Saarbruecker Zeitung

Der Tarifplan für die Altenpfleg­e ist geplatzt

Bei der Union schießt man sich im Wahlkampf auf den möglichen Koalitions­partner ein. Die plötzliche Angriffslu­st hat ihre Gründe.

- VON HAGEN STRAUSS

Aus einem allgemeine­n Tarifvertr­ag für höhere Löhne in der Altenpfleg­e wird vorerst nichts. Ein Gremium der Caritas lehnte den Vorstoß ab. Nicht nur für den Bundesarbe­itsministe­r ist das ein Schlag.

Das grüne Gespenst macht manchem in der Union wieder Angst. Und es hat auch einen Namen: Anton Hofreiter. Der Fraktionsv­orsitzende der Grünen verkörpert das, was ihnen schon immer auf den Geist gegangen ist – „zu viel Schweinche­n schlau“, spottete kürzlich einer aus der CDU. Im Jahr der Bundestags­wahl entfremden sich Schwarze und Grüne in einigen Politikber­eichen wieder mehr, als ihnen eigentlich lieb sein kann.

Auch in dieser Woche bekam Hofreiter ordentlich auf die Mütze. Der Bundestag debattiert­e die Wohnungspo­litik,

und da lag es nahe, den „Toni“und die von ihm entfachte Diskussion über die Zukunft der Eigenheime noch einmal ins Visier zu nehmen. Der Grüne hatte sich in einem Interview skeptisch zum Neubau geäußert, unter anderem wegen des Flächen- und Energiever­brauchs. Was er gesagt habe, sei „ein Schlag ins Gesicht aller, die vom eigenen Haus träumen“, wetterte CDU-Mann Kai Wegner. Hofreiter sei „Fraktionsv­orsitzende­r der Partei der Teure-Altbauwohn­ungen-Besitzer“, ätzte CSU-Mann Ulrich Lange im Parlament. Dass man künftig vielleicht zusammen auf der Regierungs­bank sitzt, war in der Debatte ganz weit weg.

Schon Anfang der Woche hatte CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak erklärt, die Grünen seien unter ihrem „bürgerlich­en Zuckerguss“ keine bürgerlich­e Partei. Genau darum geht es. Wer die Bundestags­wahl gewinnen will, muss breite Wählerschi­chten ansprechen und die Mitte erobern. Dort tummeln sich aber mit ihren beiden galanten Vorsitzend­en Robert Habeck und Annalena Baerbock verstärkt die Grünen, die derzeit stabil um die 20 Prozent in den Umfragen liegen. Die Union hat die Partei daher zum Hauptgegne­r im Wahlkampf auserkoren.

Erstens, weil es das erklärte Ziel der Grünen ist, das Kanzleramt zu erobern. Zweitens, um Grün-RotRot zu verhindern. Wann immer es geht, sind Unionisten nun wieder dabei, den Grünen den Stempel der Verbotspar­tei aufzudrück­en. Hofreiter legte mit seinen Äußerungen dafür den Ball ungewollt auf den Elfmeterpu­nkt. Dem Fraktionsc­hef vom linken Flügel werden allerdings auch Ministeram­bitionen nach der Bundestags­wahl unterstell­t. Es heißt, er laufe sich für Verkehr oder Landwirtsc­haft warm. In der Union macht das einige zusätzlich unruhig. Aber nicht nur Hofreiter und seine Positionen bereiten CDU-lern Sorge. Inhaltlich werden die Differenze­n immer deutlicher, die bei möglichen Koalitions­verhandlun­gen nach der Wahl im September zu hohen Hürden werden könnten. In dieser Woche fielen etwa die Rechts- und Innenpolit­iker der Union regelrecht über die Grünen her. Grund war, dass das Gesetz zur Neuregelun­g der Bestandsda­tenauskunf­t, mit dem Rechtsextr­emismus und Hasskrimin­alität im Netz bekämpft werden soll, im Vermittlun­gsausschus­s von Bundesrat und Bundestag landete. Obwohl die schwarz-rote Koalition Vorgaben aus Karlsruhe eingearbei­tet hatte, sagten die Grünen über ihre Länderbete­iligungen „Nein“. Angeblich auf Druck der Bundestags­fraktion.

„Dieses Verhalten ist im besonderen Maße verantwort­ungslos“, schimpfte Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei. Man könne „nicht täglich zum Kampf gegen den Rechtsextr­emismus auffordern“und dann mit der Blockade des Gesetzes im Bundesrat dafür sorgen, dass nichts vorangehe. Da sei an „Doppelzüng­igkeit“nicht zu überbieten. Hört man sich in der Union um, werden weitere Themen genannt, weshalb die Grünen noch lange kein Wunschpart­ner sind: Schuldenbr­emse, Flüchtling­spolitik, Klimaschut­z, „sehr unterschie­dliche Sichtweise­n“gebe es. Und im Wahlkampf dürften es noch mehr werden.

 ?? FOTOS: KIRCHNER/KAPPELER/DPA ?? Der Union um CDU-Chef Armin Laschet (links) und Bayerns Ministerpr­äsident, CSU-Chef Markus Söder, ist das Erstarken der Grünen mit Umfragewer­ten um die 20 Prozent ein Dorn im Auge. Deshalb haben CDU/CSU die Partei mit ihren beiden Vorsitzend­en Robert Habeck (rechts) und Annalena Baerbock zum Hauptgegne­r im Bundestags­wahlkampf auserkoren.
FOTOS: KIRCHNER/KAPPELER/DPA Der Union um CDU-Chef Armin Laschet (links) und Bayerns Ministerpr­äsident, CSU-Chef Markus Söder, ist das Erstarken der Grünen mit Umfragewer­ten um die 20 Prozent ein Dorn im Auge. Deshalb haben CDU/CSU die Partei mit ihren beiden Vorsitzend­en Robert Habeck (rechts) und Annalena Baerbock zum Hauptgegne­r im Bundestags­wahlkampf auserkoren.
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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Am Grünen-Fraktionsv­orsitzende­n Anton Hofreiter reiben sich derzeit viele in der Union.

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