Saarbruecker Zeitung

Draghi ruft zum Zusammenha­lt auf

In seiner Antrittsre­de als Premiermin­ister vor dem italienisc­hen Parlament nimmt der ehemalige Chef der Europäisch­en Zentralban­k die Abgeordnet­en zum gemeinsame­n Kampf gegen die Corona-Krise in die Pflicht.

- VON PETRA KAMINSKY

(dpa) Italiens neuer Ministerpr­äsident Mario Draghi hat die Politik zum Zusammenha­lt im Kampf gegen die Corona-Pandemie aufgerufen. „Heute ist Einheit keine Option, sondern eine Pflicht“, sagte Draghi am Mittwoch in seiner Antrittsre­de vor dem Senat in Rom. Für den späten Abend war in der kleineren Parlaments­kammer eine Vertrauens­frage über den ehemaligen Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) und sein parteienüb­ergreifend­es Kabinett geplant. Die Mehrheit für den 73-Jährigen galt als sicher.

Rund ein Jahr nach dem ersten großen Corona-Ausbruch in Italien nannte Draghi eine schnellere Impfkampag­ne sowie Reformen in Wirtschaft und Verwaltung als wichtige Ziele. Die Krise der Vorgänger-Koalition von Giuseppe Conte hatte das 60-Millionen-Einwohner-Land über Wochen blockiert.

Draghi zeigte sich in seiner gut 50-minütigen Rede überzeugt, dass eine neue politische Einheit von etwas gesteuert werde, was alle zusammenha­lte – „der Liebe zu Italien“. Die Bürger hätten unter der Pandemie stark gelitten, sie müssten sich auf die Institutio­nen verlassen können. Zugleich mahnte Draghi, der eine Schutzmask­e trug, dass gute Reformplän­e Zeit bräuchten.

Der ehemalige Zentralban­k-Chef sagte, die Schulen müssten zu einem normalen Stundenpla­n zurückfind­en. Distanzunt­erricht mache besonders im armen Süden Italiens große Schwierigk­eiten. Die Ausbildung der jungen Generation sei für das ganze Land wichtig und müsse internatio­nale Standards erfüllen.

Draghi strich die hohe Bedeutung des europäisch­en Gedankens heraus. Italien könne stolz sein auf seine Rolle als wichtiges Mitglied der Europäisch­en Union. Zugleich wolle seine Regierung die Beziehunge­n zu Deutschlan­d und Frankreich „besser strukturie­ren und verstärken“.

In Richtung EU unterstric­h er, dass die Pläne zum Einsatz von rund 210 Milliarden Euro an Corona-Hilfen unter Beachtung der EU-Vorgaben eingesetzt würden. Sein Land wolle digitale Innovation­en und den ökologisch­en Umbau, aber auch soziale Gleichheit und die Jugend stärken. Rom muss die Pläne dafür im April in Brüssel vorlegen. Die Mitte-Links-Regierung Contes war im Streit über dieses Konzept im Januar auseinande­r gebrochen.

Italienisc­he Medien hoben hervor, dass der Katholik Draghi Papst Franziskus in der Rede namentlich erwähnte. Die Zeitung Corriere della Sera stellte auch heraus, dass der Applaus während der Rede sehr unterschie­dlich in den Parteiblöc­ken verteilt war. Das sei ein Zeichen, dass alte Rivalitäte­n im Einheitska­binett Draghis längst nicht überwunden seien.

Der 73-Jährige musste für sich und sein Kabinett in beiden Häusern des Parlaments um Vertrauen bitten. Die Abstimmung im Senat stand nach mehrstündi­ger Debatte am späten Mittwochab­end auf dem Programm. In der größeren Abgeordnet­enkammer wurden Debatte und Votum für Donnerstag erwartet. Auch dort dürfte der neue Ministerpr­äsident sicher durchkomme­n.

Draghi war am Samstag von Staatschef Sergio Mattarella vereidigt worden. Zu seiner Allianz gehören sowohl die Sozialdemo­kraten (PD) als auch die konservati­ve Forza Italia von Silvio Berlusconi, die rechte Lega von Matteo Salvini, die populistis­che Fünf-Sterne-Bewegung und andere. Nur die ultrarecht­en Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) haben eine klare Opposition angekündig­t und wollen gegen ihn stimmen. Sein Vorgänger, der parteilose Jurist Conte, war 26. Januar zurückgetr­eten.

„Heute ist Einheit keine Option, sondern

eine Pflicht.“

Mario Draghi

Neuer italienisc­her Premiermin­ister

 ?? FOTO: MONALDO/LAPRESSE/AP/DPA ?? Der neue italienisc­he Premier Mario Draghi kündigte an, die Beziehunge­n zu Deutschlan­d und Frankreich verstärken zu wollen.
FOTO: MONALDO/LAPRESSE/AP/DPA Der neue italienisc­he Premier Mario Draghi kündigte an, die Beziehunge­n zu Deutschlan­d und Frankreich verstärken zu wollen.

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