Naturschutz-Verstöße: EU verklagt Deutschland
Die Fraktionschefin der Linken hofft vor dem Wahlparteitag ihrer Partei auf Aufbruchstimmung.
Deutschland weist Schutzgebiete für Tiere und Pflanzen nicht so aus, wie es soll. Der Vorwurf der EU-Kommission steht seit Jahren im Raum und gipfelt nun in einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
In der kommenden Woche wählt die Linke auf einem Online-Parteitag ein neues Führungsduo. Turnusgemäß sollte das schon Mitte 2020 geschehen. Doch dagegen stand die Corona-Pandemie. Warum die Linke derzeit nur mäßige Resonanz findet und wie sich das im Wahljahr ändern kann, darüber sprach unser Berliner Korrespondent mit der Co-Fraktionsvorsitzenden der Partei im Bundestag, Amira Mohamed Ali:
In den aktuellen Umfragen liegt die Linke zwischen sieben und neun Prozent. Sind Sie damit zufrieden?
MOHAMED ALI Nein, überhaupt nicht. Denn die Linke vertritt die Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Aber es ist zum Teil schwierig für uns, mit unseren Forderungen durchzudringen.
Worauf führen Sie die magere Resonanz zurück?
MOHAMED ALI In Krisenzeiten hat es die Opposition schwer, da nur die Regierung unmittelbar handeln kann und der Focus auf ihren Maßnahmen liegt. Aber es gibt eine wachsende Unzufriedenheit mit der Corona-Politik der Bundesregierung – zu Recht. Die eklatanten Versäumnisse bei der Impfstoffbeschaffung, die Hilfsmaßnahmen, die gar nicht oder nicht ausreichend ankommen – das sind nur Beispiele. Es braucht deshalb eine starke Linke. Auch damit die enormen Krisenkosten nicht den normalen Steuerzahlern aufgebürdet, sondern durch eine Vermögensabgabe für Multimillionäre und Milliardäre gedeckt werden. Wir brauchen endlich eine Politik, die sich am Wohl der Allgemeinheit orientiert, statt am Wohl der mächtigen Industrielobby.
Wird die Linke attraktiver, wenn sie den weiteren Bau von Einfamilienhäusern in Frage stellt, wie es der Noch-Vorsitzende Bernd Riexinger kürzlich getan hat?
MOHAMED ALI Ein Einfamilienhaus ist für viele Menschen ein Lebenstraum und ich gönne es jedem, diesen Traum zu verwirklichen. Unabhängig davon geht es aber darum, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Und das lässt sich vor allem in Ballungszentren eher mit Mehrfamilienhäusern erreichen.
Hat der coronabedingte Schwebezustand bei der Führung die Linke politisch gelähmt?
MOHAMED ALI Natürlich hätten wir den Personalwechsel gerne entsprechend unserer Satzung früher gehabt. Es geht ja auch darum, ein Signal des Aufbruchs für unsere Partei zu setzen. Aber nun ist es so, und wir machen das Beste daraus.
Die größten Chancen für den neuen Vorsitz haben mit Janine Wissler und Susanne Henning-Welsow zwei Landespolitikerinnen. Sind diese bundesweit eher unbekannten Personen das Beste, was die Linke zu bieten hat?
MOHAMED ALI Beide sind anerkannte Politikerinnen, die in ihren Landesparlamenten in Hessen und Thüringen seit Jahren sehr erfolgreich linke Politik machen. Ich denke, dass sie dies auch auf Bundesebene können. Wichtig ist, dass sie die gesamte Partei mitnehmen.
Wären die beiden neuen Parteivorsitzenden dann auch die natürlichen Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf?
MOHAMED ALI Vor vier Jahren waren es die beiden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und
Dietmar Bartsch. Davor gab es auch aber schon andere Lösungen. Die Spitzenkandidaten müssen Zugpferde für die Partei sein. Deshalb muss das auch von der Partei entschieden werden und nicht im stillen Kämmerlein.
Denken Sie selbst über eine Kandidatur nach?
MOHAMED ALI Selbstverständlich. Bei den Linken gibt es Stimmen, die eine Öffnung der Partei zumindest für Bundeswehreinsätze mit UN-Mandat fordern. Gehen Sie da mit?
MOHAMED ALI Nein. Unser Parteiprogramm ist in der Friedenspolitik glasklar: Wir sind ausnahmslos gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr und gegen alle Rüstungsexporte. Und dabei sollten wir bleiben.
Wenn die Linke nur auf ihren alten Positionen beharrt, muss sie sich aber nicht wundern, wenn im Bund niemand so recht mit ihr koalieren will.
MOHAMED ALI Das finde ich verwunderlich. Denn auch in der Friedenspolitik vertreten wir die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Deshalb finde ich es ehrlich gesagt befremdlich, wenn andere Parteien der Auffassung sind, die Linke sei außenpolitisch nicht regierungsfähig.
Das heißt, Sie haben ein Bündnis mit Grünen und SPD nach der nächsten Wahl schon abgeschrieben?
MOHAMED ALI Nein. Wir wollen einen Politikwechsel erreichen. Dies erfordert allerdings auch die Bereitschaft der anderen Parteien dazu. Wenn die Voraussetzungen stimmen und es rechnerisch reicht, bin ich dafür, Gespräche aufzunehmen. Aber dafür müssen sich SPD und Grüne noch bewegen.