Mit Selbstdisziplin und Empathie durch die Krise begleiten
Fachtagung an diesem Donnerstag gibt Fachkräften in Kita, Schule und der Jugendhilfe Tipps, wie sie Kindern durch die Corona-Pandemie helfen.
Unter dem Titel „Kontakt. Beziehung. Resonanz – Orientierung in der Corona-Krise“veranstaltet das Landesinstitut für Präventives Handeln mit Unterstützung des saarländischen Bildungsministeriums heute eine Online-Fachtagung für Fachkräfte in Kitas, Schulen und der Jugendhilfe. Expertinnen und Experten aus Kinderschutz, Medizin, Psychiatrie, Psychologie und der Praxis geben Hilfe für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen in der Pandemie-Situation. Zum Auftakt der Tagung spricht Professor Dr. Joachim Bauer aus Berlin zum Thema „Kinder und Jugendliche in Krisenzeiten: Die Bedeutung interpersoneller Resonanz“. Der Arzt, Neurowissenschaftler und Psychotherapeut hat das bundesweit bekannte „Lehrercoaching nach dem Freiburger Modell“entwickelt, welches auf die Stärkung der Beziehungskompetenz von Lehrkräften abzielt.
Herr Bauer, Sie eröffnen die Fachtagung mit einem Vortrag über „interpersonelle Resonanz“für Kinder und Jugendliche.Worum geht es?
BAUER Stellen Sie sich zwei gut gestimmte Gitarren vor, die sich in geringem Abstand gegenüber stehen. Wenn Sie bei der ersten Gitarre eine bestimmte Saite kräftig anzupfen, dann wird ihr Klang die entsprechende Saite der zweiten Gitarre zum Mitklingen bringen. Das ist Resonanz. Das Gehirn des Menschen besitzt ein Nervenzell-System, das nach dem Resonanzprinzip aktiviert werden kann, allerdings nicht durch Zupfen und durch Schallwellen wie im Beispiel der beiden Gitarren, sondern durch Sprache und Körpersprache.
Was bedeutet das wiederum bezogen auf die Schule?
BAUER Resonanz im Unterricht bedeutet für eine Lehrkraft, abwechselnd beides zu sein: erste und zweite Gitarre. Die erste Gitarre zu sein bedeutet: Ausstrahlung. Also dass die Art meines Auftretens bei Schülerinnen und Schülern Resonanz auslöst, zum Beispiel Interesse oder Begeisterung. Die zweite Gitarre zu sein, heißt: Empathie. Also in sich ein Stück weit zu spüren, wie es den Kindern geht, zum Beispiel, dass dieses Kind sich schämt etwas zu sagen, dass ein anderes kein Selbstvertrauen hat, wiederum ein anderes stört, weil es nach Aufmerksamkeit sucht.
Wenn ich als Lehrerin 30 Kinder unterrichte, kann ich allen Resonanz geben? Und wenn der Unterricht coronabedingt digital stattfindet?
BAUER Zu große Lerngruppen machen Lehrkräften das beziehungs-orientierte Unterrichten sehr schwer. Beim digitalen Unterricht kommt hinzu, dass die feinen Zwischentöne, also Blickkontakt, Gestik, Mimik, die im Unterricht eine große Rolle spielen, verloren gehen. Daher kann digitaler Unterricht nur eine überbrückende Notlösung, allenfalls ein ergänzendes Element sein.
Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu stärken, damit sie gut durch die Krise kommen?
BAUER Das Wichtigste ist, ihnen die Situation immer wieder von Neuem geduldig und liebevoll zu erklären. Bevor sie in die Pubertät kommen, sehen Kinder die Welt durch die Augen ihrer Eltern. Je schwerer sich die Eltern mit den Maßnahmen tun, desto schwerer tut sich das Kind. Die Selbstdisziplin der Eltern ist also von großer Bedeutung für das Kind. Der zweitwichtigste Punkt ist, gemeinsam mit dem Kind eine Tagesstruktur zu vereinbaren. Sie sollte einerseits kleine Zeiteinheiten enthalten, wo das Kind sich auf etwas fokussiert, also lernt oder übt, und andererseits einige Elemente, auf die das Kind sich freuen kann. Wichtig und wissenschaftlich belegt ist der Wert mindestens einer gemeinsamen Mahlzeit am Tag. Jedes Kind sollte jeden Tag an die frische Luft, am besten in die freie Natur und sich dort bewegen, rennen und spielen können. Auch den Eltern tut die Natur gut. Einige neuere Studien zeigen, dass die Natur das beste Antidepressivum ist – und das für alle Altersgruppen.