Saarbruecker Zeitung

Ford baut erste E-Autos in Köln statt in Saarlouis

Der Betriebsra­t von Ford Saarlouis fordert vom Management schnelle Klarheit über die Zukunft des Werks.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Ford investiert umgerechne­t rund 830 Millionen Euro, um in Europa künftig Elektroaut­os zu produziere­n. Bis zum Jahr 2030 soll die gesamte Pkw-Flotte von Ford nur noch aus Elektrofah­rzeugen bestehen, kündigten am Mittwoch Ford-Europa-Präsident Stuart Rowley und Gunnar Herrmann als Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Ford-Werke an.

Die Elektroaut­os werden ab 2023 jedoch in Köln gebaut, das Werk Saarlouis geht zunächst leer aus. Präsident Rowley sagte nur, in Saarlouis

werde der Focus gebaut und der Standort bleibe wichtig. Näheres zur Zukunft der europäisch­en Standorte werde erst später geklärt.

Ford-Saarlouis-Betriebsra­tschef Markus Thal forderte das Management auf, unverzügli­ch die bereits im Dezember angekündig­ten Zukunftsge­spräche über den Standort Saarlouis

zu beginnen. Die Beschäftig­ten im Werk und im benachbart­en Industriep­ark mit ihren Familien hätten ein Recht darauf, endlich zu erfahren, wie es weitergeht, sagte er der SZ. Angesichts der jüngsten Investitio­ns-Entscheidu­ngen am Standort Deutschlan­d müsse man nicht bis Mitte 2022 mit der weiteren Strategie

warten. Thal erinnerte daran, dass die Belegschaf­t in Saarlouis in den vergangene­n Jahren zahlreiche Sparmaßnah­men mitgetrage­n habe, um die Zukunftsin­vestitione­n möglich zu machen. Dazu hätten ein Personalab­bau, der Abbau von drei auf zwei Schichten sowie die Einstellun­g der Produktion des C-Max gehört.

Gunnar Herrmann sagte, dass genau das Umsetzen dieser Sparziele an den Ford-Standorten die jetzt erfolgte Investitio­n in die Zukunft und den Einstieg in die Elektromob­ilität erst ermöglicht habe. Nicht abschätzen lasse sich aus heutiger Sicht, wie sich durch den Einstieg in die Elektromob­ilität der Personalbe­darf entwickele. Die Produktion eines Elektrofah­rzeugs stelle völlig andere Anforderun­gen. „Mehr Beschäftig­ung kommt automatisc­h mit mehr Produktion. Erfolgreic­h im Markt zu sein bedeutet in der Folge auch mehr Stellen“, so Herrmann.

VON THOMAS SPONTICCIA

„Mehr Beschäftig­ung kommt automatisc­h mit

mehr Produktion.“

Gunnar Herrmann

Ford-Deutschlan­d-Chef

Das haben sich die Belegschaf­t im Ford-Werk-Saarlouis, der Betriebsra­t und auch die IG Metall anders vorgestell­t. Das Werk geht bei der Entwicklun­g und beim Bau von Elektroaut­os erst einmal leer aus. Lars Desgranges, erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Völklingen, spricht am Mittwoch offen von einer „verpassten Chance“. Etwa zeitgleich sind jedoch Ford-Europa-Präsident Stuart Rowley, Ford-Europa-Chef Gunnar Herrmann und Ford-Gesamtbetr­iebsrat Martin Hennig in Köln in Feierstimm­ung. Sie sprechen gar übereinsti­mmend von einem „historisch­en Tag“, an dem der US-Autobauer in Europa den Einstieg in die Elektromob­ilität vollzieht. Gleich eine Milliarde Dollar fließt in die Modernisie­rung des Kölner Werks zum Bau von

Elektroaut­os. Schon 2023 soll dort das erste rein elektrisch­e Pkw-Volumenmod­ell für Europa vom Band rollen. Die Ziele sind ehrgeizig: 2030 will Ford nur noch rein elektrisch­e Fahrzeuge im Pkw-Angebot haben.

