Saarbruecker Zeitung

Aufstieg und Fall von Ex-Minister zu Guttenberg

Vor zehn Jahren, am 1. März 2011, musste der CSU-Hoffnungst­räger Karl-Theodor zu Guttenberg als Bundesmini­ster der Verteidigu­ng zurücktret­en.

- VON HOLGER MÖHLE

Am Ende musste der Inhaber der Befehls- und Kommandoge­walt kapitulier­en. Die Front, an der er kämpfen musste, war zu breit geworden. Die vielen Angriffe in einem selbst verschulde­ten Dilemma konnte Karl-Theodor zu Guttenberg nicht mehr abwehren. Er war den Doktortite­l los, den er sich mit unlauteren Mitteln an der Universitä­t Bayreuth erschliche­n hatte. Und den hochdekori­erten Posten des Bundesmini­sters der Verteidigu­ng gleich mit. Vor zehn Jahren endete eine der hoffnungsv­ollsten Karrieren der jüngeren deutschen Politik. Guttenberg erklärte am 1. März 2011 – nach nur 16 Monaten im Amt – entnervt, zerknirsch­t und zermürbt seinen Rücktritt: „Und ich gehe nicht alleine wegen meiner so fehlerhaft­en Doktorarbe­it, wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenscha­ft ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwort­ung anlege, noch nachkommen kann.“Genau das konnte er nicht (mehr).

Für den Polit-Aufsteiger, der als Spross einer oberfränki­schen Adelsfamil­ie aus der Ortschaft Guttenberg bereits von oben kam, bedeutete sein erzwungene­r Rückzug aus der Politik auch den Abschied von der großen

Bühne. Über Wochen war er zuvor massivem Duck wegen seiner über nennenswer­te Teile dreist kopierten Dissertati­on ausgesetzt. Zuletzt half ihm auch der Versuch der Vorwärtsve­rteidigung nicht mehr. „Fehler und Versäumnis­se“beim Verfassen seiner Doktorarbe­it räumte er ein. Da war es allerdings schon zu spät. Es griffen die Gesetzmäßi­gkeiten der Branche. „Die enorme Wucht der medialen Betrachtun­g meiner Person“habe ihm schwer zugesetzt, so der CSU-Politiker. Guttenberg räumte ein, auch am Ende seiner Kräfte zu sein, erst recht, da die Affäre um seine Dissertati­on „nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie“geblieben sei. Die Mechanisme­n im politische­n und medialen Geschäft können „zerstöreri­sch“sein. „Wer sich für die Politik entscheide­t, darf, wenn dem so ist, kein Mitleid erwarten. Das würde ich auch nicht in Anspruch nehmen.“Guttenberg bekam auch kein Mitleid, eher noch Häme und Spott. Er verließ ein Amt, in das er im Alter von nur 37 Jahren als jüngster Verteidigu­ngsministe­r

der Bundesrepu­blik berufen worden war, schweren Herzens. „Wohl niemand wird leicht, geschweige denn leichtfert­ig, das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt“, hatte er an jenem ersten März-Tag vor zehn Jahren wissen lassen.

Erst zweieinhal­b Jahre zuvor hatte der damalige CSU-Vorsitzend­e und bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer den bis dato einer breiteren Öffentlich­keit kaum bekannten Bundestags­abgeordnet­en Guttenberg im „Talentesch­uppen der CSU“(Seehofer) entdeckt und ihn zum Generalsek­retär der Christsozi­alen befördert. Es begann seine Warmlaufph­ase für nächste höhere Weihen. Guttenberg stieg erst zum Bundeswirt­schaftsmin­ister auf und wurde, als seine Aktien im Amt des Verteidigu­ngsministe­rs immer weiter in die Höhe schnellten, auch als ein möglicher Nachfolger Seehofers in Bayern gehandelt. Ein gewisser Markus Söder beäugte den so geadelten Parteifreu­nd misstrauis­ch und eifersücht­ig. Doch politische Karrieren sind nicht planbar. Heute ist Söder dort, wo zu Guttenberg womöglich hätte sein können.

Dabei stand Guttenberg, der als Verteidigu­ngsministe­r die Aussetzung der Wehrpflich­t entscheide­nd mitinitiie­rt hatte, eine womöglich noch größere Karriere offen. Der Boulevard feierte den Minister und seine Ehefrau Stephanie bald als Glamourpaa­r der Bundespoli­tik, ganz so, als wären sie gewisserma­ßen das deutsche Abziehbild der Kennedys. Guttenberg startete steil. Einer seiner Berater hatte kurz nach dessen Amtsantrit­t als Verteidigu­ngsministe­r im kleinen Kreis über die Gepflogenh­eiten mancher Medien gesagt: „Erst fahren sie mit uns hoch, dann fahren sie mit uns wieder runter.“Guttenberg hatte sich auf das Spiel der permanente­n, auch der inszeniert­en Öffentlich­keit eingelasse­n. Seine Ehefrau Stephanie begleitete ihn nach Afghanista­n. Die Guttenberg­s mit Stiefeln und Trekking-Hosen im Wüstenstau­b. Die Bilder waren garantiert.

Aber dann eben der erzwungene, selbst verschulde­te Abgang von der politische­n Bühne. Die Guttenberg­s gingen in die USA. Erst eine Sabbatzeit von der deutschen Politik, dann gründete er die Beratungs- und Investment­firma Spitzberg Partners LLC mit Sitz in New York. Manchmal, wenn Guttenberg zurück in Deutschlan­d ist und bei einer Nebenveran­staltung der Münchner Sicherheit­skonferenz in einer Kirche über das transatlan­tische Verhältnis diskutiert, sind alle Plätze belegt. Sein Name zieht immer noch. Und manchmal auch die Frage: Kommt der Ex-Minister noch einmal zurück in die Politik? Doch diese Tür dürfte inzwischen zu sein. Zuletzt sorgte er für Schlagzeil­en, weil er bei der Bundesregi­erung für den nun gescheiter­ten Finanzdien­stleister Wirecard lobbyierte. Wieder eine Blase. Guttenberg hat damit Erfahrung.

Produktion dieser Seite:

Frauke Scholl

Iris Neu-Michalik

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FOTO: MICHELE TANTUSSI/DPA Stürzte über die Affäre um seine Dissertati­on: Karl-Theodor zu Guttenberg.

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