auch, dass die Regie während Söders Rede virtuell den Delegierten Andreas Spreng durchs Bild laufen ließ, der sein Schild „Markus wir brauchen dich“hoch hielt. Das war in den letzten Jahren eine Art Running Gag der Aschermittwochskundgebungen gewesen, doch heuer waren Gags eher nicht angesagt. Denn Söder hielt eine sehr ernste, phasenweise beeindruckende Ansprache über Corona. Über den Ernst der Krise, über die Notwendigkeit der Maßnahmen, über die schweren Folgen. Klamauk kam nur in einer kurzen Sequenz am
Ende vor, als sich Söder dann doch noch mit den politischen Mitbewerbern auseinandersetzte. Vor allem mit der SPD, die er mit Schalke 04 verglich: „Großer Name, große Geschichte, aber echt schlechtes Spiel.“Keine Lacher, Schenkelklopfen funktioniert digital halt nicht.
Die Grünen sendeten aus dem Haus der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. „Aus unserem Ein-Familien-Haus“, wie Robert Habeck in selbstironischer Anspielung auf die umstrittene Haltung der Grünen zum trauten Heim bemerkte. Seine Co-Vorsitzende, Annalena Baerbock, hielt eine typische Partei-Vorsitzenden-Rede, die mit den Hanauer Morden begann, die Herausforderungen des Klimaschutzes betonte und auf die anstehenden Wahlkämpfe einschwor. Ganz ähnlich machte es Olaf Scholz, der für seinen Auftritt extra in den Wolferstetter Keller nach Vilshofen gefahren war, traditionelle Heimstatt der Aschermittwochs-Kundgebungen der bayerischen SPD. Dort fand der sozialdemokratische Kanzlerkandidat allerdings außer der Landeschefin
Natascha Kohnen und dem örtlichen Bürgermeister Florian Gams niemanden vor. Immerhin, man hatte aus Holzpaletten und einem Bierfass so etwas wie eine bayerisch-rustikale Umgebung gebaut, in der ein wenig getalkt wurde. Auch Scholz’ Rede dürfte eine kleine Generalprobe für den kommenden Wahlkampf gewesen sein: Vier „Zukunftsmissionen“präsentierte der Sozialdemokrat, von E-Mobilität bis Bildung. Scholz: „Wir haben den Plan.“
Die optische Übersicht über die Dächer von München wählte FDPChef
Christian Lindner als Hintergrund seiner Aschermittwochs-Rede. Er verkniff sich keine Seitenhiebe und warf dem CDU-Chef „wahlkampfbedingten politischen Verfolgungswahn“vor. Lindner verlangte, die nächste Ministerpräsidentenkonferenz vorzuverlegen, um auch einen Öffnungsplan vorzuziehen. Lindner kritisierte den Wirtschaftsgipfel von Minister Peter Altmaier als bloße Beschwichtigung und lud Grüne und FDP ironisch dazu ein, auch wieder richtige Oppositionspolitik zu machen.