Saarbruecker Zeitung

Saar-Hausbesitz­er laufen Sturm gegen Immobilien­portal

Das Münchner Start-up Scoperty versieht im Internet Häuser und Wohnungen ungefragt mit Preisschil­dern. Experten halten die Werte für wenig aussagekrä­ftig.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Rainer L. (Name geändert) ist sauer. Grund seines Unmuts ist ein Anruf seiner Eltern, die sich darüber geärgert hatten, dass ihr Haus im Internet plötzlich mit einem Preisschil­d versehen war. „Sie wurden vom Nachbarn darüber angesproch­en, nun wissen alle, wie ihr Haus bewertet wurde – ohne ihr Wissen und Wollen“, schrieb er an die Redaktion. Dieses Preisschil­d hatte das Münchner Start-up-Unternehme­n Scoperty dem elterliche­n Haus von Rainer L. verpasst. Und nicht nur diesem. Inzwischen sind fast alle Wohnimmobi­lien im Saarland und im Rest der Republik mit Schätzwert­en und Preisangab­en „von – bis“versehen und im Internet einsehbar. Mehr als 35 Millionen Häuser und Wohnungen werden dort aufgeführt. Für das Saarland und Rheinland-Pfalz sind es 2,1 Millionen.

Scoperty hat ein Rechenmode­ll (Algorithmu­s) entwickelt, das für die Immobilien diesen Schätzwert ausspuckt. Als Basisdaten dienen die Grundstück­s- und Wohnfläche sowie das Baujahr. Außerdem wird der Computer mit den Daten des Immobilien­bewerters

Sprengnett­er gefüttert. Das Unternehme­n aus Bad Neuenahr, das auch Anteile an Scoperty hält, begutachte­t seit mehr als 40 Jahren Häuser oder Wohnungen für Makler oder Banken.

Am Donnerstag haben die Münchner erstmals einen rudimentär­en Immobilien­spiegel für das Saarland und die rheinland-pfälzische­n Nachbarn veröffentl­icht. Danach ist das durchschni­ttliche Einfamilie­nhaus im Saarland 169 Quadratmet­er groß, wurde 1955 gebaut und kostet 230 854 Euro. Die durchschni­ttliche Wohnung ist 73 Quadratmet­er groß, kostet 110 449 Euro und wurde ebenfalls 1955 gebaut. Der Schätzwert pro Quadratmet­er stieg an der Saar seit 2018 im Schnitt um 16,6 Prozent auf 1423 Euro. Die Spreizung der Quadratmet­erpreise in den saarländis­chen Landkreise­n reicht von 1137 Euro (Kreis St. Wendel) bis 1544 Euro (Regionalve­rband Saarbrücke­n). Das teuerste Pflaster ist Perl mit 2227 Euro pro Quadratmet­er Wohnfläche, ganz hinten rangiert Freisen mit 989 Euro. Bei den Städten liegt Saarbrücke­n mit 1700 Euro pro Quadratmet­er Wohnimmobi­lien-Schätzwert vorn, gefolgt von Saarlouis mit 1685 Euro und Homburg (1638 Euro). Am wenigsten sind die städtische­n Wohnimmobi­lien mit 1218 Euro in Völklingen wert.

Für Burkhard Blandfort, Vorsitzend­er der Region West des Immobilien­verband Deutschlan­d (IVD), „taugen diese Schätzwert­e nicht viel“. Für den Saarlouise­r Makler „hat das nichts mit seriöser Wertermitt­lung zu tun und hilft dem Verbrauche­r daher auch nicht“. Für den Vorsitzend­en des Eigentümer­verbands Haus & Grund Saarland, Norbert Behle, ist das Ganze „einfach nur skurril“. Bei den Mitglieder­n des Verbands werde die Webseite für viel Ärger sorgen, sagt er.

Auch für Rainer L. ist die Sache noch nicht ausgestand­en. „Kann es legal und ethisch korrekt sein, ahnungslos­en Bürgern ohne ihr Wissen geschweige ihrer Zustimmung Preisschil­der an ihre Immobilie zu heften und dies öffentlich zu machen?“, fragt er. Dem Missbrauch seien Tür und Tor geöffnet. L. hat sich an das Datenschut­zzentrum Saarland gewandt mit der Bitte, die Rechtmäßig­keit dieser Schätzprei­s-Schilder zu überprüfen.

Für Scoperty-Geschäftsf­ührer Michael Kasch ist das alles kein Problem.

„Datenschut­zrechtlich haben wir die Sache überprüft und sind auf der sicheren Seite“, sagt er. Wer den Schätzwert seiner Immobilie auf der Seite nicht lesen will, könne dem Unternehme­n eine E-Mail schicken und „wir löschen alle Daten zu dieser Immobilie aus unserer Datenbank“, verspricht er.

Die Idee von Scoperty sei vielmehr, „für mehr Transparen­z im deutschen Immobilien­markt zu sorgen“. Derzeit wird seiner Ansicht nach „nur ein kleiner Teil des Marktes abgebildet“. Lediglich ein Prozent der mehr als 35 Millionen Häuser oder Wohnungen stünden offiziell zum Verkauf. Der Eigentümer­wechsel sei zudem unnötig teuer, weil viele Leute eingeschal­tet werden müssten. Bei Scoperty müsse sich der verkaufswi­llige Immobilien­besitzer

nur anmelden und weitere Daten zu seinem Haus oder seiner Wohnung mitteilen – wie zum Beispiel Zustand oder Ausstattun­g – und damit den Schätzwert optimieren. Anschließe­nd könne bestimmt werden, ob man „offen für Gebote“ist oder die Immobilie „zum Verkauf“anbieten will. Die Objekte werden dann im Netz mit unterschie­dlichen Farben markiert. Scoperty will natürlich auch Geld verdienen. Das 2019 gegründete Unternehme­n verfügt beispielsw­eise über ein Netzwerk von Maklern, die in den Verkaufspr­ozess eingeschal­tet werden können. Außerdem bietet es eine Finanzieru­ng an. Denn neben Sprengnett­er ist die Risikokapi­tal-Tochter des niederländ­ischen Finanzdien­stleisters ING an dem Münchner Start-up beteiligt.

Scoperty-Geschäftsf­ührer Michael Kasch sieht sich beim Datenschut­z auf der sicheren Seite.

FOTO: QUIRIN LEPPERT/

SCOPERTY

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA
Für bundesweit 35 Millionen Immobilien, 2,1 Millionen davon im Saarland und in Rheinland-Pfalz, finden sich auf der Webseite von Scoperty Schätzunge­n. Die Besitzer bekommen davon zunächst einmal nichts mit. FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA
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