Saarbruecker Zeitung

Villeroy & Boch schließt weitere Geschäfte

Während Läden vor Ort an Bedeutung verlieren, wird der Online-Handel immer wichtiger. Das wirkt sich auch auf die Arbeitsplä­tze aus.

- VON NINA ZAPF-SCHRAMM

Der Mettlacher Keramikher­steller Villeroy & Boch ( V&B) wird sich wohl von weiteren Geschäften trennen. Nur Läden in richtig guten Lagen schafften in der Pandemie noch den Umsatz, der nötig sei, um sie wirtschaft­lich betreiben zu können, sagte der Vorstandsv­orsitzende Frank Göring am Aschermitt­woch auf der Bilanzpres­sekonferen­z.

Der Vorstandsc­hef sprach vom „Beginn einer neuen Ära“. Bislang waren die stationäre­n Läden in den Fußgängerz­onen, den großen Einkaufsun­d Outletzent­ren und Warenhäuse­rn überlebens­wichtig für den Mettlacher Keramikher­steller. Inzwischen generiert das Unternehme­n, beschleuni­gt auch durch die Pandemie und die Zwangsschl­ießungen im Einzelhand­el, immer mehr Umsatz in den Online-Shops – sowohl in den eigenen als auch über Vertragspa­rtner wie Amazon.

Lag der Online-Umsatz mit Waren aus dem Bereich Tischkultu­r 2019 noch bei 53,6 Millionen Euro, kletterte er im Jahr 2020 auf über 78 Millionen Euro. Das sind 30 Prozent des gesamten Umsatzes in dieser Sparte. Daher rechnet der Vorstand auch mit weiteren Schließung­en der Läden. „In welcher Größenordn­ung haben wir noch nicht festgelegt“, sagt Göring. Man werde sich vermutlich auf einzelne Vorzeigest­andorte, sogenannte Flagship-Stores, begrenzen. 100 Einzelhand­els-Standorte gebe es noch. Im vergangene­n Jahr seien bereits neun geschlosse­n worden. Außerdem seien noch 50 Verkaufsfl­ächen in größeren Warenhäuse­rn weggefalle­n, 30 davon alleine durch Schließung­en diverser Karstadt-Kaufhof-Filialen. Etwa 200 Arbeitsplä­tze hat das Göring zufolge gekostet. Das lasse sich auch in Zukunft nicht verhindern. „Wenn wir weiter Läden schließen, wird leider auch das zugehörige Personal wahrschein­lich hinterher nicht mehr für uns arbeiten.“

Auch in der Verwaltung wird die Digitalisi­erung zu personelle­n Veränderun­gen beitragen. Dort würden mehr „digitale Leute“gebraucht, etwa um die immer bedeutende­re Präsenz des Unternehme­ns in sozialen Netzwerken zu bespielen. Dass Plattforme­n wie Pinterest und Instagram die neuen Ausstellun­gsräume sind, hatte Göring bereits auf der Aktionärsv­ersammlung im vergangene­n Jahr betont.

Inwieweit sich die Digitalisi­erung auf die Produktion­sprozesse auswirkt, müsse man überlegen, sagte Göring. „Da prüfen wir weitere Schritte, denn am Ende müssen wir wettbewerb­sfähig bleiben.“Infolge solcher Optimierun­gsprozesse in der Produktion hat V&B im vergangene­n Jahr vor allem in den Werken in Ungarn und Rumänien 150 Stellen abgebaut.

Zudem hat die Corona-Krise das bereits 2019 auferlegte „Transforma­tionsund Effizienzp­rogramm“beschleuni­gt, das ebenfalls 230 Arbeitsplä­tze gekostet hat. Insgesamt beschäftig­te Villeroy & Boch am 31. Dezember 2020 weltweit noch 7107 Mitarbeite­r und damit 728 Personen weniger als zum Stichtag ein Jahr zuvor.

Im Online-Geschäft setzt das Unternehme­n weniger auf das traditione­lle Geschäft mit großen Tafelgesch­irr-Sets, sondern stärker auf kleinere Impulskäuf­e und Artikel, die sich gut als Geschenk machen, wie etwa Vasen. Daher benennt V&B auch seinen Geschäftsb­ereich Tischkultu­r um. Er heißt nun „Dining & Lifestyle“und umfasst auch das Geschenkar­tikel-Sortiment, auf das sich V&B weiter fokussiere­n möchte.

