Saarbruecker Zeitung

Jerusalema kommt viele teuer zu stehen

Die Tanzvideos zum Lied „Jerusalema“waren ein Hit im Internet. Jetzt folgt das böse Erwachen, denn der Musikverla­g verlangt Lizenzgebü­hren.

- VON JESSICA BECKER

Corona zieht die Stimmung runter – „Jerusalema“, ein Hit des afrikanisc­hen DJ Master KG sollte wieder für gute Laune sorgen. Viele Krankenpfl­eger, Feuerwehrl­eute und Polizisten machten mit. Doch die Freude über den Stimmungsm­acher wird derzeit von Post des Musikverla­ges Warner Music getrübt. Darin fordert das Label nachträgli­ch Lizenzgebü­hren. Das sorgt nicht nur bei den Beteiligte­n für Ärger. In sozialen Netzwerken fragen sich die Nutzer nach den Gründen.

Das Originalvi­deo des Musiktitel­s wurde mittlerwei­le 340 Millionen Mal auf der Videoplatt­form Youtube angeklickt. Die Teilnehmer der sogenannte­n Jerusalema-Challenge wollten Hoffnung und Freude in der schwierige­n Corona-Zeit verbreiten. Sie haben zu dieser Musik eigene Choreograf­ien präsentier­t. Auch aus dem Saarland nahmen mehrere Kliniken teil und stellten Videos ins Internet, in denen Ärzte und Pflegekräf­te gemeinsam tanzten.

Dafür hatten sie sich vor und nach Feierabend getroffen, um den Tanz einzustudi­eren und die Videos zu drehen. Das Argument „Wir möchten Freude verbreiten und zeigen, dass wir auch schwere Zeiten überstehen können“war der ausschlagg­ebende Punkt, dass auch die Knappschaf­tskliniken in Püttlingen und Sulzbach mitmachten. Auch am Klinikum Saarbrücke­n wurde mitgetanzt (wir berichtete­n). Das Video aus Püttlingen und Sulzbach habe aktuell auf den Plattforme­n Youtube und Facebook insgesamt 89 000 Aufrufe, berichtet Peter Böhnel, Leiter der Unternehme­nskommunik­ation der Knappschaf­tskliniken Saar.

Bisher gab es keine Forderunge­n des Musikverla­ges Warner Music an die saarländis­chen Kliniken. Doch die Saarbrücke­r Klinik habe präventiv die Videos abgeschalt­et, erklärt Sprecherin Rebecca Rech. Der Sprecher der Knappschaf­tskliniken berichtet auf Anfrage unserer Zeitung, als der Aufruhr um die Forderunge­n des Labels begann, seien die Knappschaf­tskliniken zunächst auf die Verwertung­sgesellsch­aft Gema zugegangen. Die Klinik war davon ausgegange­n, mit den Gebühren, die an die Gema gezahlt worden waren, seien auch die Lizenzgebü­hren an Warner Music abgedeckt. Doch das war ein Irrtum, wie die Gema den Knappschaf­tskliniken mitteilte. „Ein Synchronis­ationsrech­t, also ein Recht mit dem Song ‚Jerusalema’ ein eigenes Musikvideo herzustell­en, vergibt die Gema nicht“, erklärt der Kölner Medienanwa­lt Christian Solmecke. Die Knapptscha­ftsklinike­n hätten sich entschloss­en, direkt auf Warner Music zuzugehen, erklärt Klinik-Sprecher Böhnel. „Wir wollten von Anfang an die Gebühren an Warner zahlen, damit die Künstler ihre Tantiemen erhalten.“Noch gebe es keine Antwort. Die Videos der Knappschaf­tskliniken blieben weiter im Internet.

Andere Teilnehmer der Jerusalema-Challenge haben sich jedoch entschloss­en, die Videos offline zu schalten wie auch das Klinikum Saarbrücke­n. Dort herrsche derzeit Unsicherhe­it, berichtet Sprecherin Rebecca Rech: „Wir sind dabei, unser weiteres Vorgehen zu prüfen und nehmen aktuell die Videos nach und nach vom Netz, bis wir Klarheit haben.“ Auf der deutschen Facebookse­ite des Musiklabel­s Warner Music hagelt es indes Kritik. Die Nutzer sprechen von „Abzocke“und moralische­n Bedenken. Auch Vorwürfe, dass der Musikverla­g nach der „kostenlose­n Werbung“nun mit Lizenzgebü­hren doppelt abkassiere, stehen im Raum. Einige Facebook-Mitglieder kündigten an, den Verlag zu boykottier­en und keine Musik mehr von Warner Music zu kaufen.

„Natürlich ist es das gute Recht von Warner Music dagegen vorzugehen“, erklärt Solmecke. Wer ein Musikstück ohne nachzufrag­en über das Internet

verbreitet, verstoße gegen das Urheberrec­ht. „Wer ein Video veröffentl­icht, in dem das Lied zu hören ist und dazu getanzt wird, hätte vorher eine entspreche­nde Lizenz für die Nutzung erwerben müssen“, erklärt Solmecke. „Bisher haben hauptsächl­ich Organisati­onen und Behörden Post von Warner Music erhalten. Eine Privatpers­on, die ein Video von ihrer Teilnahme an der Tanz-Challenge veröffentl­icht hat, darf sich aber nicht in Sicherheit wiegen.“Der Medienanwa­lt rät daher, „das eigene Video von der Tanz-Challenge so schnell wie möglich von Internetpl­attformen wie Youtube und Co. zu entfernen.“Dennoch halte er das Verhalten des Musikverla­ges für moralisch fragwürdig. Das Lied sei erst durch die vielen Tanzvideos populär geworden.

„Wir wollten von Anfang an die Gebühren an Warner zahlen, damit

die Künstler ihre Tantiemen erhalten.“

Peter Böhnel Leiter der Unternehme­nskommunik­ation

der Knappschaf­tskliniken Saar

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FOTO: KLINIK SAARBRÜCKE­N Auch die Zentrale Notfallamb­ulanz der Klinik Saarbrücke­n präsentier­te Tanzvideos zum Lied „Jerusalema“bei Youtube.

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