Saarbruecker Zeitung

AfD-Spitzenper­sonal liegt im Clinch miteinande­r

Der Streit um die Ausrichtun­g der AfD ist so alt wie die Partei selbst. Doch vor den anstehende­n Wahlen nehmen auch die persönlich­en Animosität­en zu.

- VON ANNE-BÉATRICE CLASMANN

(dpa) In ihrem Leitantrag für das Programm zur Bundestags­wahl schürt die AfD Misstrauen gegen Parteien und die repräsenta­tive Demokratie. Misstrauen ist aktuell auch in der Partei selbst spürbar. Das zeigt sich besonders in dem Konflikt um die Benennung eines AfD-Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl.

„Das totalitäre Gebaren der Regierungs­politiker kann einzig mit Mitteln der unmittelba­ren Demokratie gestoppt werden“, heißt es in dem Antrag der Programmko­mmission, über den die Delegierte­n bei einem Bundespart­eitag am 10. und 11. April in Dresden entscheide­n sollen. Volksentsc­heide sollen her, auch auf Bundeseben­e. An anderer Stelle führen die Autoren des Antrags aus: „Die Allmacht der Parteien und deren Inanspruch­nahme des Staates gefährden unsere Demokratie.“Auch wenn es im Grundgeset­z heißt: „Die Parteien wirken bei der politische­n Willensbil­dung des Volkes mit.“

Der AfD-Vorsitzend­e Jörg Meuthen tritt bei der Bundestags­wahl selbst nicht an. Er werde in Brüssel bleiben, teilte der Europaabge­ordnete mit. Eine klare Meinung dazu, wie es im Wahlkampf laufen soll, hat er trotzdem. Meuthen will, dass die AfD auf ihrem Parteitag noch keinen Spitzenkan­didaten für die Wahl am 26. September kürt. Und zwar, weil die Aufstellun­g der Kandidaten­listen in einigen Bundesländ­ern wegen der Einschränk­ungen durch die Corona-Pandemie bis dahin nicht abgeschlos­sen sein wird.

Die Überlegung dahinter: Wäre schon jemand als Aushängesc­hild für den Wahlkampf benannt worden, könnten sich die Delegierte­n in den Ländern genötigt fühlen, ihn oder sie auf einen aussichtsr­eichen Listenplat­z zu wählen. Damit wären sie in ihrer freien Entscheidu­ng behindert. Oder das Gegenteil tritt ein: ein auf dem Parteitag gewählter Spitzenkan­didat fällt hinterher bei der Aufstellun­gsversamml­ung durch.

Die Außenwirku­ng wäre womöglich verheerend, stünde die AfD doch als zerstritte­ne Chaostrupp­e da.

Auch auf Meuthens Betreiben hin lehnte der AfD-Bundesvors­tand am Montag den Antrag ab, die Spitzenkan­didaten-Wahl auf die Tagesordnu­ng des Parteitage­s zu setzen. Tino Chrupalla, der Spitzenkan­didat in Sachsen ist und die Partei gemeinsam mit Meuthen führt, hält diese Entscheidu­ng für falsch. Ebenso die beiden Vorsitzend­en der Bundestags­fraktion, Alexander Gauland und Alice Weidel. „Die Köpfe müssen zu

Beginn des Wahlkampfe­s hinter einer Kampagne stehen und nicht erst kurz vor der Wahl aus dem Hut gezaubert werden – dann ist es nämlich zu spät“, sagt Weidel.

Auf Meuthens Seite steht in der Spitzenkan­didatur-Frage unter anderem der Vorsitzend­e des nordrhein-westfälisc­hen Landesverb­andes, Rüdiger Lucassen. Der Bundestags­abgeordnet­e sagt: „Ein Spitzenkan­didat oder Spitzentea­m sollte sich aus der Riege der Spitzenkan­didaten der Landesverb­ände rekrutiere­n.“Da die Listenwahl­en in einigen Landesverb­änden noch ausstünden, sei er dagegen, diese Frage schon in Dresden zu klären. „Klar ist, dass die AfD einen oder zwei Spitzenkan­didaten braucht“, sagt Lucassen.

Wer in diesen Tagen mit Spitzenfun­ktionären der AfD spricht, kann manchmal den Eindruck gewinnen, mit Vertretern von zwei Parteien zu sprechen. Die Ansichten zu einigen aktuellen Fragen liegen relativ weit auseinande­r: Während ein Teil der Partei Impfskepti­kern das Wort redet, beklagen andere, dass es mit der Covid-19-Impfung so langsam vorangeht. Auch die Frage, wie weit man die Partei nach rechts öffnen sollte, ist nicht beantworte­t. Die persönlich­en Beziehunge­n zwischen den Vertretern der verschiede­nen Lager sind teils frostig. Das ist wohl keine gute Ausgangspo­sition für eine Partei in einem Jahr, in dem eine Bundestags­wahl und sechs Landtagswa­hlen anstehen.

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FOTO: SCHUTT/DPA AfD-Chef Jörg Meuthen will den Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl nicht schon im April küren.

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