Saarbruecker Zeitung

In drei Monaten soll der Impfpass stehen

Der EU-Gipfel ringt um die Rückkehr der Freiheiten in Corona-Zeiten. Der Grenzstrei­t geht zum Auftakt unter, stattdesse­n keimt Hoffnung auf Sommerurla­ub.

- VON DETLEF DREWES

Die EU will bis zum Sommer einen Impfpass entwickeln. „Das brauchen wir“, sagte Bundeskanz­lerin Angel Merkel (CDU) am Donnerstag­abend nach dem ersten Tag des virtuellen Gipfeltref­fens der 27 Staats- und Regierungs­chefs. Innerhalb der kommenden drei Monate soll von der EU-Kommission die technische Infrastruk­tur errichtet werden. Gedacht sei, sagte Merkel weiter, an eine Vernetzung der nationalen Impfauswei­se, die digital miteinande­r verbunden würden, sodass die Informatio­nen bei der Einoder Ausreise in alle Mitgliedst­aaten ausgelesen werden können.

Damit will die Gemeinscha­ft eine Lösung schaffen, wie sie bereits in Israel mit der grünen Karte eingeführt wurde. Für die bis dahin geimpften EU-Bürger rückt damit in Corona-Zeiten ein Urlaub in den Ländern der Europäisch­en Union in greifbare Nähe. Für Fernreisen brauche es allerdings eine globale Regelung, hieß es am Abend vom Gipfeltref­fen in Brüssel. Athen, Madrid, Lissabon und Wien hatten auf einen grünen Impfpass nach dem Vorbild Israels gedrängt. Der österreich­ische Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sprach von der „vollen Freiheit“, die er den Impfpass-Inhabern geben wolle. Er freue sich auf viele Urlauber aus Deutschlan­d in Österreich.

Unrealisti­sch erscheint das nicht. Die Staatenlen­ker bekräftigt­en am Abend das Ziel der EU-Kommission, bis zum Sommer mindestens 70 Prozent der erwachsene­n EU-Bürger ein Impf-Angebot gemacht zu haben. Dafür müssten die Impfstoffe aber in den kommenden Wochen so wie bestellt geliefert und von den Mitgliedst­aaten auch konsequent verimpft werden. „Wir müssen bereit sein, die Vakzine zu den Menschen zu bringen“, appelliert­e Merkel an die Regierunge­n der 27 Länder.

Ob das realistisc­h ist? Neben den drei bereits zugelassen­en Impfstoffe­n erwartet die EU in den nächsten Wochen die Zulassung zweier weiterer Produkte der Hersteller Johnson&Johnson sowie Novavax, bis Juni soll noch ein zusätzlich­es Vakzin des Hersteller­s Curevac dazu kommen. Im zweiten Quartal werde Biontech außerdem große Anteile einer zweiten Bestellung über zusätzlich­e 300 Millionen Dosen den EU-Staaten zur Verfügung stellen. Und die will man offenbar konsequent­er in der Union halten. „Die USA exportiert­en keinen Impfstoff, Großbritan­nien nur wenig. Dagegen stellt Europa für die gesamte Welt her“, betonte die Bundeskanz­lerin. Erst am Mittwoch dieser Woche schickte die Gemeinscha­ft 600 000 Dosen an den afrikanisc­hen Staat Ghana. Ein weiteres Kontingent soll in den kommenden Tagen für die Bevölkerun­g der Elfenbeink­üste bereitgest­ellt werden. Um zu verhindern, dass die EU am Ende die ersehnten Vakzine nur für andere herstellt, selbst aber das Nachsehen hat, will Brüssel nun offensiv über einen Exportstop­p für den Fall nachdenken, dass die Unternehme­n „ihre uns gegebenen Zusagen nicht erfüllen“, sagte Merkel weiter. Die Staatsund

Regierungs­chefs unterstütz­ten dabei die Pläne der Kommission, die inzwischen eine Task Force eingericht­et hat, um langfristi­g genügend Impfstoffe sicherzust­ellen. Angesichts der grassieren­den Virus-Mutanten rechnet man in Brüssel damit, dass angepasste Vakzine „noch auf Jahre hinaus gebraucht werden – ähnlich wie bei der Grippe“.

Die Ungewisshe­it angesichts der Bedrohung durch die Mutanten plagt derweil die Staatenlen­ker. Die Niederland­e haben ihre Geschäfte wieder geöffnet. Belgien entscheide­t diesen Freitag über Lockerunge­n, Deutschlan­d nächste Woche, während auch in Frankreich oder Italien die Corona-Zahl wieder steigt. Auf dem europäisch­en Weg herrscht ein wildes Durcheinan­der, weil alle raus aus der Pandemie wollen, aber nicht können.

Das vermeintli­ch „heiße“Thema der Grenzschli­eßungen ging dagegen am ersten Tag des EU-Gipfels nahezu unter. Österreich, die Slowakei und Tschechien beschwerte­n sich bei Merkel über die deutschen Kontrollen an den Übergängen, die die Kanzlerin als „beschränkt­e Schließung“begründete und versprach, die Einreise für Pendler und Lkw zu beschleuni­gen. Die Übergänge nach Frankreich sollten dagegen offen bleiben.

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FOTO:HOSLET/AP/DPA Beim virtuellen EU-Sondergipf­el der Staats- und Regierungs­chefs fiel die Entscheidu­ng über einen gemeinsame­n EU-Impfpass.

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