Mit Gelassenheit und Gaudi zu einer Medaille
Die deutschen Skispringer Markus Eisenbichler und Karl Geiger gehören auf der Normalschanze bei der WM in Oberstdorf zu den Titelkandidaten.
(sid) Markus Eisenbichler lehnte lässig an seinen Skiern, hielt sein Gesicht in die unverschämt warme Allgäuer Februarsonne und wirkte vor dem Angriff auf das erste Gold bei der Heim-WM in Oberstdorf vollkommen tiefenentspannt. „Ich mache mir überhaupt keinen Stress mehr, ich habe schon einen Haufen Medaillen bei Weltmeisterschaften, die kann mir keiner mehr nehmen“, sagte er am Fuß der Schattenbergschanze: „Wenn ich jetzt aufhören würde, hätte ich eine geile Karriere gehabt. Aber natürlich will ich noch mehr Medaillen.“
Bei den noch vor zwei Wochen grundzerknirschten deutschen Skispringern herrscht nicht nur wegen Hochdruckgebiet Ilonka wieder eitel Sonnenschein. Zum Auftakt-Wettbewerb von der Normalschanze an diesem Samstag (16.30 Uhr/die Qualifikation am Freitagabend war bei
Redaktionsschluss noch nicht beendet) hat Eisenbichler die Leichtigkeit wiedergefunden, und auch der kürzlich noch schwankende Kumpel Karl Geiger lebt in seinem herausgeputzten Heimatstädtchen sichtlich auf. „Ich bin extrem stolz, dass der Ort die WM austrägt, und fühle, dass er trotz allem echt zusammensteht“, sagte Oberstdorfs berühmter Sohn.
Dass bei der so herbeigesehnten WM vor seiner Haustür Fans, Freunde und Familie der Pandemie geschuldet den Wettkämpfen fernbleiben müssen, sorgt bei Geiger zwar immer noch für ein wenig Wehmut, „aber ich bin wirklich froh, dass ich in der Heimat an einer solchen Veranstaltung teilnehmen kann. Und wäre froh, wenn ich am besten mit einer Medaille zurückzahlen kann.“
Die Normalschanze würde sich dafür besonders anbieten, denn sowohl der zuletzt im rumänischen Rasnov stark verbesserte Geiger („Ich bin sehr absprungstark, das zahlt sich dann auf solch kleinen Schanzen mehr aus“) wie auch Eisenbichler („Ich habe hier schon 1000 Sprünge gemacht“) sind große Fans des Oberstdorfer Kompakt-Bakkens. Nach den ersten Trainingseindrücken ist der erste deutsche WM-Titel von der kleinen Anlage seit Jens Weißflog 1989 kein unrealistisches Szenario.
So denkt auch Werner Schuster. „Markus hat eine gute Chance, beide Schanzen liegen ihm“, sagte der frühere Erfolgs-Bundestrainer: „Für ihn ist es aber auch wichtig, dass Karl wieder in Schuss kommt. Sonst ist er der letzte Mohikaner im Team.“Bei der WM 2019 in Innsbruck und Seefeld stand Schuster noch in der Verantwortung, damals räumten Eisenbichler als Großschanzen-Weltmeister, Geiger als „Vize“und das Team mit Gold mächtig ab.
Gerade Eisenbichler muss seitdem nichts und niemandem mehr etwas beweisen. „Ich bin um einiges gelassener als damals. Ich hab mir nie erträumt, dass ich mal sieben WM-Medaillen überhaupt mache“, sagt der 29-Jährige: „Viele machen sich einen großen Kopf, es ist ein Großevent bliblablubb . . . Ich denke mir: So entspannt wie hier haben wir es eigentlich nie, wir haben zwei Wochen an einer Stelle, können sauber auspacken, können uns relaxt vorbereiten auf das Ganze.“
Auch Schusters Nachfolger Stefan Horngacher ist an Eisenbichler aufgefallen, „dass sein Rucksack relativ gering gefüllt ist, Markus hat wenig zu verlieren.“Und so stellt Eisenbichler in den willkommenen Oberstdorfer Sonnenstrahlen klar, dass es für ihn nur ein einziges, simples WM-Rezept gibt: „Ich versuche bloß, dass ich springe und dass ich a Gaudi hab.“
Nicht so viel Spaß hatten am Freitagabend die deutschen Skispringerinnen im Teamwettbewerb. Der Titelverteidiger spielte im Kampf um die WM-Medaillen keine Rolle. Katharina Althaus, Juliane Seyfarth, Anna Rupprecht und Luisa Görlich belegten am Ende nur den fünften Platz. Die Goldmedaille holte sich das Quartett aus Österreich vor Slowenien um Einzelweltmeisterin Ema Klinec und Norwegen.