Ford baut erste E-Autos in Köln statt in Saarlouis
Der Betriebsrat von Ford Saarlouis fordert vom Management schnelle Klarheit über die Zukunft des Werks.
Ford investiert umgerechnet rund 830 Millionen Euro, um in Europa künftig Elektroautos zu produzieren. Bis zum Jahr 2030 soll die gesamte Pkw-Flotte von Ford nur noch aus Elektrofahrzeugen bestehen, kündigten am Mittwoch Ford-Europa-Präsident Stuart Rowley und Gunnar Herrmann als Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke an.
Die Elektroautos werden ab 2023 jedoch in Köln gebaut, das Werk Saarlouis geht zunächst leer aus. Präsident Rowley sagte nur, in Saarlouis
werde der Focus gebaut und der Standort bleibe wichtig. Näheres zur Zukunft der europäischen Standorte werde erst später geklärt.
Ford-Saarlouis-Betriebsratschef Markus Thal forderte das Management auf, unverzüglich die bereits im Dezember angekündigten Zukunftsgespräche über den Standort Saarlouis
zu beginnen. Die Beschäftigten im Werk und im benachbarten Industriepark mit ihren Familien hätten ein Recht darauf, endlich zu erfahren, wie es weitergeht, sagte er der SZ. Angesichts der jüngsten Investitions-Entscheidungen am Standort Deutschland müsse man nicht bis Mitte 2022 mit der weiteren Strategie
warten. Thal erinnerte daran, dass die Belegschaft in Saarlouis in den vergangenen Jahren zahlreiche Sparmaßnahmen mitgetragen habe, um die Zukunftsinvestitionen möglich zu machen. Dazu hätten ein Personalabbau, der Abbau von drei auf zwei Schichten sowie die Einstellung der Produktion des C-Max gehört.
Gunnar Herrmann sagte, dass genau das Umsetzen dieser Sparziele an den Ford-Standorten die jetzt erfolgte Investition in die Zukunft und den Einstieg in die Elektromobilität erst ermöglicht habe. Nicht abschätzen lasse sich aus heutiger Sicht, wie sich durch den Einstieg in die Elektromobilität der Personalbedarf entwickele. Die Produktion eines Elektrofahrzeugs stelle völlig andere Anforderungen. „Mehr Beschäftigung kommt automatisch mit mehr Produktion. Erfolgreich im Markt zu sein bedeutet in der Folge auch mehr Stellen“, so Herrmann.
VON THOMAS SPONTICCIA
„Mehr Beschäftigung kommt automatisch mit
mehr Produktion.“
Gunnar Herrmann
Ford-Deutschland-Chef
Das haben sich die Belegschaft im Ford-Werk-Saarlouis, der Betriebsrat und auch die IG Metall anders vorgestellt. Das Werk geht bei der Entwicklung und beim Bau von Elektroautos erst einmal leer aus. Lars Desgranges, erster Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen, spricht am Mittwoch offen von einer „verpassten Chance“. Etwa zeitgleich sind jedoch Ford-Europa-Präsident Stuart Rowley, Ford-Europa-Chef Gunnar Herrmann und Ford-Gesamtbetriebsrat Martin Hennig in Köln in Feierstimmung. Sie sprechen gar übereinstimmend von einem „historischen Tag“, an dem der US-Autobauer in Europa den Einstieg in die Elektromobilität vollzieht. Gleich eine Milliarde Dollar fließt in die Modernisierung des Kölner Werks zum Bau von
Elektroautos. Schon 2023 soll dort das erste rein elektrische Pkw-Volumenmodell für Europa vom Band rollen. Die Ziele sind ehrgeizig: 2030 will Ford nur noch rein elektrische Fahrzeuge im Pkw-Angebot haben.
Doch das Werk Saarlouis ist Spitzenmanager Rowley in seinen Ausführungen nur eine Fußnote wert. Die Ungewissheit bleibt. Rowley sagt lediglich: „Wir haben verschiedene Produktions-Standorte in Europa: Saarlouis, Krajowa in Rumänien, Valencia, Großbritannien und die Türkei. Wir sprechen jetzt über diese erste Investition in Köln. Saarlouis ist weiterhin ein wichtiger Standort für unser Geschäft. Der Ford-Focus wird dort hergestellt. Und wir werden auch noch über die weiteren Produktionsstandorte in der Zukunft sprechen.“
Der IG Metall an der Saar und dem Betriebsrat in Saarlouis reichen solche Äußerungen bei Weitem nicht aus. Zumal Ford schon im Dezember 2020 angekündigt hat, zügig in Zukunftsverhandlungen für den Standort Saarlouis einzusteigen. Bis zum heutigen Tag habe man jedoch nichts mehr gehört, kritisiert Desgranges. Deshalb haben die IG Metall und der Betriebsrat am Mittwoch zeitgleich zur Ankündigung der Milliardeninvestition in Köln die Ford-Spitze erneut aufgefordert, einen verbindlichen Termin zum Einstieg in die Verhandlungen für den Fortbestand des Werks Saarlouis festzulegen. Desgranges glaubt auch längst nicht daran, dass die Euphorie und das Tempo in den zügigen Einstieg in die Elektromobilität bei der Ford-Führung anhalten wird. „Ich glaube nicht, dass es momentan einen Markt gibt, wo 30 oder 40 Prozent der Autokäufer direkt auf Elektroautos umspringen würden. Es gibt doch überhaupt noch nicht die Infrastruktur mit Ladestationen.“Die Ford-Spitze müsse jetzt erst einmal nachvollziehbar erklären, wie das Ziel, ab 2030 nur noch rein elektrische Fahrzeuge im Pkw-Angebot haben zu wollen, überhaupt funktionieren soll, ohne ganze Werke und Belegschaften zu gefährden, die sich weiter mit der Produktion von Verbrennern und Hybrid-Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor befassen.
Gerade in Köln sieht Desgranges mit der Neuausrichtung auf Elektrofahrzeuge viele Arbeitsplätze wegfallen. „Die Umstellung wird erheblich mehr personelle Auswirkungen haben als etwa in Saarlouis. Die haben ja in Köln noch ein Getriebeund Motorenwerk. Das fällt alles definitiv weg. Das gesamte Antriebsmodul für die Elektroautos liefert künftig Volkswagen. Wir in Saarlouis sind dagegen ein reiner Produktionsstandort.“Allerdings brauche auch Saarlouis „eine neue Technologie, um eine Zukunft zu haben“.
Die Belegschaft „ist hoch motiviert und vorbereitet“, sagt Betriebsratschef Markus Thal. Aber „wir wissen nicht was nach dem Focus kommt. Über eine Folgeproduktion ist noch nicht mit uns gesprochen worden.“Thal drängt deshalb auf mehr Tempo, „sonst läuft das Ganze auf einen Konflikt hinaus, den keiner will und keiner braucht. Es ist ja wohl nicht zu viel verlangt, dass die Beschäftigten im Werk inklusive denen im Industriepark endlich erfahren, wie es weitergeht. Da hängen auch Tausende Familien dran.“Ob es eine Übergangstechnologie mit Hybrid-Autos inklusive Verbrennungsmotor sein wird oder reine Elektroautos, müsse zügig geklärt werden.