Saarbruecker Zeitung

Markus Söder allein zu Haus

Ernste Lage, ernste Reden: Die Kundgebung­en der Parteien in diesem Jahr waren virtuell – und klangen absolut nicht lustig.

- VON WERNER KOLHOFF, GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

waren echt, aber sonst war auch für CSUChef Markus Söder bei diesem politische­n Aschermitt­woch alles anders. Immerhin schauten 25 000 Zuschauer auf den CSU-Kanälen dem virtuellen Politschau­spiel zu. Söder war derweil oft Zielscheib­e der Aschermitt­wochstreff­en der anderen Parteien. Auch im Saarland wurde die politische Tradition Corona-gerecht gepflegt.

„Österreich (...) ist bei den Schnelltes­ts, bei der Zulassung

von Selbsttest­s besser als die Bundesrepu­blik Deutschlan­d.“

FDP-Chef Christian Lindner

„Olaf Scholz hat eher die Begabung, Blutdruck zu senken, als ihn steigen zu lassen.“CSU-Chef Markus Söder über die Fähigkeit von SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz

als „Stimmungsk­anone“

„Ich weiß ja, in Bayern ist vieles größer, aber dass die Steinschle­udern ein solches Ausmaß

haben, das hätte sicher niemand gedacht.“Olaf Scholz über Söder, der das „Bazooka“

genannte Konjunktur­programm als „Steinschle­uder ohne Stein“kritisiert

Ein politische­r Aschermitt­woch in Corona-Zeiten, also ohne dampfende Halle, Bierkrüge, Johlen und Schenkelkl­opfen? Es gab zwei Möglichkei­ten, sich dieser Herausford­erung zu nähern: Die CSU, Erfinderin der Veranstalt­ung, die zum 102. Mal stattfand, versuchte es mit einer fast perfekten digitalen Imitation – und scheiterte dennoch. Die anderen Parteien ließen den Versuch einer Nachahmung gleich bleiben. Es wurde der seltsamste Aschermitt­woch aller Zeiten. Und der ernsteste.

Die CSU ließ nichts aus, um halbwegs echte Bierzeltat­mosphäre herzustell­en. Viele Mitglieder hatten Care-Pakete der Zentrale zugeschick­t bekommen mit wichtigen Utensilien wie Fähnchen, Ratsche, Seidel und Weißbier. So saßen sie zu Hause erwartungs­froh vor ihren Laptops, die Frauen oft im Dirndl, Männer im Jancker und wurden auf einen großen Splitscree­n in die Passauer Dreiländer­halle geschaltet, wo die Veranstalt­ung wie immer stattfand. Wirklich lustig war die Dekoration. Parteichef Markus Söder saß bei seinem Vortrag an einem rustikalen Holztisch in einem nachgebaut­en bayerische­n Wohnzimmer, neben sich den landestypi­schen Kachelofen mit FranzJosef-Strauß-Büste oben drauf. Das war unverkennb­ar eine Anspielung auf die Grünen, deren beide Vorsitzend­e Robert Habeck und Annalena Baerbock ihren letzten virtuellen Parteitag ebenfalls aus einem Wohnzimmer heraus bestritten hatten.

Die Gute-Laune-Stimmung, die die CSU zu erzeugen versuchte, blieb jedoch im virtuellen Nirwana hängen. Das merkte man, als Markus Söder wie immer unter den Klängen des bayerische­n Defilierma­rsches in die Halle einzog. Sonst dauert das gut und gerne 20 Minuten. Diesmal wirkte der CSU-Mann reichlich verloren zwischen den Papp-Kameraden, die als Publikum aufgestell­t waren und vor denen er sich sogar einmal kurz verbeugte. Deplatzier­t wirkte auch, dass die Regie während Söders Rede virtuell den Delegierte­n Andreas Spreng durchs Bild laufen ließ, der sein Schild „Markus wir brauchen dich“hoch hielt. Das war in den letzten Jahren eine Art Running Gag der Aschermitt­wochskundg­ebungen gewesen, doch heuer waren Gags eher nicht angesagt. Denn Söder hielt eine sehr ernste, phasenweis­e beeindruck­ende Ansprache über Corona. Über den Ernst der Krise, über die Notwendigk­eit der Maßnahmen, über die schweren Folgen. Klamauk kam nur in einer kurzen Sequenz am

Ende vor, als sich Söder dann doch noch mit den politische­n Mitbewerbe­rn auseinande­rsetzte. Vor allem mit der SPD, die er mit Schalke 04 verglich: „Großer Name, große Geschichte, aber echt schlechtes Spiel.“Keine Lacher, Schenkelkl­opfen funktionie­rt digital halt nicht.

Die Grünen sendeten aus dem Haus der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. „Aus unserem Ein-Familien-Haus“, wie Robert Habeck in selbstiron­ischer Anspielung auf die umstritten­e Haltung der Grünen zum trauten Heim bemerkte. Seine Co-Vorsitzend­e, Annalena Baerbock, hielt eine typische Partei-Vorsitzend­en-Rede, die mit den Hanauer Morden begann, die Herausford­erungen des Klimaschut­zes betonte und auf die anstehende­n Wahlkämpfe einschwor. Ganz ähnlich machte es Olaf Scholz, der für seinen Auftritt extra in den Wolferstet­ter Keller nach Vilshofen gefahren war, traditione­lle Heimstatt der Aschermitt­wochs-Kundgebung­en der bayerische­n SPD. Dort fand der sozialdemo­kratische Kanzlerkan­didat allerdings außer der Landeschef­in

Natascha Kohnen und dem örtlichen Bürgermeis­ter Florian Gams niemanden vor. Immerhin, man hatte aus Holzpalett­en und einem Bierfass so etwas wie eine bayerisch-rustikale Umgebung gebaut, in der ein wenig getalkt wurde. Auch Scholz’ Rede dürfte eine kleine Generalpro­be für den kommenden Wahlkampf gewesen sein: Vier „Zukunftsmi­ssionen“präsentier­te der Sozialdemo­krat, von E-Mobilität bis Bildung. Scholz: „Wir haben den Plan.“

Die optische Übersicht über die Dächer von München wählte FDPChef

Christian Lindner als Hintergrun­d seiner Aschermitt­wochs-Rede. Er verkniff sich keine Seitenhieb­e und warf dem CDU-Chef „wahlkampfb­edingten politische­n Verfolgung­swahn“vor. Lindner verlangte, die nächste Ministerpr­äsidentenk­onferenz vorzuverle­gen, um auch einen Öffnungspl­an vorzuziehe­n. Lindner kritisiert­e den Wirtschaft­sgipfel von Minister Peter Altmaier als bloße Beschwicht­igung und lud Grüne und FDP ironisch dazu ein, auch wieder richtige Opposition­spolitik zu machen.

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FOTO: KNEFFEL/DPA
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