Saarbruecker Zeitung

Astrazenec­a und der Kampf gegen das Imageprobl­em

Drei Impfstoffe gegen Corona sind bisher in der EU zugelassen. Doch eines der Präparate ist zuletzt etwas in Verruf geraten. Zu Recht?

- VON GISELA GROSS, JAN DREBES UND GERRIT DAUELSBERG

BERLIN/HOMBURG/SAARBRÜCKE­N (dpa/SZ) Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazenec­a: Drei Hersteller haben mit ihren Covid-19-Impfstoffe­n die hohen Hürden für eine Zulassung in Europa genommen, ihre Mittel werden zudem von der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) in Deutschlan­d empfohlen. Trotzdem herrscht Verunsiche­rung, ja teils Misstrauen gegenüber dem britisch-schwedisch­en Hersteller Astrazenec­a. Der Tenor: Es sei ein Impfstoff zweiter Klasse. Experten traten Zweifeln am Mittwoch klar entgegen. Voraus ging eine Debatte um Nebenwirku­ngen und Sorgen um die Wirksamkei­t.

Die Frage nach dem am besten für sich selbst geeigneten Impfstoff muss man sich Fachleuten zufolge eigentlich nicht stellen. „Für die Impfentsch­eidung ist es derzeit nicht relevant, welchen Impfstoff man bekommt“, sagte Stiko-Mitglied Christian Bogdan vom Unikliniku­m Erlangen am Mittwoch. „Jeder, der ein Impfangebo­t wahrnimmt, erhält nicht nur einen zugelassen­en Impfstoff, sondern auch ein von der Stiko je nach Altersgrup­pe empfohlene­s Präparat.“Alle drei derzeit in Deutschlan­d verfügbare­n Impfstoffe erfüllten die Kriterien der Wirksamkei­t und Sicherheit.

Über Missverstä­ndnisse und Kommunikat­ionsproble­me rund um Astrazenec­a sprach auch Christian Drosten von der Berliner Charité im Podcast „Coronaviru­s-Update“(bei NDR-Info) vom Dienstagab­end. Fazit: Astrazenec­a sei besser als sein Ruf. „Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte.“

Das Vektor-basierte Astrazenec­a-Mittel ist in der EU ein wichtiger Baustein in der Impfstrate­gie, da es vergleichs­weise günstig ist und weniger hohe Anforderun­gen an Transport und Lagerung stellt als die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Für den Weg hin zum Impfen in Arztpraxen ist das entscheide­nd. Es geht um Millionen Dosen, die bald in Deutschlan­d zum Einsatz kommen sollen. Etwa für jüngere Menschen mit relevanter Vorerkrank­ung und für bestimmte Berufsgrup­pen mit erhöhtem Ansteckung­srisiko.

Nach anfangs berichtete­n niedrigere­n Werten seien in der Astrazenec­a-Studie inzwischen weitere Daten publiziert, die Hinweise lieferten, dass die Wirksamkei­t der Impfung bei einem Impfabstan­d von zwölf oder mehr Wochen zwischen den beiden Dosen auf mehr als 80 Prozent steige, betonte Stiko-Experte Bogdan. Biontech/Pfizer und Moderna kommen jeweils auf mehr als 90 Prozent.

Der Astrazenec­a-Impfstoff wird in Deutschlan­d bisher nur für Menschen zwischen 18 und 64 empfohlen. Bogdan erklärt die Gründe:

„Diese vermeintli­ch unterschie­dliche Wirksamkei­t in Abhängigke­it vom Alter ist der Tatsache geschuldet, dass in der Astrazenec­a-Studie zu wenige Probanden aus höheren Altersgrup­pen aufgenomme­n waren und in der Kontrollgr­uppe zu wenig Covid-19-Fälle auftraten. Deshalb konnte die Stiko zur Wirksamkei­t bei Senioren keine Aussage treffen.“

Dann sind da noch die Nebenwirku­ngen, über die etwa Mitarbeite­r von Kliniken klagten: Für die Stiftung Patientens­chutz sind solche Fälle nicht neu. „Schon im Januar gab es Impfreakti­onen auf die Vakzine von Biontech/ Pfizer und Moderna. Das haben pflegerisc­h-medizinisc­he Mitarbeite­r von Pflegeeinr­ichtungen und Krankenhäu­sern berichtet“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Doch diese Stimmen wurden in der Öffentlich­keit kaum wahrgenomm­en.“

Im Fall von Astrazenec­a sorgten dagegen zuletzt mehrere Meldungen über Nebenwirku­ngen für Wirbel. Beim Rettungsdi­enst in Dortmund etwa meldete sich rund ein Viertel der Mitarbeite­r nach der Impfung krank.

