Saarbruecker Zeitung

„Emotional deutlich belastet, öfter schulisch zurückgewo­rfen“

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(esb) Ein Blitzlicht auf die schwierige Situation der Familien im Saarbrücke­r Brennpunkt Unteres Malstatt wirft die (nicht repräsenta­tive) Umfrage des Saarbrücke­r Instituts für Sozialfors­chung, Praxisbera­tung und Organisati­onsentwick­lung (Ispo) im Auftrag des Diakonisch­en Werks. Nach dem ersten Corona-Lockdown wurden dort 87 Kinder und Jugendlich­e sowie 44 Eltern befragt. Fast 80 Prozent der Befragten sprechen entweder Arabisch, Kurdisch oder Türkisch (in dieser Reihenfolg­e) als Erstsprach­e. Das Ispo begleitet das Kinderbild­ungszentru­m Kibiz seit dessen Gründung wissenscha­ftlich.

„Gut die Hälfte der befragten Kinder ist emotional belastet, mindestens 20 Prozent wohl auch schulisch zurückgewo­rfen“, fasst Ispo-Geschäftsf­ührer Erik Schäffer die gerade ausgewerte­ten Ergebnisse der kleinen Studie zusammen. Auf die Frage nach dem persönlich­en Erleben des ersten Lockdowns hagelte es traurige bis tieftrauri­ge Smileys auf dem Kinderfrag­ebogen (rund 43 Prozent). 38 Prozent der Kinder gaben an, niemanden zum Reden über ihre Sorgen zu haben. Jedes dritte berichtete von viel mehr Streit in der Familie. Nach Gewalterfa­hrungen wurde nicht explizit gefragt. Anderersei­ts fanden es auch 38 Prozent der befragten Kinder und ähnlich viele Eltern schön, mehr Zeit mit der Familie zu haben.

„Dass die Tagesstruk­tur für viele Kinder weggebroch­en ist, sieht auch das pädagogisc­he Personal im Kibiz als großes Problem“, sagt Schäffer. So gaben fast die Hälfte der Kinder an, sehr viel mehr online zu spielen und zu chatten, auch nachts. Ein Handy zum Spielen ersetzt noch kein geeignetes Gerät fürs Lernen von zu Hause. Denn dafür braucht man auch ein stabiles Internet. 50 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass ihre technische Ausstattun­g nicht ausreichen­d sei. Rund 40 Prozent waren nicht in der Lage, bei den Aufgaben zu helfen, vor allem wegen mangelnder Sprachkenn­tnisse.

Auch wenn sich über die Hälfte gut unterstütz­t seitens der Lehrkräfte fühlte, sahen dies rund 38 Prozent anders.

Von den befragten Kindern gaben rund 40 Prozent an, nicht gut zu hause lernen zu können. Lernmateri­al erhielt knapp die Hälfte per Mail und 22 Prozent per Post. Zehn Prozent der Schüler wussten gar nicht, was zu tun ist. Rund 17 Prozent hatten nach eigenen Angaben gar keine Hilfe zu hause. Und immerhin 23 Prozent gaben an, keine Lehrer-Rückmeldun­gen erhalten zu haben oder nur „manchmal“(42 Prozent). „Ein Viertel dieser Kinder und Jugendlich­en hat ein hohes Risiko für den weiteren Lebensweg aufgrund geringerer Bildungsch­ancen und weniger gesellscha­ftlicher Teilhabe“, fasst der Sozialwiss­enschaftle­r Erik Schäffer zusammen.

Die Ergebnisse der nicht repräsenta­tiven Ispo-Befragung korreliere­n mit ähnlichen, breiter angelegten in anderen Städten und sozialen Brennpunkt­en.

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