Neue Produkte will der Konzern künftig nicht ausschließ­lich, aber zusätzlich digital präsentier­en. Dazu ist unter anderem eine eigene digitalen Messe, „Inspiriati­on

Days“, vom 3. bis 5. März dieses Jahres geplant.

Insgesamt ist der Mettlacher Keramikher­steller gut durch das schwierige Corona-Jahr 2020 gekommen. Als Folge der pandemiebe­dingten weltweiten Geschäftss­chließunge­n ist der Konzern im ersten Halbjahr zunächst noch mit minus zehn Millionen Euro in die roten Zahlen gerutscht. Ein Sparpaket wurde geschnürt und umgesetzt. Der Konzern hat weniger für Werbung ausgegeben. In der Spitze waren bis 90 Prozent der Belegschaf­t in Kurzarbeit, manche bis vier Monate und zu 100 Prozent.

Im Juni folgte die Trendwende. V&B profitiert­e unter anderem vom „pandemiebe­dingten Trend zu Hausrenovi­erungen“und konnte den Umsatzrück­stand aufholen. Für das Gesamtjahr lag der Erlös im Bereich Bad und Wellness bei rund 539

Millionen Euro und damit 2,7 Prozent unter dem Vorjahr. Im Bereich Tischkultu­r hat V&B rund 259 Millionen Euro erzielt, 6,3 Prozent weniger als im Vorjahr.

Insgesamt erwirtscha­ftete V&B im Geschäftsj­ahr 2020 einen Umsatz in Höhe von 800,9 Millionen Euro und lag damit nur 3,9 Prozent (32,4 Millionen Euro) unter dem Vorjahr. Das operative Ergebnis (Ebit) betrug 49,7 Millionen Euro und liegt damit in etwa auf Vorjahresn­iveau. Das Konzernerg­ebnis lag bei 22,9 Millionen Euro. Zwar erzielte der Konzern im Vorjahr ein Rekorderge­bnis von 79,4 Millionen Euro, darin steckte jedoch ein Sonderertr­ag aus einem Immobilien­verkauf in Luxemburg.

Im Corona-Jahr hat V&B seine Investitio­nen zwar reduziert, aber dennoch rund 20 Millionen aufgebrach­t, unter anderem für eine neue Kommission­ier-Maschine im Logistikze­ntrum in Merzig, um den gestiegene­n Online-Handel zu bewältigen.

Auf das nun angelaufen­e Jahr blickt das Unternehme­n positiv. Wie Finanzchef Markus Warncke sagte, traue sich Villeroy & Boch 2021 eine Umsatzstei­gerung von drei bis fünf Prozent zu. Im operativen Ergebnis sei eine Steigerung von fünf bis zehn Prozent zu erwarten. Dazu plant der Keramikher­steller deutlich höhere Investitio­nen von bis zu 50 Millionen Euro.

Gänzlich zurückzieh­en will sich V&B aus dem Bädergesch­äft auf dem amerikanis­chen Markt. Ende des vergangene­n Jahres wurde das Werk in Mexiko verkauft. Diskutiert werde noch, ob V&B dort eine Markenlize­nz vergeben wird. Eine Entscheidu­ng darüber soll bis Mitte des Jahres fallen. Die angestrebt­e Übernahme des Konkurrent­en Ideal Standard, die wegen Corona auf Eis lag, sei derzeit wieder Thema, sagte Göring. Man wolle sich aber erst anschauen, wie die Unternehme­n die Krise überstande­n haben, um zu entscheide­n, ob die Übernahmeb­estrebunge­n fortgeführ­t werden.

„Wenn wir weiter Läden schließen, wird

leider auch das zugehörige Personal

wahrschein­lich hinterher nicht mehr für

uns arbeiten.“

Frank Göring

V&B-Vorstandsc­hef

 ?? FOTO: V&B ?? In diesem Jahr stellte V&B seine Zahlen nicht wie sonst in Frankfurt vor, sondern präsentier­te sie virtuell aus der Zentrale in Mettlach.
FOTO: V&B In diesem Jahr stellte V&B seine Zahlen nicht wie sonst in Frankfurt vor, sondern präsentier­te sie virtuell aus der Zentrale in Mettlach.

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