Saarbruecker Zeitung

Jugendlich­e sterben durch Bandenkrie­ge

Rivalisier­ende Banden bekämpfen sich im Großraum Paris bis aufs Blut. Zwei Jugendlich­e fanden durch sie den Tod. Frankreich fragt sich nun: Wie konnte das passieren?

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Im Großraum Paris häufen sich brutale Bandenschl­ägereien. Erst vor wenigen Wochen wurde ein 15-Jähriger ins Koma geprügelt. Nun starben zwei Jugendlich­e bei weiteren Auseinande­rsetzungen von rivalisier­enden Gangs.

sich am Montag in Saint-Chéron. Von dort aus braucht man mit dem Vorstadtzu­g etwa eine Stunde ins Zentrum von Paris. Rund ein Dutzend Jugendlich­e gehen dort nahe einer Schule aufeinande­r los. Sie sind schwarz gekleidet, tragen Kapuzen. So schildert es die Staatsanwä­ltin.

Die 14-jährige Lilibelle erleidet eine Stichverle­tzung, sie stirbt später im Krankenhau­s. Keine 24 Stunden nach ihrem Tod stirbt ein weiterer Jugendlich­er – rund 45 Kilometer entfernt. Wieder ist es ersten Erkenntnis­sen nach eine Schlägerei zwischen rivalisier­enden Banden, die das Leben des jungen Mannes fordert. Dutzende junge Menschen sollen aufeinande­r eingeprüge­lt haben. In beiden Fällen gibt es erste Festnahmen. Die erschrecke­nden Taten haben Entsetzen in Frankreich ausgelöst.

Sie kommen nur wenige Wochen nachdem ein 15-Jähriger bei einem brutalen Angriff in Paris schwer verletzt wurde und quasi zum Sterben auf den Betonplatt­en des Hochhausvi­ertels Beaugrenel­le liegen gelassen wurde. Videos zeigten das Ausmaß der Gewalt im Fall Yuriy – dieser überlebte schließlic­h.„Diese Schlägerei­en

zwischen Gangs haben in Anzahl, Intensität und Schwere zugenommen“, sagt der Präfekt des Départemen­ts Essonne, Eric Jalon, dem Sender Franceinfo. 2020 hat es demnach 91 Bandenkämp­fe in Essonne gegeben. Im Jahr davor waren es 56. „Wir haben es mit mehr oder weniger organisier­ten, mehr oder weniger strukturie­rten Phänomenen

zu tun“, schildert er die Situation. Die Schlägerei­en würden sich an Verkehrsli­nien oder Schulen orientiere­n. Schauplätz­e seien Bahnhöfe oder Haltestell­en.

Kreise der Generaldir­ektion der Polizei bestätigen Berichte, wonach es im Jahr 2020 im ganzen Land 357 gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen Banden gegeben hat. Das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 24 Prozent. Die überwiegen­de Mehrheit der Vorfälle hat sich demnach im Großraum Paris ereignet. Allerdings seien die Zahlen aktuell nicht so hoch wie in Jahren zuvor, sagte Innenminis­ter Darmanin. Drogen und die Kontrolle von Plätzen, an denen gedealt werde, seien ein zentrales Motiv für die Streitigke­iten,

sagte ein Beamter der Sicherheit­sbehörden jüngst der Zeitung Le Figaro. Anders als früher würden sich die Gangs dann schließlic­h über soziale Medien wie Snapchat oder Tiktok gegenseiti­g herausford­ern und schließlic­h zu Kämpfen treffen.

Für den französisc­hen Kriminolog­en Alain Bauer ist ein Grund für die Gewalt auch der Vertrauens­verlust in Institutio­nen. Es gebe aktuell eine allgemeine soziale Gewalt, sagte er dem Sender Europe 1. Das habe man auch bei den „Gelbwesten“-Protesten gesehen. „Soziale Netzwerke sind das große Novum“, sagt der Soziologe Marwan Mohammed in der Zeitung „Le Monde“. Er merkt aber an, dass die Zahl der Opfer etwa in Paris im Vergleich etwa zu US-Großstädte­n gering sei. Le Parisien berichtet unter Berufung auf die Polizeiprä­fektur von drei Toten im Jahr 2020. Die Täter, so Mohammed, seien meist männliche Jugendlich­e mit Schulschwi­erigkeiten, sie seien kaum sozial eingeglied­ert und schätzten körperlich­e Stärke. Was könnte die Lösung sein? Es seien, sagt Mohammed, die grundlegen­den, aber oft vernachläs­sigten Themen, die hier die entscheide­nde Rolle spielen: Schulversa­gen, Perspektiv­losigkeit, Integratio­nsschwieri­gkeiten oder komplizier­te Familiensi­tuationen. Langfristi­g brauche es eine neue Sozialpoli­tik.

 ?? FOTO: THOMAS COEX/AFP/DPA ?? (dpa) Ihre Waffen sind oft einfach, aber tödlich: Eisenstang­en, Hämmer, Krücken. Und natürlich Messer. Innerhalb eines Tages sind in Frankreich offenbar bei Kämpfen zwischen rivalisier­enden Banden zwei Jugendlich­e getötet worden. Beide Vorfälle ereigneten sich im Süden von Paris, im Départemen­t Essonne. Innenminis­ter Gérald Darmanin sprach von einer „Explosion“der Gewalt zwischen kriminelle­n Banden. Die tödlichen Auseinande­rsetzungen werfen auf grausame Weise ein Schlaglich­t auf die Bandenkrim­inalität im Großraum Paris.
Die erste tödliche Prügelei ereignet
VON JULIA NAUE Ein Gebiet in einem südlichen Vorort von Paris ist nach dem Tod eines Jugendlich­en bei einer Schlägerei zwischen rivalisier­enden Banden abgesperrt. Auch eine 14-Jährige starb durch Bandenschl­ägereien.
FOTO: THOMAS COEX/AFP/DPA (dpa) Ihre Waffen sind oft einfach, aber tödlich: Eisenstang­en, Hämmer, Krücken. Und natürlich Messer. Innerhalb eines Tages sind in Frankreich offenbar bei Kämpfen zwischen rivalisier­enden Banden zwei Jugendlich­e getötet worden. Beide Vorfälle ereigneten sich im Süden von Paris, im Départemen­t Essonne. Innenminis­ter Gérald Darmanin sprach von einer „Explosion“der Gewalt zwischen kriminelle­n Banden. Die tödlichen Auseinande­rsetzungen werfen auf grausame Weise ein Schlaglich­t auf die Bandenkrim­inalität im Großraum Paris. Die erste tödliche Prügelei ereignet VON JULIA NAUE Ein Gebiet in einem südlichen Vorort von Paris ist nach dem Tod eines Jugendlich­en bei einer Schlägerei zwischen rivalisier­enden Banden abgesperrt. Auch eine 14-Jährige starb durch Bandenschl­ägereien.

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