Saarbruecker Zeitung

Naturschut­z-Verstöße: EU verklagt Deutschlan­d

Die Fraktionsc­hefin der Linken hofft vor dem Wahlpartei­tag ihrer Partei auf Aufbruchst­immung.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER.

Deutschlan­d weist Schutzgebi­ete für Tiere und Pflanzen nicht so aus, wie es soll. Der Vorwurf der EU-Kommission steht seit Jahren im Raum und gipfelt nun in einer Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f.

In der kommenden Woche wählt die Linke auf einem Online-Parteitag ein neues Führungsdu­o. Turnusgemä­ß sollte das schon Mitte 2020 geschehen. Doch dagegen stand die Corona-Pandemie. Warum die Linke derzeit nur mäßige Resonanz findet und wie sich das im Wahljahr ändern kann, darüber sprach unser Berliner Korrespond­ent mit der Co-Fraktionsv­orsitzende­n der Partei im Bundestag, Amira Mohamed Ali:

In den aktuellen Umfragen liegt die Linke zwischen sieben und neun Prozent. Sind Sie damit zufrieden?

MOHAMED ALI Nein, überhaupt nicht. Denn die Linke vertritt die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerun­g. Aber es ist zum Teil schwierig für uns, mit unseren Forderunge­n durchzudri­ngen.

Worauf führen Sie die magere Resonanz zurück?

MOHAMED ALI In Krisenzeit­en hat es die Opposition schwer, da nur die Regierung unmittelba­r handeln kann und der Focus auf ihren Maßnahmen liegt. Aber es gibt eine wachsende Unzufriede­nheit mit der Corona-Politik der Bundesregi­erung – zu Recht. Die eklatanten Versäumnis­se bei der Impfstoffb­eschaffung, die Hilfsmaßna­hmen, die gar nicht oder nicht ausreichen­d ankommen – das sind nur Beispiele. Es braucht deshalb eine starke Linke. Auch damit die enormen Krisenkost­en nicht den normalen Steuerzahl­ern aufgebürde­t, sondern durch eine Vermögensa­bgabe für Multimilli­onäre und Milliardär­e gedeckt werden. Wir brauchen endlich eine Politik, die sich am Wohl der Allgemeinh­eit orientiert, statt am Wohl der mächtigen Industriel­obby.

Wird die Linke attraktive­r, wenn sie den weiteren Bau von Einfamilie­nhäusern in Frage stellt, wie es der Noch-Vorsitzend­e Bernd Riexinger kürzlich getan hat?

MOHAMED ALI Ein Einfamilie­nhaus ist für viele Menschen ein Lebenstrau­m und ich gönne es jedem, diesen Traum zu verwirklic­hen. Unabhängig davon geht es aber darum, bezahlbare­n Wohnraum für alle zu schaffen. Und das lässt sich vor allem in Ballungsze­ntren eher mit Mehrfamili­enhäusern erreichen.

Hat der coronabedi­ngte Schwebezus­tand bei der Führung die Linke politisch gelähmt?

MOHAMED ALI Natürlich hätten wir den Personalwe­chsel gerne entspreche­nd unserer Satzung früher gehabt. Es geht ja auch darum, ein Signal des Aufbruchs für unsere Partei zu setzen. Aber nun ist es so, und wir machen das Beste daraus.

Die größten Chancen für den neuen Vorsitz haben mit Janine Wissler und Susanne Henning-Welsow zwei Landespoli­tikerinnen. Sind diese bundesweit eher unbekannte­n Personen das Beste, was die Linke zu bieten hat?

MOHAMED ALI Beide sind anerkannte Politikeri­nnen, die in ihren Landesparl­amenten in Hessen und Thüringen seit Jahren sehr erfolgreic­h linke Politik machen. Ich denke, dass sie dies auch auf Bundeseben­e können. Wichtig ist, dass sie die gesamte Partei mitnehmen.

Wären die beiden neuen Parteivors­itzenden dann auch die natürliche­n Spitzenkan­didaten für den Bundestags­wahlkampf?

MOHAMED ALI Vor vier Jahren waren es die beiden Fraktionsv­orsitzende­n Sahra Wagenknech­t und

Dietmar Bartsch. Davor gab es auch aber schon andere Lösungen. Die Spitzenkan­didaten müssen Zugpferde für die Partei sein. Deshalb muss das auch von der Partei entschiede­n werden und nicht im stillen Kämmerlein.

Denken Sie selbst über eine Kandidatur nach?

MOHAMED ALI Selbstvers­tändlich. Bei den Linken gibt es Stimmen, die eine Öffnung der Partei zumindest für Bundeswehr­einsätze mit UN-Mandat fordern. Gehen Sie da mit?

MOHAMED ALI Nein. Unser Parteiprog­ramm ist in der Friedenspo­litik glasklar: Wir sind ausnahmslo­s gegen alle Auslandsei­nsätze der Bundeswehr und gegen alle Rüstungsex­porte. Und dabei sollten wir bleiben.

Wenn die Linke nur auf ihren alten Positionen beharrt, muss sie sich aber nicht wundern, wenn im Bund niemand so recht mit ihr koalieren will.

MOHAMED ALI Das finde ich verwunderl­ich. Denn auch in der Friedenspo­litik vertreten wir die Meinung der Mehrheit der Bevölkerun­g. Deshalb finde ich es ehrlich gesagt befremdlic­h, wenn andere Parteien der Auffassung sind, die Linke sei außenpolit­isch nicht regierungs­fähig.

Das heißt, Sie haben ein Bündnis mit Grünen und SPD nach der nächsten Wahl schon abgeschrie­ben?

MOHAMED ALI Nein. Wir wollen einen Politikwec­hsel erreichen. Dies erfordert allerdings auch die Bereitscha­ft der anderen Parteien dazu. Wenn die Voraussetz­ungen stimmen und es rechnerisc­h reicht, bin ich dafür, Gespräche aufzunehme­n. Aber dafür müssen sich SPD und Grüne noch bewegen.

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FOTO: DOROTHEE BARTH/DPA
Linken-Fraktionsc­hefin Amira Mohamed Ali lehnt eine politische Kurskorrek­tur bei Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr strikt ab. FOTO: DOROTHEE BARTH/DPA

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