Frühsport für Schüler im Schlafanzug
Damit Schüler, aber auch Eltern und Kollegen während des Sport-Verbots in der Corona-Pandemie nicht einrosten, bietet das Saarbrücker Gymnasium am Rotenbühl ein Bewegungsprojekt an.
Sport treiben während der Corona-Pandemie ist anders. Für viele hat der Wegfall der im Alltag eingebauten Sport-Termine zur Folge, dass sie sich weniger – oder schlimmstenfalls nicht über das Nötigste hinaus – bewegen. Das gilt insbesondere für Schüler. Um ihnen eine Alternative anzubieten, hat sich Lehrerin Bärbel Ehses vom Gymnasium am Rotenbühl in Saarbrücken, das auch eine „Eliteschule des Sports“ist, etwas einfallen lassen. Mit Sport-Referendaren aus dem ganzen Land bietet sie für die Rotenbühl-Schüler, -Eltern und -Kollegen montags bis freitags zwischen 8 und 9 Uhr eine Trainingseinheit an. Diese wird per Livestream im Internet übertragen.
„Uns ist Bewegung ein Bedürfnis“, erklärt Bärbel Ehses, wie es zu dem Projekt gekommen ist: „Wir haben das Gefühl, dass in der Pandemie sehr viel Kopfarbeit geleistet wird. Zum Wohlbefinden und Gesundbleiben gehört aber auch dazu, dass man sich eine gewisse Zeit am Tag bewegt.“Aber schon um 8 Uhr morgens? „Wir wollen den Kindern damit eine Struktur für den Tag geben. Einige bleiben durchaus mal bis 10, halb 11 im Bett liegen, weil sie bis 2 Uhr nachts gezockt haben“, sagt Bärbel Ehses. Und sie ergänzt: „Die Bewegung kurbelt den Kreislauf an, bringt den Blutdruck hoch, macht in Kombination mit Musik Spaß und sorgt für den guten Start in den Tag.“
Die Sport- und Französischlehrerin, die als Fachleiterin Sport am Studien-Seminar für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen auch für die Ausbildung angehender Sport-Lehrkräfte zuständig ist, bezeichnet das Projekt als „unser aller Baby“. Zu den Geburtshelfern zählt sie neben Kollege Oskar Dawo, der die Idee dazu hatte, vor allem ihre Referendare. „Ohne ihre Bereitschaft und ihr Engagement wäre das schlicht und ergreifend nicht möglich“, stellt Bärbel Ehses klar – und erklärt: „Sie kommen aus dem ganzen Land angefahren, um morgens um 8 Uhr für die Kinder parat zu stehen.“
Eigentlich sogar noch früher: Gegen 7.20 Uhr beginnen die Vorarbeiten in der Sporthalle, ab 7.45 Uhr wählen sich die ersten Teilnehmer ein. Nach der Begrüßungsrunde werden die Zugeschalteten aufgefordert, die jeweils benötigten Utensilien wie Wasserflaschen, Handtücher oder mit Büchern beladene Rücksäcke zu holen. Dann kann es losgehen. Eine Person leitet an, andere machen die Übungen vor.
Montags steht „Mach dich krass“auf dem Programm. „Darunter darf sich jetzt jeder vorstellen, was er will. Es geht darum, nach dem Wochenende vom Kopf bis Fuß zu entrosten“, erklärt Bärbel Ehses. Dienstags folgt „Bauch, Beine, Po“, mittwochs Tabata, ein intensives, ganzkörperliches Intervall-Training. Donnerstags steht Kampfsport auf dem Plan, freitags Yoga – inklusive entspannender Traumreise zum Abschluss.
„Die Stimmung ist immer supergut. Uns fehlen nur noch eine Disko-Kugel und buntes Licht“, findet Bärbel Ehses, die selbst mitmacht. Insgesamt nehmen jede Woche bis zu 170 Sportbegeisterte das freiwillige Angebot wahr. Vor allem Mädchen und junge Frauen. Die Rückmeldungen sind von allen Seiten positiv, auch von der Schulleitung und Eltern, die berichten, dass ihre Kinder nach dem Frühtraining fitter sind und konzentrierter arbeiten.
„Die Lehrer und vor allem die jüngeren Schüler sind eigentlich immer pünktlich“, sagt Luisa Maas vom Peter-Wust-Gymnasium in Merzig. Die Gruppe der Pubertierenden könnte nach ihrem Empfinden hingegen „gerne öfter mitmachen. Vielleicht ist das die Gruppe, die gerne so lange wie möglich im Bett liegen bleibt“. „Wir sind der Meinung, dass man den Hintern wenigstens einmal pro Woche zu dieser Zeit aus dem Bett kriegen sollte“, findet Bärbel Ehses. Da die Kameras der Teilnehmer während des Sport-Programms ausgeschaltet werden, „bräuchten sie sich ja nicht einmal umzuziehen oder zu frisieren. Alles kann auch im Schlafanzug erledigt werden. Es reicht, aus dem Bett zu fallen und gleich in den Vierfüßer-Stand überzugehen“, versucht sie die Teilnahme auch verschlafenen Sport-Muffeln schmackhaft zu machen.
Dass es ihr Frühsport-Angebot auch nach der Pandemie in den Schulalltag schafft, ist angesichts der Stundenplanung kaum denkbar. „Deshalb nutzen wir die aktuelle Situation und machen es einfach. Wir suchen sozusagen das Gute im Schlechten“, sagt Bärbel Ehses. Und sie ergänzt: „Natürlich wünschen wir uns, dass dieses Projekt Kreise zieht und mehr Kinder und Jugendliche erreicht werden. Die Idee ist, dass die Referendare in ihren Schulen Ähnliches vorschlagen und anbieten, sodass die gute Initiative an möglichst vielen Schulen verankert werden kann. Dazu sind sie natürlich auf die Kooperation mit den Fachkollegen, aber auch den Schulleitungen angewiesen, die hoffentlich erkennen, dass Sport nicht das Problem, sondern die Lösung ist.“