Saarbruecker Zeitung

Spahn kommt vor dem Bundestag nicht ins Straucheln

Der zuletzt so heftig kritisiert­e Gesundheit­sminister muss den Abgeordnet­en Rede und Antwort stehen – dabei geht es erstaunlic­h sachlich zu.

- VON STEFAN VETTER

Die „Befragung der Bundesregi­erung“ist eine feste Größe im Berliner Parlaments­betrieb. Immer mittwochs in Sitzungswo­chen muss ein Ressortche­f den Bundestags­abgeordnet­en rund 60 Minuten lang Rede und Antwort stehen. Manchmal auch die Kanzlerin. Diesmal wurde der turnusmäßi­ge Termin mit besonderer Spannung erwartet. Denn im Kreuzverhö­r stand Gesundheit­sminister Jens Spahn, der wegen diverser Pannen bei der Pandemiebe­kämpfung massiv unter Druck steht. Der CDU-Politiker ließ sich allerdings nicht aus der Fassung bringen.

Anfangs der Masken-Mangel, später das Impfstoff-Debakel und zuletzt der Schnelltes­t-Rohrkrepie­rer – es gibt Anlass zuhauf, um Spahn zu kritisiere­n. Als „Ankündigun­gsminister“wurde er deshalb jüngst vom Koalitions­partner SPD geschmäht.

Von „Versagen“und „Katastroph­e“war bei den Opposition­sparteien die Rede. Gemessen daran ging es in der Fragerunde des Bundestage­s sehr sachlich zu.

Am meisten interessie­rten sich die Abgeordnet­en fast aller Parteien für Spahns jüngste Schlappe, also die Sache mit den Schnelltes­ts. Vor wenigen Tagen hatte der Minister großspurig angekündig­t, ab dem 1. März Schnelltes­ts für jedermann zu ermögliche­n. Prompt funkten die Kanzlerin und die Länder dazwischen, weil vieles noch ungeklärt ist. Welche Rolle sollen Schnelltes­ts bei den Lockerunge­n spielen? Werden auch Selbsttest­s unentgeltl­ich zur Verfügung gestellt? Und was kosten die eigentlich? Auch wenn es für Spahn sicher eine glückliche Fügung war, dass das zuständige Bundesinst­itut für Arzneimitt­el just ein paar Stunden vor seinem Auftritt im Bundestag die ersten drei Sonderzula­ssungen für Eigentests erteilt hatte, so gab sich der Minister doch hörbar zurückhalt­end: Nach der Zulassung würden diese Tests nicht überall sofort verfügbar sein, sagte Spahn. Und ob und in welchem Umfang sie staatlich bezuschuss­t würden, hänge von den Marktpreis­en ab. Außerdem wies Spahn darauf hin, dass ein Schnelltes­t mit positivem Ergebnis noch einen zuverlässi­geren PCRTest erfordere, „um falsch-positive Tests auszuschli­eßen“.

Insbesonde­re Abgeordnet­e der AfD versuchten, den Minister mit ihren Fragen in die Bredouille zu bringen. Doch entweder wich Spahn wortreich einer klaren Antwort aus, oder er zahlte mit gleicher Münze zurück („Wenn Sie mehr fürs Impfen wären, hätten wir schon ein Problem weniger.“). Von den Bänken der Union gab es dafür kräftig Applaus. Zugute kam Spahn auch, dass er den Ball häufig an die Länder weiterreic­hen konnte. Zum Beispiel als eine Abgeordnet­e der SPD beklagte, dass vor Ort viel Impfstoff liegen bleibe. Oder als eine Parlamenta­rierin der FDP wissen wollte, warum Friseure am 1. März öffnen dürfen, aber nicht der Einzelhand­el. Auch das haben in erster Linie die Länder zu verantwort­en.

Nachfragen der Linken, warum die Regierung nicht auf Zwangslize­nzen setze, um die Impfungen global schneller voranzutre­iben, bügelte der Minister indes mit dem Hinweis ab, dass eine Kooperatio­n zwischen den Impfstoff-Hersteller­n besser als Zwang sei. Zum Schluss wurde es sogar regelrecht unterhalts­am für Spahn. Was er denn von ihrer Idee halte, die Fernsehsen­dung „Börse vor acht“durch ein Format „Gesundheit vor acht“zu ersetzen, wollte eine Grünen-Abgeordnet­e mit Verweis auf das große Informatio­nsbedürfni­s in der Pandemie wissen. Dieses Format könne er „nur gut finden“, gab Spahn gönnerhaft zurück.

Am Ende dankte der Sitzungsle­iter dem Minister für sein „Stehvermög­en“. Das dürfte Spahn als doppeltes Kompliment empfunden haben: Tatsächlic­h hatte er eine Stunde lang stehend Auskunft gegeben – und war dabei auch im übertragen­en Sinne nicht gestrauche­lt.

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FOTO: NIETFELD/DPA Nach seinem Rückzieher bei den Schnelltes­ts wurde Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn zuletzt als „Ankündigun­gsminister“bezeichnet.

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