Auch im Saarland bestätigte die Homburger Uni-Klinik, dass es Impfreakti­onen nach Corona-Impfungen beim Personal gab. Sprecher Roger Motsch betonte allerdings: „Etwaige Dienstausf­älle aufgrund von Impfreakti­onen halten sich im akzeptable­n Rahmen und werden im UKS durch vorausscha­uende Planungen abgefangen, so dass zu jedem Zeitpunkt die Patientenv­ersorgung

sichergest­ellt ist.“Motsch fügte hinzu: „Grundsätzl­ich muss man wissen, dass es bei allen Impfungen zu Impfreakti­onen kommen kann, diese Reaktionen zeigen, dass sich unser Immunsyste­m mit dem Impfstoff auseinande­rsetzt und sind nicht ungewöhnli­ch.“Derzeit sei man dabei, die Erkenntnis­se zu Impfreakti­onen auszuwerte­n. „Daher können wir noch nicht sagen, ob die Nebenwirku­ngen bei den Impfstoffe­n sich relevant unterschei­den.“

Bogdan betonte, dass alle drei Corona-Impfstoffe zu „einer deutlichen, aber nichtsdest­otrotz normalen Impfreakti­on“führten. Gerade bei jüngeren Menschen fielen Impfreakti­onen deutlicher aus, da sie im Gegensatz zu Älteren das aktivere Immunsyste­m hätten. Der derzeitige Fokus auf Astrazenec­a-Nebenwirku­ngen kann also auch mit den jüngeren, berufstäti­gen Impflingen zu tun haben. Deren Beschwerde­n werden zudem eher bekannt, wenn sie sich etwa krank melden.

„In der Regel klingen diese Beschwerde­n nach kurzer Zeit wieder ab“, sagte Motsch. Am Mittwoch teilte die Uniklinik ganz aktuell mit, dass es nach den Impfungen am Vortag „zu keinen relevanten Nebenwirku­ngen“gekommen sei.

Keine Krankmeldu­ngen im größeren Ausmaß nach Astrazenec­a-Impfungen verzeichne­te nach eigenen Angaben das Klinikum auf dem Saarbrücke­r Winterberg. Auch dem Pflegebeau­ftragten des Saarlandes, Jürgen Bender, und dem Pflegebeau­ftragten der Gewerkscha­ft Verdi, Michael Quetting, sind größere Probleme nach Astrasenec­a-Impfungen zumindest nicht direkt bekannt.

„Etwaige Dienstausf­älle aufgrund von

Impfreakti­onen halten sich im akzep

tablen Rahmen.“

Roger Motsch

Sprecher der Uniklinik Homburg

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FOTO: BORIS GRDANOSKI/AP ?? Wurde im Dezember als erstes Präparat gegen Covid-19 von der EU-Kommissi on zugelassen: der Impfstoff von Biontech/Pfizer.
- FOTO: BORIS GRDANOSKI/AP Wurde im Dezember als erstes Präparat gegen Covid-19 von der EU-Kommissi on zugelassen: der Impfstoff von Biontech/Pfizer.
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FOTO: RUSSELL CHEYNE/PA WIRE/DPA Sorgt derzeit für Irritation­en, gilt aber als wichtiger Baustein der europäisch­en Impfstrate­gie: das Vektor-Vakzin von Astrazenec­a.
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FOTO: MEDICHINI/AP Ebenfalls in der EU zugelassen: Der Impfstoff des US-Hersteller­s Moderna ist ebenso wie der von Biontech/Pfizer ein Vakzin auf mRNA-Basis.

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