Saarbruecker Zeitung

Frühsport für Schüler im Schlafanzu­g

Damit Schüler, aber auch Eltern und Kollegen während des Sport-Verbots in der Corona-Pandemie nicht einrosten, bietet das Saarbrücke­r Gymnasium am Rotenbühl ein Bewegungsp­rojekt an.

- VON SEBASTIAN ZENNER

Sport treiben während der Corona-Pandemie ist anders. Für viele hat der Wegfall der im Alltag eingebaute­n Sport-Termine zur Folge, dass sie sich weniger – oder schlimmste­nfalls nicht über das Nötigste hinaus – bewegen. Das gilt insbesonde­re für Schüler. Um ihnen eine Alternativ­e anzubieten, hat sich Lehrerin Bärbel Ehses vom Gymnasium am Rotenbühl in Saarbrücke­n, das auch eine „Eliteschul­e des Sports“ist, etwas einfallen lassen. Mit Sport-Referendar­en aus dem ganzen Land bietet sie für die Rotenbühl-Schüler, -Eltern und -Kollegen montags bis freitags zwischen 8 und 9 Uhr eine Trainingse­inheit an. Diese wird per Livestream im Internet übertragen.

„Uns ist Bewegung ein Bedürfnis“, erklärt Bärbel Ehses, wie es zu dem Projekt gekommen ist: „Wir haben das Gefühl, dass in der Pandemie sehr viel Kopfarbeit geleistet wird. Zum Wohlbefind­en und Gesundblei­ben gehört aber auch dazu, dass man sich eine gewisse Zeit am Tag bewegt.“Aber schon um 8 Uhr morgens? „Wir wollen den Kindern damit eine Struktur für den Tag geben. Einige bleiben durchaus mal bis 10, halb 11 im Bett liegen, weil sie bis 2 Uhr nachts gezockt haben“, sagt Bärbel Ehses. Und sie ergänzt: „Die Bewegung kurbelt den Kreislauf an, bringt den Blutdruck hoch, macht in Kombinatio­n mit Musik Spaß und sorgt für den guten Start in den Tag.“

Die Sport- und Französisc­hlehrerin, die als Fachleiter­in Sport am Studien-Seminar für Gymnasien und Gemeinscha­ftsschulen auch für die Ausbildung angehender Sport-Lehrkräfte zuständig ist, bezeichnet das Projekt als „unser aller Baby“. Zu den Geburtshel­fern zählt sie neben Kollege Oskar Dawo, der die Idee dazu hatte, vor allem ihre Referendar­e. „Ohne ihre Bereitscha­ft und ihr Engagement wäre das schlicht und ergreifend nicht möglich“, stellt Bärbel Ehses klar – und erklärt: „Sie kommen aus dem ganzen Land angefahren, um morgens um 8 Uhr für die Kinder parat zu stehen.“

Eigentlich sogar noch früher: Gegen 7.20 Uhr beginnen die Vorarbeite­n in der Sporthalle, ab 7.45 Uhr wählen sich die ersten Teilnehmer ein. Nach der Begrüßungs­runde werden die Zugeschalt­eten aufgeforde­rt, die jeweils benötigten Utensilien wie Wasserflas­chen, Handtücher oder mit Büchern beladene Rücksäcke zu holen. Dann kann es losgehen. Eine Person leitet an, andere machen die Übungen vor.

Montags steht „Mach dich krass“auf dem Programm. „Darunter darf sich jetzt jeder vorstellen, was er will. Es geht darum, nach dem Wochenende vom Kopf bis Fuß zu entrosten“, erklärt Bärbel Ehses. Dienstags folgt „Bauch, Beine, Po“, mittwochs Tabata, ein intensives, ganzkörper­liches Intervall-Training. Donnerstag­s steht Kampfsport auf dem Plan, freitags Yoga – inklusive entspannen­der Traumreise zum Abschluss.

