Im Frühling gibt’s „Wasserstraßentheater“
Ein Gespräch darüber, wie man Zuschüsse sinnvoll einsetzt und über die Freude an einem pandemietauglichen neuen Spielort.
SAARBRÜCKEN Die Saarbrücker Kultur ist um einen neuen Spielort reicher. Frank Lion, künstlerischer Kapitän des Theaterschiffs Maria Helena, hat gemeinsam mit seiner Kollegin Barbara Bruhn die Corona-Krise und die in dieser Zeit ausgeschütteten Hilfsgelder genutzt, um eine schwimmende Bühne anzuschaffen. Die soll heute in Saarbrücken eintreffen. Mit ihr, so erzählt es Frank Lion im SZ-Interview, will er Kultur ermöglichen, auch wenn das Virus weiter wütet.
Mitten in der Corona-Kultur-Krise etablieren Sie einen neuen Spielort in Saarbrücken. Mut der Verzweiflung?
Frank Lion: Der neue Spielort, die schwimmende Freilichtbühne, ist das Ergebnis unserer Erfahrungen und Überlegungen, was auch in Zeiten einer Pandemie für Theaterleute möglich ist. Wenn Theater und Konzerte stattfinden können, dann am wahrscheinlichsten und sichersten unter freiem Himmel. Barbara Bruhn und ich wollten sicher gehen, 2021 sinnvoll arbeiten zu können, und haben frühzeitig ein alternatives Konzept entwickelt.
90 000 Euro haben Sie aus dem Bundestopf „Neustart Kultur“bekommen. Dafür wurden die schwimmende Bühne gekauft, Außenbestuhlung angeschafft und dazu noch ihr Theaterschiff Maria-Helena mit einer Corona-tauglichen Lüftungsanlage ausgestattet. All das ist Infrastruktur. Aber die Bühne will ja auch bespielt werden. Wie stellen Sie sich das vor? Was für Künstlerinnen und Künstler sollen zu welchen Konditionen auftreten?
Frank Lion: Wir haben mit dem Geld noch einiges mehr gemacht: Weitere Bullaugen eingebaut, die Luken so umbauen lassen, dass auch im Theaterschiff einfach eine Open-Air-Situation mit Cabrio-Gefühlen herstellbar ist. Wir haben einen See-Container als Außenlager angeschafft. Dieser wird noch von einem jungen Künstler, der auch beim Artwalk vertreten ist, gestaltet.
Und das Programm?
Frank Lion: Darum wissend, dass es toll ist, eine pandemietaugliche Spielstätte zu haben, wir aber auch Geld brauchen, um sie bespielen zu können, haben wir uns um weitere Fördermittel bemüht und diese auch vom Fond Darstellende Künste erhalten. Nennen wir es mal „Wasserstrassentheater“, was wir machen werden. Die offene Atmosphäre am Ufer und die kostenlose Teilnahme werden zu einer niederschwelligen Kulturvermittlung beitragen. Wir sind der Meinung, öffentlich geförderte Kultur sollte vielen unterschiedlichen Gruppierungen unserer Gesellschaft zugänglich sein.
Haben Sie schon konkrete Pläne?
Frank Lion: Unser Programm wird saarländisch, europäisch, international. Beginnen werden wir mit „Percussion under construction“, dem Schlagzeugensemble des Staatstheaters – hoffentlich in der zweiten April-Hälfte. Die Förderung ermöglicht es uns entsprechende Gagen zahlen zu können.
Wenn es Brei regnet, muss man den Teller hinhalten. Sie gelten in Saarbrücken als ein besonders findiger Beschaffer öffentlicher Zuschüsse. Wie schaffen Sie es, immer wieder Geld für Ihre Projekte loszueisen?
Frank Lion: Viele andere kulturelle Einrichtungen, auch im Saarland, haben erfolgreich den Teller hingehalten. Was uns sicher immer wieder gelingt, ist dieses Geld möglichst effektiv zu nutzen. Es ist zweifellos spektakulärer eine neue Bühne im Fluss zu schaffen, als Klos und Klimaanlagen zu renovieren. Das Programm „Neustart Kultur“bietet wirklich viele Unterstützungsangebote. Für unsere Infrastrukturverbesserungen war die Deutsche Theatertechnische Gesellschaft Ansprechpartner. Das sind alles Theaterleute, die über die Mittelvergabe entschieden haben, und die Zusammenarbeit war ausgesprochen erfreulich.
Trotzdem: Sie sind erkennbar erfolgreich. Was ist Ihr Rezept?
Frank Lion: Ansonsten ist so ein Antrag einfach viel Schreibarbeit. Und natürlich ist auch Kreativität gefragt. Man braucht ein schlüssiges, überzeugendes Konzept und muss bereit und in der Lage sein, seine finanzielle Situation umfassend und nachvollziehbar darzustellen. Ich mache das auch nicht aus Neigung, weil ich im Grunde meines Herzens ein Buchhalter wäre, sondern zum Überleben – und das ist eine starke Antriebsfeder.
Als eine Kollegin vor ziemlich genau einem Jahr mit Ihnen über die Corona-Krise und die Auswirklungen aufs Theaterschiff sprach, waren Sie ziemlich verzweifelt. Allein 30 Veranstaltungen mussten Sie im letzten Frühjahr absagen. Wie ist der Gemütszustand von Frank Lion heute?
Frank Lion: Barbara Bruhn und ich hatten im März, noch kurz vor dem ersten Lockdown, eigenverantwortlich beschlossen, unsere Spielzeiteröffnung abzusagen. Im Juli starteten wir mit Unterstützung aus dem Solidaritätsfond der Stadt Saarbrücken mit einer Open-Air-Reihe, die begeistert angenommen wurde. Wir hatten auch das Resonanzenfestival und die Europäische Jugendbuchmesse an Bord. Ich habe mit Corinna Preisberg und dem Luxemburger Schlagzeuger Sven Kiefer ein Livehörspiel mit Schlagwerk mit den „Genauso-Geschichten“von Rudyard Kipling zur Premiere gebracht. Auch gab es tatsächlich noch Theater im Schiffsbauch, „Drei Dramen“mit den drei Damen Verena Bukal, Eva Kammigan und Nina Schopka. Im Sommer und Herbst 2020 ging tatsächlich einiges und das hat uns auch ermutigt unsere Spielstätte zu erweitern. Momentan sind wir voller Vorfreude auf die neuen Möglichkeiten, die uns die „kleine Schwester“demnächst bieten wird. Wann wird das kulturelle Beiboot der Maria-Helena zum ersten Mal bespielt? Und hat das neue „Kind“denn mittlerweile einen Namen?
Frank Lion: Hoffentlich im April mit einer fulminanten Eröffnung. Den Namen werden wir bald preisgeben. Bis dahin wird nur noch sehr wenig Wasser die Saar herunterfließen – versprochen.
„Darum wissend, dass es toll ist, eine pandemietaugliche Spielstätte zu haben, wir aber auch Geld brauchen, um sie bespielen zu können, haben wir uns um weitere Fördermittel bemüht und diese auch vom Fond Darstellende
Künste erhalten“
Frank Lion
DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER