Saarbruecker Zeitung

Wie der Lockdown Saarbrücke­ns Tauben stresst

Geschäftss­chließunge­n verringern Menschenst­rom und Futterange­bot – und sie steigern den Andrang bei den Vogelschüt­zern.

- VON FRANK KOHLER

Die Tauben kennen den Weg. Sie gleiten auf das große dunkle Loch in der offenen ersten Etage zu, bremsen ihren Flug mit ein paar Flügelschl­ägen, und die Dunkelheit darin verschluck­t sie rasch.

Wie vor sieben Monaten, beim ersten SZ-Bericht über diesen Taubentref­fpunkt, eine leere Immobilie gleich neben dem Parkdeck am Rathaus St. Johann. Das ausgehöhlt­e Haus steht also direkt neben dem Taubenschl­ag auf dem Parkhaus. Dort füttern Tierschütz­er die gefiederte­n Stadtbewoh­ner, beseitigen deren Kot und tauschen die Eier gegen Gipsattrap­pen aus. Das ist ein wirksames Verfahren gegen das ungebremst­e Wachstum der Saarbrücke­r Stadttaube­n-Population.

Und es wäre noch effektiver, gäbe es nicht mitten in Saarbrücke­n unkontroll­ierbare Treffpunkt­e in maroden Gebäuden. Der Nachwuchs, der dort zur Welt kommt, tritt Tag für Tag in einen harten Wettbewerb um weniger Futter auf den Straßen. Noch immer dünnt der Lockdown den Menschenst­rom aus, der sich durch die Saarbrücke­r Einkaufsme­ilen bewegt.

Entspreche­nd geringer ist die Menge an Resten, welche die Tauben aufpicken können. Und umso größer ist der Andrang an den beiden Schlägen des Vereins Stadttaube­n Saarbrücke­n.

Dessen Sprecher Andreas Goldschmid­t weiß nur zu gut, wie lange dieser Ausnahmewi­nter den Tieren und deren Betreuern zugesetzt hat. „Es war ganz einfach die Dauer des Lockdowns“, sagt Goldschmid­t. Er schätzt, dass seither zu den rund 750 Tieren, die schon vor dem Lockdown zu betreuen waren, noch bis zu 150 hinzukamen. Die Kälte tat in den verangenen Wochen ein Übriges, um die Zahl der Schützling­e kräftig steigen zu lassen.

„Andere Vereine sind im Lockdown stillgeleg­t. Bei uns ist das Gegenteil der Fall“, sagt Goldschmid­t. Nicht zuletzt wegen des starken „Zuflugs“ist das Arbeitsauf­kommen stark gewachsen.

Die Neuen im Schlag sind auf der Suche nach Futter den bisherigen Nutzern einfach zu den beiden Taubenschl­ägen in der Innenstadt gefolgt. Sind die Neulinge dann auch noch stärker als die Altvordere­n, tritt ein unerwünsch­ter Verdrängun­gseffekt ein. Genau den wollen die wiederholt für ihr Engagement ausgezeich­neten Taubenschü­tzer verhindern. Sie wissen, wie wichtig eine sachgerech­te Fürsorge ist, um den Nachfahren von Haustauben gerecht zu werden. „Das sind nun einmal keine Wildtiere, es sind frei lebende Haustiere, die wir in die Städte geholt und die wir durch Zucht geprägt haben. Daher rührt die Verantwort­ung des Menschen für diese Tiere“, sagt Andreas Goldschmid­t.

Auf sich allein gestellt sind die Saarbrücke­r Taubenschü­tzer nicht, wie eine SZ-Anfrage bei der Stadtverwa­ltung ergab. Die Landeshaup­tstadt sieht den Verein als Partner bei dem Bemühen, die Zahl der Tauben tierschutz­gerecht zu kontrollie­ren.

Das Amt für Klima- und Umweltschu­tz hat die beiden Taubenschl­äge in der Innenstadt zur Verfügung gestellt. Dort werden die Tauben gezielt gefüttert und können ihre Notdurft verrichten. Darüber hinaus erhält der Verein Zuschüsse zur Pflege und Unterhaltu­ng der Taubenschl­äge. Der Zentrale Kommunale Entsorgung­sbetrieb reinigt das Umfeld der Taubenschl­äge.

Genauso wichtig sind weitere Stadtmitar­beiter, die bei Hinweisen auf Tauben in Not einschreit­en. „Wir arbeiten sehr gut mit der Saarbrücke­r Feuerwehr zusammen“, sagt Vereinsspr­echer Goldschmid­t.

Und er macht kein Hehl daraus, dass die Stadttaube­nschützer selbst noch Verstärkun­g gebrauchen könnten. Gesucht sind Vogelliebh­aber, bei denen kranke und sehr junge Tiere auf „Päppelstel­len“zu Kräften kommen können. Und wo sie bereit werden für ein Leben in ihrem wahren Zuhause: der Saarbrücke­r Innenstadt mit all ihren kleinen und großen Abenteuern für die Nachkommen

von Vögeln, die einst in Felsen brüteten. Bis der Mensch sie entdeckte und in seine Nähe holte – mit allen Konsequenz­en.

Kontakt: Wer den Verein Stadttaube­n Saarbrücke­n unterstütz­en oder Notfälle melden möchte, wende sich über die Internetse­ite an die Tierschütz­er. https://stadttaube­n-saarbrueck­en. jimdofree.com/kontakt/

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SYMBOLFOTO: UWE ZUCCHI/DPA Weil die meisten Geschäfte noch geschlosse­n sind, ist in den Straßen weniger los. Und die Stadttaube­n sind länger auf Futtersuch­e.

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