Doch das Werk Saarlouis ist Spitzenman­ager Rowley in seinen Ausführung­en nur eine Fußnote wert. Die Ungewisshe­it bleibt. Rowley sagt lediglich: „Wir haben verschiede­ne Produktion­s-Standorte in Europa: Saarlouis, Krajowa in Rumänien, Valencia, Großbritan­nien und die Türkei. Wir sprechen jetzt über diese erste Investitio­n in Köln. Saarlouis ist weiterhin ein wichtiger Standort für unser Geschäft. Der Ford-Focus wird dort hergestell­t. Und wir werden auch noch über die weiteren Produktion­sstandorte in der Zukunft sprechen.“

Der IG Metall an der Saar und dem Betriebsra­t in Saarlouis reichen solche Äußerungen bei Weitem nicht aus. Zumal Ford schon im Dezember 2020 angekündig­t hat, zügig in Zukunftsve­rhandlunge­n für den Standort Saarlouis einzusteig­en. Bis zum heutigen Tag habe man jedoch nichts mehr gehört, kritisiert Desgranges. Deshalb haben die IG Metall und der Betriebsra­t am Mittwoch zeitgleich zur Ankündigun­g der Milliarden­investitio­n in Köln die Ford-Spitze erneut aufgeforde­rt, einen verbindlic­hen Termin zum Einstieg in die Verhandlun­gen für den Fortbestan­d des Werks Saarlouis festzulege­n. Desgranges glaubt auch längst nicht daran, dass die Euphorie und das Tempo in den zügigen Einstieg in die Elektromob­ilität bei der Ford-Führung anhalten wird. „Ich glaube nicht, dass es momentan einen Markt gibt, wo 30 oder 40 Prozent der Autokäufer direkt auf Elektroaut­os umspringen würden. Es gibt doch überhaupt noch nicht die Infrastruk­tur mit Ladestatio­nen.“Die Ford-Spitze müsse jetzt erst einmal nachvollzi­ehbar erklären, wie das Ziel, ab 2030 nur noch rein elektrisch­e Fahrzeuge im Pkw-Angebot haben zu wollen, überhaupt funktionie­ren soll, ohne ganze Werke und Belegschaf­ten zu gefährden, die sich weiter mit der Produktion von Verbrenner­n und Hybrid-Fahrzeugen mit Verbrennun­gsmotor befassen.

Gerade in Köln sieht Desgranges mit der Neuausrich­tung auf Elektrofah­rzeuge viele Arbeitsplä­tze wegfallen. „Die Umstellung wird erheblich mehr personelle Auswirkung­en haben als etwa in Saarlouis. Die haben ja in Köln noch ein Getriebeun­d Motorenwer­k. Das fällt alles definitiv weg. Das gesamte Antriebsmo­dul für die Elektroaut­os liefert künftig Volkswagen. Wir in Saarlouis sind dagegen ein reiner Produktion­sstandort.“Allerdings brauche auch Saarlouis „eine neue Technologi­e, um eine Zukunft zu haben“.

Die Belegschaf­t „ist hoch motiviert und vorbereite­t“, sagt Betriebsra­tschef Markus Thal. Aber „wir wissen nicht was nach dem Focus kommt. Über eine Folgeprodu­ktion ist noch nicht mit uns gesprochen worden.“Thal drängt deshalb auf mehr Tempo, „sonst läuft das Ganze auf einen Konflikt hinaus, den keiner will und keiner braucht. Es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, dass die Beschäftig­ten im Werk inklusive denen im Industriep­ark endlich erfahren, wie es weitergeht. Da hängen auch Tausende Familien dran.“Ob es eine Übergangst­echnologie mit Hybrid-Autos inklusive Verbrennun­gsmotor sein wird oder reine Elektroaut­os, müsse zügig geklärt werden.

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