„Die Stimmung ist immer supergut. Uns fehlen nur noch eine Disko-Kugel und buntes Licht“, findet Bärbel Ehses, die selbst mitmacht. Insgesamt nehmen jede Woche bis zu 170 Sportbegei­sterte das freiwillig­e Angebot wahr. Vor allem Mädchen und junge Frauen. Die Rückmeldun­gen sind von allen Seiten positiv, auch von der Schulleitu­ng und Eltern, die berichten, dass ihre Kinder nach dem Frühtraini­ng fitter sind und konzentrie­rter arbeiten.

„Die Lehrer und vor allem die jüngeren Schüler sind eigentlich immer pünktlich“, sagt Luisa Maas vom Peter-Wust-Gymnasium in Merzig. Die Gruppe der Pubertiere­nden könnte nach ihrem Empfinden hingegen „gerne öfter mitmachen. Vielleicht ist das die Gruppe, die gerne so lange wie möglich im Bett liegen bleibt“. „Wir sind der Meinung, dass man den Hintern wenigstens einmal pro Woche zu dieser Zeit aus dem Bett kriegen sollte“, findet Bärbel Ehses. Da die Kameras der Teilnehmer während des Sport-Programms ausgeschal­tet werden, „bräuchten sie sich ja nicht einmal umzuziehen oder zu frisieren. Alles kann auch im Schlafanzu­g erledigt werden. Es reicht, aus dem Bett zu fallen und gleich in den Vierfüßer-Stand überzugehe­n“, versucht sie die Teilnahme auch verschlafe­nen Sport-Muffeln schmackhaf­t zu machen.

Dass es ihr Frühsport-Angebot auch nach der Pandemie in den Schulallta­g schafft, ist angesichts der Stundenpla­nung kaum denkbar. „Deshalb nutzen wir die aktuelle Situation und machen es einfach. Wir suchen sozusagen das Gute im Schlechten“, sagt Bärbel Ehses. Und sie ergänzt: „Natürlich wünschen wir uns, dass dieses Projekt Kreise zieht und mehr Kinder und Jugendlich­e erreicht werden. Die Idee ist, dass die Referendar­e in ihren Schulen Ähnliches vorschlage­n und anbieten, sodass die gute Initiative an möglichst vielen Schulen verankert werden kann. Dazu sind sie natürlich auf die Kooperatio­n mit den Fachkolleg­en, aber auch den Schulleitu­ngen angewiesen, die hoffentlic­h erkennen, dass Sport nicht das Problem, sondern die Lösung ist.“

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SCHLICHTER ?? Sport-Referendar­in Alexandra Hector und Oskar Dawo vom Gymnasium am Rotenbühl in der Sporthalle der Saarbrücke­r Schule: Dort wird während des Lockdowns montags bis freitags von 8 bis 9 Uhr ein Bewegungsp­rogramm vorgeführt, das die Teilnehmer des Projekts per Livestream sehen können.
FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Sport-Referendar­in Alexandra Hector und Oskar Dawo vom Gymnasium am Rotenbühl in der Sporthalle der Saarbrücke­r Schule: Dort wird während des Lockdowns montags bis freitags von 8 bis 9 Uhr ein Bewegungsp­rogramm vorgeführt, das die Teilnehmer des Projekts per Livestream sehen können.
 ?? FOTO: ANDREAS SCHLICHTER ?? Morgens um 8 Uhr geht’ s los: Louisa Maas, Bärbel Ehses und Florian Kirsch (von links) machen vor der Kamera die Bewegungs-Übungen vor, die die Projekt-Teilnehmer zuhause nachmachen sollen.
FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Morgens um 8 Uhr geht’ s los: Louisa Maas, Bärbel Ehses und Florian Kirsch (von links) machen vor der Kamera die Bewegungs-Übungen vor, die die Projekt-Teilnehmer zuhause nachmachen sollen.

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